Thomas Prantner, nach 34 Jahren im ORF ab Ende September selbsttändig mit Beratungsfirma.

Foto: C 3-Thomas Prantner GmbH./ Hans Leitner

Wien – Thomas Prantner war schon Onlinedirektor, Technikvize, Marketingchef in 34 Jahren ORF, hat unter sechs ORF-Generäle und eine Generalin auf dem Küniglberg gearbeitet und versuchte zuletzt 2021, selbst ORF-Chef zu werden. Zum Abschied vom Küniglberg spricht er über GIS-Legitimation, Qualität und Quote und warum der ORF weder auf ORF.at noch auf die Marke TVthek verzichten könne.

Mit Ende September verlässt Thomas Prantner, seit wenigen Tagen 58, den öffentlich-rechtlichen Medienriesen und macht sich mit Ende September als Berater selbstständig.

Für sein vermutlich wichtigstes Projekt im ORF, die Streamingplattform TVthek, hat Prantner zuletzt noch die Präsenz auf den Bildschirmen von Technogym-Fitnessgeräten wie Laufbändern und Crosstrainern verhandelt.

"Keine Vereinbarungen" über ORF als Kunden

Ob er künftig mit seiner frisch gegründeten Beratungsfirma namens C3-Thomas Prantner GmbH auch für seinen bisherigen Arbeitgeber ORF arbeiten wird, sagt Prantner im Gespräch nicht, nur soviel: "Es gibt darüber keine Vereinbarungen."

C3 steht für "Communications-Connecting-Consulting" und arbeite in den Bereichen strategische Unternehmenskommunikation, Marketing und Digitalisierung, seine Betätigungsfelder auch im ORF.

"Im politischen Bereich nichts geplant"

Er starte mit Kunden, Name nennt er noch nicht. Kommen die aus dem Mediensektor, aus der Politik...? "Im politischen Bereich ist nichts geplant", sagt Prantner im Gespräch mit dem STANDARD. Laut Konkurrenzklausel mit dem ORF werde er für ein Jahr nicht für direkte Mitbewerber des ORF arbeiten. Also etwa nicht für ProSiebenSat1Puls4, auch wenn er gleich neben der Privatsendergruppe in Wien St. Marx sein Büro beziehen wird.

Unter seinen Kunden seien etwa "Unternehmen aus dem Westen Österreichs, die in ihrem Kerngebiet sehr stark sind, aber in Wien keinerlei Ansprechpartner haben". Auch Klein- und Mittelbetriebe, die er in Unternehmenskommunikation und Markenführung berate. "Es sind Unternehmen, die im Medien und Pressebereich keine Netzwerke haben, und die jemanden suchen. In Sachen Krisen-PR etwa habe ich einige Erfahrung aus den vergangenen Jahrzehnten."

General oder Gehen

2021 hat sich Prantner, damals Vizedirektor für Online in der ORF-Technik, um die Funktion des ORF-Generals beworben, gegen den amtierenden Langzeitgeneral Alexander Wrabetz, gegen den Favoriten der bürgerlichen Stiftungsratsmehrheit Roland Weißmann und heutigen ORF-Chef, gegen Lisa Totzauer, heute TV-Magazinchefin im ORF. Prantner kündigte seinen Abgang mit September 2022 an. Da wurde der langjährige ORF-Manager 58, ein relevantes Alter für ORF-Handshakeprogramme der vergangenen Jahre.

Warum hat er sich 2021 für die ORF-Führung beworben? Nach mehr als 30 Jahren im ORF, lange in Führungsfunktionen "wollte ich mit einem Reformkonzept antreten", das etwa weniger Direktionen beinhaltete. Danach schien es ihm natürlich, zu gehen. "Was ich definitiv nicht wollte, ist die Zeit bis zur Pensionierung als weißer Elefant abzusitzen. So bin ich nicht. Ich wollte immer was bewegen", sagt Prantner.

Selbstständig für "eine Funktionsperiode"

Jetzt bewegt er sich dafür aus dem ORF in die Selbstständigkeit. "Für eine Funktionsperiode", sagt er, angelegt auf "vier, fünf Jahre". Eine weitere Bewerbung für ORF-Funktionen sei "kein Thema".

