Mautsysteme haben einen gewissen Charme – auch wenn er einem nicht im ersten Moment auffallen wird, wenn man im Auto sitzt und soeben eine Straße benützt, auf der eine Mautgebühr fällig wird. Das Zahlen der Maut ist für gewöhnlich wenig erfreulich. Das Einkassieren einer solchen aber sehr wohl – und zwar tatsächlich auch für die Autofahrer und Autofahrerinnen.

Bilder wie diese könnten bald der Vergangenheit angehören. An Mautstationen wird man nicht mehr halten müssen – und intelligente Steuerungen werden für einen besseren Verkehrsfluss sorgen.
Foto: APA / Daniel Raunig

Denn die Gebühren fließen zum großen Teil wieder ins Straßennetz. Mehr als 1,1 Milliarden Euro hat die Asfinag 2021 für Schnellstraßen und Autobahnen ausgegeben. Dabei wurde mit 623 Millionen Euro mehr in die Erhaltung als in den Neubau investiert, gibt die Asfinag an. Durch die Maut wurden rund 2,3 Milliarden Euro eingenommen. Mit 1655 Millionen Euro brachte die Lkw-Maut am meisten ein, 477 Millionen kamen aus den Einnahmen der Vignettenkäufe hinzu. Eine Rechnung, die sich aktuell gut ausgeht. Doch ausgerechnet die E-Autos könnten das System in den nächsten Jahren völlig umkrempeln.

Maut als Ersatzsteuer

Grund dafür ist nicht, dass die oft schwereren E-Autos den Autobahnen jetzt so viel stärker zusetzen würden. Das Problem liegt an der Mineralölsteuer, die für diese Fahrzeuge nicht zur Anwendung kommt. 2020 machte dies immerhin 4,2 Milliarden Euro aus. Je nachdem wie schnell die Umstellung auf emissionslose Fahrzeuge bei uns voranschreitet, könnte der Bund in zehn oder 15 Jahren mit einer streckenabhängigen Maut das entstandene Loch im Budget wieder füllen. Und das scheint auch die realistischste Lösung zu sein.

"Strom hat bekanntlich kein Mascherl", sagt Johannes Rogi von Kapsch Traffic Com, "den kann man nicht so einfach wie Sprit und Heizöl anders einfärben und sagen, der eine ist besteuert, der andere nicht." Werden künftig noch mehr E-Autos mit selbst erzeugtem Strom aus einer Photovoltaikanlage geladen, wäre es für den Fiskus noch schwerer, eine gebrauchsabhängige Gebühr zu verlangen, während man jetzt die Abgaben ganz einfach über die Tankstellen kassiert. Da hat eine streckenabhängige Maut für den Staat ganz klare Vorteile. Doch damit nicht genug.

Geld oder Verkehrsregelung

"Die Maut hat gegenüber der Mineralölsteuer immer schon den Vorteil, dass sie auch verortet werden kann. Mit ihr kann man verschiedene Straßentypen oder Regionen unterscheiden. Oder man kann in der Verkehrsinfrastruktur sehr teure Bauwerke von eher günstigeren trennen und hier sehr zielgerichtet die Einnahmen gestalten", erklärt Rogi. Oder man kann damit Verkehrsflüsse leiten. Etwa indem man Abschnitte zu bestimmten Zeiten höher bepreist. Doch letztere Art der Regulierung hat auch einen Nachteil.

Wer durch eine höhere Maut etwa zur Stoßzeit den Verkehr reduzieren will, kappt sich selbst wieder die Einnahmen. Und man darf bei solchen Überlegungen auch den Tanktourismus nicht außer Acht lassen. Derzeit werde gerade bei gewerblichen Lkw-Fahrten viel Sprit in Österreich gekauft, der dann etwa in Deutschland verfahren wird.

Neue Mautstationen wie jene in Polen erfassen Fahrzeuge ganz automatisch.
Foto: Kapsch Traffic Com

Kapsch und das ebenfalls österreichische Unternehmen Swarco sind zwei der drei Weltmarktführer am internationalen Markt intelligenter Verkehrsmanagementsysteme. Im schwedischen Göteborg errichtet Kapsch gerade ein neues Mautsystem, das jährlich 90 Millionen Euro an Steuereinnahmen bringen soll. Dabei werden die Fahrzeuge auf 138 Fahrspuren automatisch identifiziert, die Daten an die Verkehrsbehörde weitergeleitet. Diese verarbeitet die Daten dann und leitet die Gebührenbescheide an die Fahrzeughalter weiter. Eine herkömmliche Mautstation, an der man halten muss, gibt es also nicht.

Ähnlich funktionieren Systeme in italienischen Städten mit verkehrsberuhigten Zonen. Dort werden an den Stadteinfahrten die Kfz-Kennzeichen mit dem Register jener Fahrzeuge abgeglichen, die in diesen Bereich fahren dürfen.

Citymaut in Österreich

Während es beim System in Göteborg vor allem darum geht, Einnahmen zu generieren, will man in Italien den Verkehr begrenzen. Ähnliche Ideen wie eine Citymaut oder verkehrsberuhigte Zonen in Städten wurden ja auch schon in Österreich diskutiert. Doch so schnell dürfte eine Stadtmaut in Österreich nicht kommen.

"In Italien ist das System seit 50 Jahren üblich, und man hat sich daran gewöhnt. Bei uns sieht das anders aus", ist Rogi überzeugt, egal ob es darum geht, Zufahrtsbeschränkungen für Nichtanrainer einzurichten oder eine allgemeine Maut, beispielsweise für die Zufahrt in einen Ortskern, einzuführen. Wer schon immer auf einer Straße oder in einer Region unterwegs war, wird schwer einsehen, warum er das auf einmal nicht mehr machen dürfe oder dafür zahlen solle.

Wenig Begeisterung

"Nur wenn es um neue Autobahnen, Tunnel oder Brücken geht, von denen der Verkehrsteilnehmer dann einen Mehrwert spürt, ist eine Vergebührung einfach", andernfalls komme es zu Diskussionen, denen sich die Politik aktuell nur ungern stellt. Zudem gebe es derzeit keine rechtliche Grundlage, auf der eine Citymaut in Österreich eingehoben werden könne. Man bedenke nur, dass durch Wien Straßen führen, die unterschiedlichen Zuständigkeiten zugeordnet sind, von der Gemeinde bis hin zu den Autobahnen.

Auf Letzteren lässt die Asfinag die Entrichtung der Maut überwachen – durch rund 20 ständig den Ort wechselnde Vignettenkameras, Kontrollen und anhand von Sensoren, welche die kilometerabhängige Maut für Lkws und die digitale Vignette der Pkws kontrollieren. De facto könnte die Anlage also auch Pkws wie Lkws bemauten. Die Anlagen wären mit geringen Anpassungen eigentlich auch in der Lage, als flächendeckende Section -Control zu fungieren. Doch dazu heißt es von der Asfinag: "Eine großflächige Überwachung" ist aus mehreren Gründen, etwa weil es dafür eine Verordnung brauche, "nicht sinnvoll und nicht angedacht." Man setze lieber auf die Eigenverantwortung der Fahrerinnen und Fahrer. Das ist für viele noch charmanter als eine Maut. (Guido Gluschitsch, 8.9.2022)