Der Preis für Pellets hat sich binnen eines Jahres mehr als verdoppelt.

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Pellets sind heiße Ware. Die Energiekrise hat den Preis für die kleinen Presslinge aus Sägespänen in lichte Höhen getrieben. Kostete das Kilogramm vor einem Jahr für Privatabnehmer noch 22,5 Cent, stand der Kurs im August 2022 bei 53,8 Cent – ein Anstieg um 139,4 Prozent. Der Krieg in der Ukraine hinterlässt auch in der Branche Spuren: Produktionskosten explodierten, am europäischen Markt fielen Importe aus der Ukraine, Russland und Belarus weg, gleichzeitig wächst die Nachfrage: Von 2011 bis 2021 stieg die Zahl an Pelletskesseln in Österreich von 89.000 auf 162.000. Den Pelletshunger versuchen immer neue Werke zu stillen, elf Produktionsstätten entstehen laut Branchenverband Pro Pellets Austria in den nächsten zwei Jahren.

In die öffentliche Wahrnehmung kam der Brennstoff zuletzt nach dem ORF-Sommergespräch mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) Anfang September. Dort forderte der Kanzler eine Kostenbremse für Gas, Öl – und für Pellets. Bislang hatte die türkis-grüne Koalition Pellets nur am Rande auf dem Schirm. Im Regierungsprogramm von 2020 sind sie mit einem ziemlich sperrigen Halbsatz erwähnt, der jedoch in der Branche auf offene Ohren stieß: "Verankerung einer Verpflichtung zur Pelletsbevorratung für Produzenten und Importeure im Rohstoffbevorratungsgesetz."

Branche will Regulierung

Das bedeutet nicht weniger als eine gesetzlich verankerte Pelletsreserve, ähnlich wie bei Gas oder Öl, als Versicherung für den Krisenfall. Eine verpflichtende Reserve würde Preisexzesse im Zaum halten. Eine solche fordert auch die Interessenvertretung. Und zwar als Maßnahme zur Selbstregulierung in einem zunehmend heißlaufenden Wettbewerb: "Unser aktueller Vorschlag läuft darauf hinaus, dass zehn Prozent des Jahresbedarfs (2021 waren das in Österreich 1,2 Millionen Tonnen, Anm. d. Red.) bevorratet werden sollen", erklärt Christian Rakos, Geschäftsführer von Pro Pellets. Konkret soll die Hälfte der Ware als permanentes Lager zur Verfügung stehen. Die andere Hälfte soll als "operatives Lager" zu Beginn jedes Winters aufgebaut werden. Damit will man gegen unvorhergesehene Ereignisse wie zuletzt den Ukraine-Krieg besser gewappnet sein. Schließlich seien heuer europaweit 3,2 Millionen Tonnen an Importen aus der Ukraine, Russland und Belarus ausgefallen. Österreich ist zwar Exportnation – produziert wurden hierzulande im vergangenen Jahr 1,6 Millionen Tonnen, verbraucht um 400.000 Tonnen weniger. Der Preis zog aber, wie beschrieben, massiv an.

Zur Bevorratung verpflichtet würden Produzenten und Importeure. Das ist für diese mit Mehrkosten verbunden. Kommen die Forderungen des Verbands daher bei den Unternehmen gut an? "Nicht bei allen. Die von uns vertretenen Unternehmen haben aber mit klarer Mehrheit dafür gestimmt", sagt Rakos. Er spricht für etwa 90 Prozent der Branche.

Harter Wettbewerb

Aber wenn so viele die Bevorratung wollen: Warum auf ein Gesetz warten und sich nicht selbst freiwillig dazu verpflichten? Die Frage sei im Verband lange diskutiert worden, erklärt Rakos – aber erfolglos. Zu hart sei der Wettbewerb: "Ein Unternehmer, der weniger bevorratet, hätte unter Umständen einen signifikanten Kostenvorteil, könnte Pellets günstiger anbieten und seinen Marktanteil vergrößern." Bleibt der kalte Winter aus und müsste niemand auf Reserven zurückgreifen, hätte er das Spiel gewonnen.

Rakos sieht die Branche ab 2023 in der Lage, die gesetzliche Pelletsreserve umzusetzen – womöglich vorerst mit der halben Menge, in zwei Jahren dann mit den ganzen zehn Prozent Jahresbedarf. Viele bestehende Silos hätten noch Kapazitäten, neue seien bereits in Planung. Doch würden die Pellets dann wirklich bei der österreichischen Kundschaft ankommen, oder würden die Unternehmen erst wieder exportieren, wenn sie am europäischen Markt einen besseren Preis bekämen? Rakos ist um Entwarnung bemüht: "Die strategische Ware würde wahrscheinlich einer ähnlichen Lenkung unterliegen wie Öl- oder Gasvorräte. In einer echten Mangelsituation kommt es zu einer Energielenkung. Dann gibt nicht die Branche die Menge frei, sondern der Staat."

Regierung "in Gesprächen"

Die Regierung scheint dem Thema nicht die höchste Priorität einzuräumen. Im grünen Energieministerium verweist man auf das Regierungsprogramm, es fänden derzeit Gespräche mit Stakeholdern und dem Regierungspartner statt. Die ÖVP äußert sich auf Anfrage gar nicht zu dem Thema. Aus der Opposition gibt es wenig Gegenliebe für das Projekt. Aus dem SPÖ-Parlamentsklub heißt es, Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) solle eine "Preiskontrolle" durchführen, um den Marktentwicklungen zu begegnen. Die Neos sehen ebenso keinen Bedarf, da Österreich mehr Pellets produziert als verbraucht.

Die Arbeiterkammer (AK) unterstellte der Branche im Sommer Kriegsgewinnlertum: "Es ist offensichtlich, dass die Branche versucht, sich im Windschatten der allgemeinen Energiepreisentwicklung ein Körberlgeld zu verdienen", erklärte der oberösterreichische AK-Präsident Andreas Stangl. Passieren wird in Sachen Pelletsreserve also – vorerst – nichts. Und was der Kanzler nach seinem Auftritt im Sommergespräch sonst tun will, um "den Irrsinn, der sich derzeit auf den Energiemärkten abspielt", zu stoppen, bleibt abzuwarten. (Michael Windisch, 12.9.2022)