Sein wichtigstes Projekt im ORF, die Videoplattform ORF-TVthek, startete 2009, nach einem Kompromiss im EU-Wettbewerbsverfahren gegen Österreich über die GIS-Gebühren für den ORF. Das ORF-Gesetz von 2010 basierte auf Vorgaben der EU über gebührenfinanzierte öffentlich-rechtliche Angebote und Kompromissen mit privaten Medienhäusern, die sich in Brüssel beschwert hatten; aus der Zeit kommen auch damals übliche Fristen für Abruf von Sendungen nach Ausstrahlung, die der ORF inzwischen gerne mit einer Digitalnovelle loswürde.

"Unendliche Geschichte"

"Der ORF braucht dringend eine Reform der Digitalgesetzgebung, um wettbewerbsfähig zu bleiben, dies aber in enger Kooperation mit den privaten Medien", sagt Prantner. Er hofft: "Diese unendliche Geschichte muss einmal gelöst werden." Er verweist auf die 2015/16 gestartete APA-Videoplattform, über die der ORF täglich hunderte Videobeiträge privaten Medien zur Verfügung stellt. Das sei ein Signal, und der ORF bemühe sich um weitere. Der ORF könne sich digital nicht auf Kosten der privaten Mitbewerber entwickeln, er müsse, so auch sein Generalskonzept, "Zeitungen mitnehmen" auf ORF.at, private Medieninhalte zu präsentieren und ihnen damit Reichweite zu geben. Eine Abschaffung der "blauen Seite" indes sei nicht vorstellbar, ohne den ORF schwer zu beschädigen.

"Schwer zu argumentieren", auf Marke TVthek zu verzichten

Wenn der vielzitierte ORF-Player, eine umfassende Streamingplattform, kommt – gibt es die TVthek weiter? "Nach meinen Informationen ja. Das soll ein zentraler Baustein sein als Videomodul im Player. Es wäre auch schwer zu argumentieren, eine ORF-Digitalmarke mit einer gestützten Bekanntheit von rund 80 Prozent einfach verschwinden zu lassen."

"Kampf um Gebührenlegitimation viel, viel schwerer geworden"

Ständiger Begleiter des ORF sind Diskussionen über die Finanzierung über die GIS und die Notwendigkeit von öffentlich-rechtlichen Medienangeboten. Hat der langjährige ORF-Kenner und künftige Berater einen Rat für seinen bisherigen Arbeitgeber? Sein Befund: "Der Kampf um die Gebührenlegitimation ist in den vergangenen Jahren viel, viel schwieriger geworden. Zu kommunizieren: Wofür zahlt das Publikum Gebühren, für welche Produkte, was ist der Mehrwert. Das ist auch in Zukunft eine zentrale Kommunikationsaufgabe. Diese Relevanz ist darzustellen. Es gäbe ohne Gebühren keine Landesstudios, kein Ö1, diese vielen Mehrleistungen, gut 100 Millionen für die Filmwirtschaft. Klar ist, dass der ORF diese Legitimation in der Kommunikation an die Kunden weiterhin und aktiv erarbeiten muss."

"Qualität und Quote"

Ist diese Relevanz des ORF in dieser Bevölkerung angekommen, das Verständnis, für dieses Angebot zu zahlen? "Ich glaube schon. Die Zuschauerzahlen zeigen ganz klar, dass der ORF insbesondere in der Information, in der Kultur, im Regionalen klarer Marktführer ist. Die Leute werden ja nicht gezwungen einzuschalten, sie tun das freiwillig. Die Gebühren sind klarerweise nur dann zu rechtfertigen, wenn man auch für kleinere Zielgruppen mit speziellen Interessen attraktiver Angebote hat; aber gleichzeitig die breite Masse der Österreicherinnen und Österreicher gewinnt. Qualität und Quote bedingen einander, wie schon Gerhard Zeiler als ORF-General gepredigt hat. Ich glaube, dass Qualität und Quote ein Erfolgsgeheimnis, ja eine Überlebensformel für den ORF in der Zukunft sind." (fid, 12.9.2022)