Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock setzt beim Goethe-Institut, das deutsche Kultur und Sprache im Ausland vermittelt, und beim Akademischen Austauschdienst den Rotstift an. Einer auch auf Arabisch erscheinenden Website droht gar das Aus. Im Gastkommentar sagt Islamwissenschafter Stefan Weidner, dass es in der Diplomatie auch die leisen Töne brauche, nicht nur den "Radetzky-Marsch der Weltverbesserung".

Annalena Baerbock, deutsche Außenministerin.
Foto: Reuters/Michele Tantussi

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wirft seine Schatten auch auf die deutsche Kulturpolitik, besonders die auswärtige. Das Goethe-Institut soll nächstes Jahr 24 Millionen Euro weniger bekommen, so die Ansage des Auswärtigen Amts. Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) wird mit kräftigen Einbußen konfrontiert. Am härtesten aber trifft es die Webseite qantara.de. Qantara mit Q, wie das arabische Wort für Brücke, wurde in Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 gegründet. Die auf Deutsch, Arabisch und Englisch erscheinende Seite ist im Lauf von zwei Jahrzehnten zum Leitmedium für Infos und vertieften Gedankenaustausch zwischen Westen und Islam, Mitteleuropa und der arabischen Welt geworden. Der Etat beläuft sich zwar nur auf 380.000 Euro. Aber während Goethe-Institut und DAAD die Kürzungen überleben werden, wird qantara.de eingestellt werden müssen.

Solche Kahlschläge sind mit finanzpolitischen Gründen allein nicht zu rechtfertigen. 380.000 Euro können keine Löcher stopfen, wenn gleichzeitig dreistellige Milliardenbeträge für Waffen und andere kriegsbedingte Transferleistungen aufgewendet werden.

Forsches Amt

Warum also Qantara dichtmachen und Goethe-Institut und den DAAD in die Zwangsjacke nehmen? Ist Deutschland in einem Konfliktfall wie dem gegenwärtigen nicht ganz besonders auf gute Beziehungen in die übrige Welt angewiesen, gerade auch in die arabische? Sollte es nicht die eigene Position klug erklären und zugleich signalisieren, dass es auch zuhören kann? Sollte es nicht gerade mit denen im Gespräch bleiben, die unsere Position, sei es zu Russland, sei es zu China, eben nicht teilen, auf deren Hilfe es aber nichtsdestoweniger angewiesen ist?

Was Wirtschaftsminister Robert Habeck bei seinem Knicks in Katar schon wusste, haben die Kulturbeamten in Annalena Baerbocks forschem Auswärtigem Amt noch nicht begriffen. Eine verantwortungsbewusste auswärtige Kulturpolitik bestünde in diesen Tagen darin, Qantara, Goethe-Institut und DAAD besser auszustatten. So gut, dass sie mit der medialen Offensive und den Fake News der russischen Propaganda endlich konkurrieren können. Und zwar weltweit.

"Eine zielführende Außenpolitik ist das nicht."

Vor diesem Hintergrund sind die kulturpolitischen Kürzungsvorhaben töricht, ja skandalös. Leider beruhen sie nicht auf einem Versehen, sondern auf einem irregeleiteten Konzept von Außenpolitik, das mit Baerbock ins Amt eingezogen ist.

Außenpolitik erfordert Geduld, Diplomatie, langen Atem, Kontinuität. Für die Außenministerin dagegen ist sie vor allem ein Schaulaufen, die perfekte Bühne, um eine gute Figur abzugeben. Während Habeck den Kotau macht, um an ein bisschen Gas zu kommen, will Baerbock den Despoten ihre Meinung geigen. Damit kommt sie in Deutschland zwar besser an als Habeck. Eine zielführende Außenpolitik ist das trotzdem nicht. Auch der Radetzky-Marsch der Weltverbesserung, der im Außenministerium neuerdings gespielt wird, braucht die leisen Töne. Der außenpolitische Populismus mit dem Rotstift läuft dagegen auf Dialogverweigerung hinaus. Damit wird Deutschland weder den Kampf um die Ukraine erfolgreich bestehen, noch überhaupt mitbekommen, was sich in der Welt so alles zusammenbraut. Es könnte ziemlich unpopulär sein. (Stefan Weidner, 14.9.2022)