Kleine Tipps, große Wirkung: Das ist das Ziel der "Mission 11" – mit der jeder Haushalt rund elf Prozent der Energie einsparen soll.

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"Dreh klein, spar ein – senke die Heiztemperatur um zwei Grad", "Sei ein Warmduscher. Aber mach's kurz" oder "Langsamer fahren, schneller am Ziel": Mit solchen Slogans startete die Bundesregierung am Montag ihre Kampagne zum Energiesparen. Vorgestellt wurde diese von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne), Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), Franz Angerer (Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur) und Barbara Schmidt (Generalsekretärin der Österreich Energie).

Lustig, bunt, schrill und einfach – so sollen die Menschen die Kampagne "Mission 11" wahrnehmen, die bis zum März 2023 laufen wird. "Wichtig war uns, dass wir Maßnahmen forcieren, die sofort von jedem umgesetzt werden können", sagte Gewessler bei der Präsentation. Also: Heizkörper entlüften und nicht verstellen. Richtig lüften. Deckel auf den Topf. Kürzer duschen. Langsamer fahren. Unkompliziert sei die Kampagne – jeder müsse sein Verhalten nur ein wenig verändern. Mit diesen Tipps könne jeder Haushalt elf Prozent seines bisherigen Energieverbrauchs sparen, so Gewessler. Daher der Name "Mission 11".

Schnell und ohne Investitionen

Der heurige Winter sei ein außergewöhnlicher. Daher sei es sinnvoll, auf Maßnahmen zu setzten, die schnell umsetzbar sind und keine Anfangsinvestitionen brauchen, betonte Angerer von der Energieagentur. Dort wurden verschiedene Haushaltsmodelle durchgerechnet und festgestellt, dass elf Prozent fast überall zu schaffen seien. Die Wärmedämmung, die Sanierung, der Thermentausch – auch das seien laut Gewessler Themen, an denen man dranbleiben müsse. Aber jetzt gehe es darum, das zu forcieren, was jeder Einzelne beitragen könne. Auch viele Unternehmen – etwa die Post, die ÖBB, die Arbeiterkammer oder die Österreichische Hoteliersvereinigung – haben laut Angerer schon zugesagt, diese Sparziele mitzutragen, und Konzepte erstellt.

"Als Gesellschaft und Wirtschaftsstandort haben wir in den vergangen 70 Jahren schon viele Krisen gemeistert", sagte Minister Kocher. "Ich bin daher zuversichtlich, dass es uns auch gelingt, gemeinsam weniger Energie zu verbrauchen." Es sei heuer eben ein außergewöhnlicher Winter. Die Situation sei ernst, die Preise für fossile Energieträger – allen voran Gas – enorm gestiegen. Kocher lobte das Paket aus Gaseinspeicherung, Energiekostenzuschuss und Strompreisdeckel. Wenn jetzt alle zusammenhelfen, "wird der Winter im Idealfall nicht viel anders als andere Winter", so der Minister.

Nachfrage reduzieren

"Die Nachfrage nach Energie gehört reduziert", sagte Energie-Expertin Schmidt. Ebenso gehöre das Angebot von erneuerbarer Energie weiter ausgebaut. Sie erinnerte an die Zeiten ihrer Kindheit in den 1970er-Jahren. Damals sei es ganz klar gewesen, das Licht abzudrehen, wenn man einen Raum verlassen hat, und den Deckel auf den Topf zu geben. In den vergangenen Jahrzehnten sei der effiziente Einsatz von Energie aber in den Hintergrund gerückt, auch weil die Preise dafür billig waren. "Der hohe Preis für Energie ist ein Knappheitssignal", sagt Schmidt. Daher müsse man jetzt die Nachfrage nach Energie und im Besonderen nach Strom reduzieren.

"Wir beschäftigen uns seit mehr als 40 Jahren mit Energiesparen", sagte Angerer. Allein, es habe in den letzten 39,5 Jahren niemanden interessiert. Das vergangene halbe Jahr habe nun viel verändert. Jetzt habe man viele Daten zusammengelegt und auf das fokussiert, was schnell umsetzbar ist. Angerer empfiehlt auch, dass jeder ein Energie-Haushaltsbuch führen sollte, um eine Zeitlang zu dokumentieren, wie viel Energie pro Tag man verbrauche. Auch das könne helfen, nach Einsparungen zu suchen. "Das Problem bei den meisten Energiesparmaßnahmen ist, dass sie so banal und einfach sind, dass wir sie kaum noch über die Lippen bringen", fasste Angerer zusammen.

