Eine Insel, die gar keine ist: Qeqertaq Avannarleq stellt sich als flache Spitze eines Eisbergs heraus.
Foto: Morten Rasch / AP

Zur Wahrheit gehört, dass auch über Irrtümer berichtet wird. So sorgen aktuelle Analysen auch dafür, dass das im Vorjahr als "nördlichste Insel der Welt" bezeichnete Stückchen Land eigentlich gar nicht mehr als solches gelten sollte. Bei dieser Insel nördlich von Grönland handle es sich nämlich um einen Eisberg, wie auf einer Folgeexpedition festgestellt wurde.

Vor rund einem Jahr wurde "Qeqertaq Avannarleq" (übersetzt aus grönländischer Inuitsprache: "die nördlichste Insel") entdeckt: eine 30 mal 60 Meter große Insel, die sich 800 Meter nördlich des 1978 entdeckten Eilands Oodaaq am nördlichsten Zipfel Grönlands befindet. Oodaaq hatte bis dahin als jenes Stück Land gegolten, das dem Nordpol am nächsten liegt.

Flache Spitze des Eisbergs

Doch selbst bei Oodaaq und anderen Inselchen in der Region handelt es sich genau genommen um ein wenig Land, das auf Eis schwimmt. Man habe alle seit 1978 gemeldeten Inselpositionen besucht – bei allen sei klar geworden, dass es sich nicht um Inseln handeln könne, sagt René Forsberg von der Technischen Universität Dänemark gegenüber dem Wissenschaftsmedium Videnskab.dk.

"Unter anderem haben wir herausgefunden, dass es unter den 'Inseln' Wasser gibt und dass das, was man für Inseln hielt, in Wirklichkeit Eisberge sind, die an der Oberfläche mit Erde und Kies bedeckt sind", sagt Forsberg, der sich selbst von der Entdeckung überrascht zeigte.

Schon zuvor war klar, dass die Inselchen rasch wieder verschwinden könnten. Fachleute nahmen an, dass sie hauptsächlich aus kleinen Ansammlungen von Schlamm und Kies bestehen – wahrscheinlich das Ergebnis eines Sturms. Die neuen Analysen zeigten jedoch, dass das Material nicht bis zum verhältnismäßig flachen Meeresboden hinunterreicht.

Alte neue Nordinsel

Überrascht habe das Forschungsteam, "dass das Wasser in diesem Gebiet sehr nahe an Land relativ tief ist", sagt Expeditionsleiter Morten Rasch von der Universität Kopenhagen. Die heimlichen Eisberge seien oben völlig flach und mit so viel Schlamm bedeckt, dass sie wie gewöhnliche Bodenoberfläche aussehen. "Beides sehen wir selten auf Eisbergen, und das hat uns alle seit 1978 betrogen, als die erste 'Insel' in der Gegend entdeckt wurde", erklärt Rasch.

Nun fällt der Status des nördlichsten Stücks Land auf die grönländische Insel Qeqertaat – die auch als "Kaffeklubben" bezeichnet wurde – zurück. Sie befindet sich bei den Koordinaten 83°39"55" N, 30°37"45" W und ist mit einer Länge von 825 Metern und einer Breite von 270 Metern auch ein gutes Stück größer. (red, APA, 10.9.2022)