Die ausgestorbene Otter-Art soll nicht nur deutlich größer und schwerer als heutige Arten gewesen sein, sondern auch am Land gejagt haben.

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Die Beziehung zwischen Mensch und Otter ist schwierig. Über Jahrhunderte wurden letztere aufgrund ihres Pelzes bejagt. Der bei uns beheimatete Eurasische Fischotter galt Ende des 20. Jahrhunderts als beinahe ausgerottet. Nachdem sich die Population zuletzt wieder ein wenig erholte, werden die Tiere mancherorts nun wieder verstärkt zum Abschuss freigegeben. Als Fischjäger sollen sie laut manchen Entscheidungsträgern für leere Flüsse verantwortlich sein – Naturschutzorganisationen widersprechen dem vehement.

Wer sich schon heute vor den geschickten kleinen Jägern fürchtet, kann froh sein, nicht deren Vorfahren über den Weg gelaufen zu sein. Forschende haben nun nämlich die größte Riesenotter-Art entdeckt, die allein aufgrund ihrer Maße furchteinflößend gewesen sein muss. Die als Enhydriodon omoensis beschriebene Art brachte es mit ihrer Körperhöhe von einem Meter auf die Größe eines ausgewachsenen modernen Löwens und soll bis zu 220 Kilogramm gewogen haben.

Fast so groß wie ein Menschenaffe

Zum Vergleich: Der Eurasische Fischotter wird gerade einmal 17 Kilogramm schwer. Die gewichtsmäßig größte noch existierende Art, der Nordpazifische Seeotter, wiegt maximal 45 Kilogramm. Rekonstruiert wurde die längst ausgestorbene Riesenotter-Art aufgrund von Fossilienfunden im äthiopischen Omo-Tal, das auch für die Benennung der Art als Namensgeber herangezogen wurde. Die Erkenntnisse wurden im französischen Fachjournal "Comptes Rendus Palevol" veröffentlicht.

Der Riesenotter im Vergleich zu einer modernen Menschenfrau, einem aufrecht gehenden Australopithecus und aktuellen Otterarten.
Foto: Sabine Riffaut, Camille Grohé / Palevoprim / CNRS – Université de Poitiers

Dort lebten die Tiere vor 2,5 bis 3,5 Millionen Jahren – übrigens in direkter Nahrungskonkurrenz mit unseren frühen Vorfahren, den Australopithecinen, die es selber gerade einmal auf knapp über einen Meter Größe brachten. Die Riesenotter-Art ist laut dem Studienautor Kevin Uno von der Columbia Climate School in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Denn neben ihrer stattlichen Größe dürfte sich ihr Lebensraum deutlich von jenem aller bekannten Otterarten unterschieden haben.

Raubtier auf dem Land

Eine Analyse der gefundenen Zähne lässt die Forschenden nämlich zum Schluss kommen, dass sich E. omoensis vermutlich nicht von Fischen und anderen Wassertieren ernährte, sondern an Land jagte. Die analysierten Isotope seien mit jenen vergleichbar, die in dieser Gegend im Gebiss von Großkatzen und Hyänen nachgewiesen werden konnten. Der Riesenotter habe Tiere gejagt, die sich wiederum von tropischen Gräsern, Pflanzen an Land und Baumvegetation ernährten. Das sei auch für die Enhydriodon-Gattung einzigartig.

E. omoensis ist nicht die einzige Riesenotter-Art, die vor mehreren Millionen Jahren in Afrika nachgewiesen werden konnte. Auch andere bislang bestimmte Arten wurden bis zu einen Meter hoch, sollen aber alle zumindest teilweise – wie etwa Nilpferde – im Wasser gelebt und auch dort gejagt haben. Die für die Bestimmung herangezogenen Fossilien wurden bereits im 19. Jahrhundert gefunden. Da nur einzelne Knochen und Bruchstücke an mehreren Orten gefunden wurden, wurde die Art erst jetzt rekonstruiert. (Martin Stepanek, 12.09.2022)