Kein Zurück mehr

Russlands Präsident Wladimir Putin hat vergangene Woche angekündigt, dass russisches Gas erst dann wieder wie gewohnt fließen werde, wenn die EU ihre Sanktionspolitik beendet. "Das ist der Versuch, uns zu erpressen", sagte Gewessler. Man lasse sich von solchen Aussagen aber nicht mürbe machen. Der Weg mit Russland sei aber für eine längere Zeit gestört, ein Zurück zum billigen Gas werde es nicht mehr geben.

Die Abhängigkeit von russischer Energie konnte in den vergangenen fünf Monaten von über 80 Prozent auf unter 50 gesenkt werden, die heimischen Energiespeicher seien zu mehr als 70 Prozent gefüllt. Zudem werde die Teuerung abgefedert, so gut es gehe, betonte Gewessler.

Teure Kampagne, Wirkung offen

3,6 Millionen Euro kostet die Kampagne "Mission 11" – doch es sei unklar, wie viele Menschen wirklich mitmachen und wie viel Energie am Ende tatsächlich eingespart wird. Ob das nicht ein teurer Ansatz sei und wo das Energieeffizienzgesetz bleibe? Das fragte ein Journalist im Anschluss an die Präsentation. "Vor dem Winter ist es jeden Euro wert, dass jeder Einzelne von uns einen Beitrag leistet, und zwar mit einfachen Maßnahmen", sagte Gewessler. Die eingesparte Energie sei letztlich auch gespartes Geld für die Haushalte.

Kontrollieren könne man die Einhaltung der Maßnahmen freilich nicht. Es zeige sich aber, dass die Menschen – aber auch Städte und Gemeinden – bereits jetzt einen Beitrag leisten, weil sie selber auf Kosteneffizienz achten. So sei etwa der Gasverbrauch im Vergleich Juli 2021 und Juli 2022 bereits um elf Prozent gesunken. Das sei laut der Klimaschutzministerin ein klares Ergebnis der hohen Kosten und der Sorgsamkeit vieler Haushalte.

Wird es verpflichtende Maßnahmen geben, wenn sich zeigt, dass die elf Prozent nicht erreicht werden? Ja, man arbeite auch an konkreten Vorgaben für Haushalte und Unternehmen, um diese im Fall zu bestimmten Maßnahmen zu verpflichten. Man müsse sich schon fragen, ob es Sinn mache, wenn eine Werbetafel um drei Uhr früh noch beleuchtet ist, so Gewessler. Dass zum Einsparen schon ein großer Anreiz aufgrund der steigenden Kosten gegeben ist, betonte auch Kocher.

Erster Schritt

Elf Prozent hört sich viel an, ist bei genauerer Betrachtung aber ein kleiner Schritt. Der Stromverbrauch in Österreich lag laut E-Control im Vorjahr bei knapp 60.000 Gigawattstunden. 26 Prozent davon (16.066 GWh) haben private Haushalte konsumiert. Eine Reduktion um elf Prozent ergibt eine Einsparung von 1.760 GWh, und gemessen am Gesamtverbrauch sind das gerade knapp drei Prozent.

Umweltorganisationen fordern mehr Maßnahmen

Neos-Energiesprecherin Karin Doppelbauer kritisiert, dass die Sparkampagne "um Monate zu spät" komme und die Strompreisbremse kein angemessener Anreiz zum Energiesparen sei. Zudem dürften Energiesparmaßnahmen nicht nur auf Einzelpersonen übertragen werden. "Der Staat muss selbst mit gutem Beispiel vorangehen", mahnt Doppelbauer in einer Aussendung. Für die SPÖ hätte ein solches Gesetz bereits vorliegen müssen, bevor die Bevölkerung zum Sparen aufgerufen wird. Anstatt Privathaushalte zum Sparen aufzurufen, fordert die SPÖ die Umsetzung von Gesetzen zur Senkung des Energieverbrauchs.

Für die Umweltorganisationen Greenpeace und WWF ist die Energiesparkampagne ein erster richtiger Schritt. Darüber hinaus seien aber weitere Maßnahmen notwendig, um den Energieverbrauch langfristig zu senken, etwa ein Energieeffizienzgesetz, der Ausstieg aus Erdgas beim Heizen und umfassende Gebäudesanierungen. Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) sieht weiteres Einsparpotenzial im Bereich der Mobilität und fordert etwa niedrigere Tempolimits und die Abschaffung von Steuerbegünstigungen für Firmenwagen mit Verbrennungsmotoren.

Auch der ÖAMTC ortet Möglichkeiten, im Verkehr Energie zu sparen, allerdings nicht mit Tempolimits, sondern mit einer Umstellung der Ampelschaltung auf eine "grüne Welle", mehr Homeoffice und der Förderung von Fahrgemeinschaften. (Bettina Pfluger, 12.9.2022)