Im Zuge des "Merge" hat der Ethereum-Kurs um 16 Prozent nachgegeben.

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In den vergangenen Jahren kamen große Digitalwährungen immer wieder ob ihres Stromverbrauchs in die Kritik. Das von vielen genutzte Proof-of-Work-Verfahren setzt auf die Absicherung von Transaktionen über tendenziell immer schwerer werdende kryptografische Berechnungen. Für deren Durchführung belohnen die Netzwerke ihre User aber mit der Ausschüttung von Coins bzw. Tokens. Dieser Prozess hat den landläufigen Namen "Kryptomining" erhalten.

Bei Ethereum, einer der wichtigsten Blockchains der Welt, ist nun Schluss damit. In einem zweistufigen Prozess namens "The Merge", der vor kurzem abgeschlossen wurde, änderte man das Verfahren. Statt Proof-of-Work kommt nun Proof-of-Stake zum Einsatz. Basierend auf gehaltenem Vermögen, Teilnahmedauer und anderen Faktoren entscheidet das Netzwerk per gewichtetem Zufallsverfahren, wer den nächsten Block der Chain erzeugt und dafür entlohnt wird.

Energieverbrauch soll drastisch sinken

Das soll mehrere Probleme lösen. So wird etwa verunmöglicht, dass sich ein einzelner Teilnehmer durch den Erwerb hoher Kapazitäten an Rechenleistung defacto die Kontrolle über das Netzwerk sichert. Und durch den Entfall von Mining auf Prozessoren oder Grafikchips ist der Energiebedarf erheblich niedriger. Im Falle von Ethereum erhofft man sich vom "Merge" eine Reduktion um über 99 Prozent.

Diesbezüglich dürfte man auf einem guten Weg sein. Kurz vor der Umstellung blieb die Hashrate des Ethereumnetzwerks noch ungewöhnlich hoch, was den Rückschluss erlaubt, dass viele Miner nicht vorzeitig auf eine andere Blockchain umsteigen wollten und bis zu den letzten Proof-of-Work-Blöcken dabei blieben.

Das änderte sich dann schlagartig. Laut Ben Gagnon, Leiter der Mining-Operationen bei Bitfarms, hat der "Merge" dem Minen mit herkömmlichen Grafikkarten den Todesstoß versetzt. War das Minen von Ethereum davor zumindest gemessen an billigeren US-Strompreisen profitabel, ist es seitdem ein Verlustgeschäft. Wer eine Nvidia RTX 3090 nutzt, um bei einem Kilowattstunden-Preis von 6-US-Dollarcent zu minen, steigt nun klar mit Verlust aus. "Weniger als 24 Stunden nach dem ‘Merge’ ist GPU-Mining tot", resümiert Gagnon.

Bei Ethereum Classic, deren Hardfork Ethereum ist, dessen Blockchain weiterhin mit Proof-of-Work operiert, liegt man hier nun bei einem täglichen Verlust von 7 Cent. Bei Monero wären es gar 37 Cent Minus. Beim vergleichsweise wenig bedeutenden Ravencoin gehen sich noch 2 Cent Gewinn aus. Generell ist GPU-Mining nun nur noch bei Coins profitabel, die kein relevantes Marktvolumen haben oder in deren Netzwerk es an Liquidität mangelt.

Bitcoin-Community bislang nicht an Umstellung interessiert

Auch eine Umstellung für die Bitcoin-Blockchain, für deren Mining längst keine einzelnen, handelsüblichen Grafikkarten, sondern spezialisierte Systeme eingesetzt werden, war in der Vergangenheit immer wieder Thema. Allerdings scheint es weder unter den Entwicklern, noch unter den Teilnehmern des Netzwerks großes Interesse an einem solchen Schritt zu geben. Ob sich das nun ändern wird, bleibt abzuwarten.

Wie Blockchain-Experten Robert Schwertner gegenüber dem STANDARD sagt, ist der Bitcoin jetzt im Prinzip das alleinige "Enfant Terrible" in Sachen Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck. Eine energieeffizientere Gestaltung, die seiner Ansicht nach notwendig sei, scheitere weniger an der Technik, sondern mehr an den Teilnehmern. Der Energieverbrauch sichere die Stabilität der Blockchain ab, was für Investoren wichtig sei. Gleichzeitig ist das Proof-of-Work-Verfahren der weltweit mit Abstand größten Blockchain die Geschäftsgrundlage für viele Miner. Im Moment fehle also der Wille, doch die Umstellung bei Ethereum dürfte nun Druck in diese Richtung erzeugen, da man sich dort nun für Unternehmen interessanter gemacht hat.

Technisch sei der "Merge" bei Ethereum erfolgreich verlaufen, berichtet Schwertner. Die Blockchain läuft weiter stabil, es bleibe aber abzuwarten, ob das auch für die zahlreichen Anwendungen gilt, die auf ihr laufen.

Screenshot: Coinmarketcap

Deutlicher Kurseinbruch bei Ethereum

Der Kurs von Ethereum hat hingegen während des Wechsels gelitten. Nach beiden Schritten des zweistufigen Prozesses sackte dieser ab – von ursprünglich rund 1.700 Euro auf aktuell (Stand: 17. September, 12 Uhr, Coinmarketcap) 1.430 Euro, was ein Minus von knapp 16 Prozent bedeutet. Anzumerken ist aber, dass im gleichen Zeitraum der Bitcoin-Kurs um etwa 11 Prozent nachgegeben hat. Dementsprechend ist schwer abschätzbar, ob der "Merge" einen nachhaltigen Vertrauensverlust verursacht.

Sowohl für Ethereum und andere Proof-of-Stake-Blockchains, als auch für Proof-of-Work-Systeme könnten in Zukunft regulatorische Herausforderungen lauern, berichtet Golem. Zumindest in den USA, wo seitens der Börsenaufsicht SEC angedeutet wurde, dass Ethereum aufgrund des Staking-Mechanismus nun der Wertpapierregelung unterliegen könnte. Das betrifft Bitcoin und Co zwar nicht, allerdings wird in der US-Regierung über Einschränkungen oder gar ein Verbot für Proof-of-Work nachgedacht. (gpi, 17.9.22)

Update, 19.9.: Ethereum ist ein Form von Ethereum Classic. Dies wurde im Text berichtigt.