Jair Bolsonaro strebt eine zweite Amtszeit an, liegt in den Umfragen aber aktuell deutlich hinter seinem Herausforderer Luiz da Silva.

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Am 2. Oktober finden in Brasilien Wahlen statt. Dabei entscheiden die Wähler über die Entsendung von Abgeordneten bzw. Senatoren in beide Kammern, die Ämter der Gouverneure und Vizegouverneure und auch das Staatsoberhaupt. Geht man nach jüngsten Umfragen, dann wird die erste Amtszeit des Rechtsextremen Jair Bolsonaro auch seine letzte sein. Denn sein größter Konkurrent, Ex-Präsident Luiz Lula da Silva, liegt klar voran, auch wenn Bolsonaro in den letzten Monaten den Abstand deutlich verkürzen konnte.

Der derzeit amtierende Präsident setzt in seinem Wahlkampf massiv auf eine Angst- und Desinformationskampagne im Netz. Zu diesem Schluss kommt ein Report der Plattform SumOfUs (PDF), wie "Common Dreams" zusammenfasst. Sie ziehen Parallelen zur "Stop The Steal"-Kampagne, mit der Donald Trump im Vorfeld des Wahlgangs im November 2020 und auch darüber das Narrativ verbreitete, ein Sieg von Joe Biden – der schließlich eintrat – sei nur dank Betrugs möglich.

Trumps Agitation soll maßgeblich zu den Ereignissen am 6. Jänner 2021 beigetragen haben, als ein teilweise bewaffneter Mob das Kapitol stürmte, um die Bestätigung der Wahlmännerstimmen zu verhindern und Politiker zu attackieren.

"Ökosystem" für rechtsextreme Rhetorik

Ähnliche Botschaften transportieren auch Bolsonaro und seine Fans. Sie stellen ebenfalls Wahlbetrug in den Raum, zudem hat Bolsonaro bereits angedeutet, eine Niederlage womöglich nicht anzuerkennen und gewaltsam an der Macht bleiben zu wollen.

Laut SumOfUs sieht Meta diesem Treiben weitgehend untätig zu, sowohl auf dem sozialen Netzwerk Facebook als auch auf dem Messenger Whatsapp. Unter anderem würde Facebook Einschaltungen zulassen, die die Auflagen der brasilianischen Regierung bezüglich Werbung im Vorfeld von Wahlen brechen. Es würde sich ein "Ökosystem" aus Werbung und Postings entfalten, über das ungehindert rechtsextreme Rhetorik mit Verschwörungserzählungen und Angriffen auf demokratische Institutionen und Politiker verbreitet werden. Die Reichweite mancher Einschaltungen ist dabei beachtlich. Alleine 16 Aufrufe zu einschlägigen Demonstrationen hätten teilweise in nur einer Woche 615.000 Klicks erzielt. Eine davon zeigte im Sujet militärische Ausrüstung, inklusive Kampfmesser. Sie wurde mittlerweile gelöscht.

Auch extremistische Botschaften auf Whatsapp, die einen Militärcoup befürworten und zur "Entfernung" missliebiger Höchstrichter aufrufen, machten ungehindert die Runde. Diese Kampagnen laufen darüber hinaus auch über den Messenger Telegram, der nicht zu Meta gehört. In drei beobachteten Gruppen hätten sich zuletzt Aufrufe zu Demos am 7. September gehäuft. In diesen seien auch Vergleiche mit den Protesten am Kairoer Tahrir-Platz 2011 gezogen worden, die letztlich in den Sturz der Regierung mündeten.

Maßnahmen gefordert

SumOfUs ruft Meta dazu auf, mehr Maßnahmen zu ergreifen, um eine Wiederholung des US-Kapitolsturms nicht nur in Brasilien zu unterbinden. Man fordert etwa eine Erweiterung der Moderationsmaßnahmen und eine Aufstockung des Teams um fair bezahlte Angestellte aus Brasilien, die Botschaften mit regionalem Kontext besser einordnen könnten. Facebook solle außerdem eine Risikoanalyse vornehmen und die Ergebnisse hinsichtlich der Gefahren und Auswirkungen auf Menschenrechte im jeweiligen Land veröffentlichen.

Weiters verlangt man mehr Transparenz hinsichtlich des Werbegeschäfts und jährliche Kontrollen durch eine externe Stelle, um festzustellen, ob man die eigenen Vorgaben erreicht. Zudem verweist man auf weitere Policy-Vorschläge, die gemeinsam von 90 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Brasilien erarbeitet wurde. (gpi, 8.9.2022)