Sein Image als Skandalpolitiker hat Georg Dornauer als umtriebiger Bürgermeister ziemlich erfolgreich abstreifen können. Nun will er auf Landesebene mitregieren.

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STANDARD: Die SPÖ war in Tirol die vergangenen neun Jahre in Opposition. Treten Sie nun an, um die Partei wieder in Regierungsverantwortung zu führen?

Dornauer: Wir arbeiten daran, dem Ur-Auftrag einer staatstragenden Partei gerecht zu werden. In Tirol haben wir bis 2013 gerade im Sozialbereich und hinsichtlich Modernisierung viel Positives für das Land und die Menschen verändert. Der Anspruch an uns als stärkste Oppositionspartei muss jetzt sein, bis zum 25. September bei den Menschen Vertrauen zu gewinnen und von ihnen den Auftrag, das buchstäbliche Mandat zu erhalten, dieses Land weiterzubringen und maßgeblich zu gestalten.

STANDARD: Den Umfragen zufolge wird es zu deutlichen Verschiebungen der Mehrheitsverhältnisse kommen. Es werden bereits verschiedene Koalitionsvarianten gehandelt. Was wäre für Sie denkbar?

Dornauer: Ich würde mir wünschen, dass eine stabile Zweierkoalition eine Mehrheit findet. Eine Dreiervariante würde zu verwässerte Kompromisse bedeuten, die den Herausforderungen in Sachen Teuerung, Wohnen, Pflege und Verkehr, vor denen wir stehen, nicht gerecht werden. Zudem möchte ich noch anmerken, dass es dem Land nicht schaden würde, nach dem Vorbild Burgenland oder Kärnten zu zeigen, dass auch die SPÖ regieren kann.

STANDARD: Heißt das, Sie wären für eine rot-blaue Zweierkoalition offen?

Dornauer: Grundsätzlich gilt, bis zum 25. September daran zu arbeiten, einen Regierungsauftrag zu erhalten. Eine Koalition mit der FPÖ lehne ich aus mehreren Gründen ab: Die FPÖ hat in dieser Wahlauseinandersetzung noch keinen einzigen landespolitischen Inhalt geliefert und ist bislang lediglich durch fragwürdige Kandidatinnen und Kandidaten und rechtsrechte Sager aufgefallen. In der Corona-Pandemie hat sie sich auch unter Abwerzger auf den Kickl-Kurs eingeschworen und die Spaltung unserer Gesellschaft vorangetrieben. Unser Weg ist das Gemeinsame, wir wollen die großen Herausforderungen der Zukunft gemeinschaftlich bewältigen. Das passt nicht zusammen.

STANDARD: Wer in Tirol an der Seite der übermächtigen ÖVP mitregiert hat, riskierte, aufgerieben zu werden. Das war 2013 so, als die SPÖ nach zehn Jahren Koalition von 26 auf 14 Prozent gefallen ist. Den Grünen geht es heute nach neun Jahren mit der ÖVP auch nicht gut. Würden Sie es dennoch wieder riskieren?

Dornauer: Das ist immer eine Frage des Wählerauftrages und ob man eine Koalition auf Augenhöhe zustande bringt. Ich gehe von einer Normalisierung der ÖVP bei dieser Wahl aus. Platter hat 2018 mit einem zugegeben gelungenen Wahlkampf, aber vor allem einem am Peak stehenden Bundeskanzler Sebastian Kurz im Rücken sowie einer noch nicht in Verruf geratenen türkis-blauen Koalition im Bund – Ibiza passierte erst nach der Landtagswahl – ein Höchstmaß an Wählerstimmen für die Tiroler ÖVP rekrutiert. Diese Wähler wurden massiv enttäuscht, das geht aus jeder Umfrage hervor, und für diese Menschen sind wir ein Hafen und ein politisches Angebot.

STANDARD: Ist die ÖVP angesichts der von Ihnen skizzierten Veränderungen sowie der internen Probleme, vom plötzlichen Rückzug Günther Platters bis zu Grabenkämpfen zwischen den Lagern und Bünden, überhaupt noch ein stabiler Partner?

Dornauer: Ich weiß jedenfalls noch nicht, wen ich bei der ÖVP am 26. September für Gespräche kontaktieren kann. Je nach Höhe der Verluste dürfte das nicht mehr der jetzige Spitzenkandidat Anton Mattle sein. Denn dann wird es in der ÖVP die berühmte Nacht der langen Messer geben, und wer sich dabei durchsetzt, das werde ich nicht kommentieren. Die SPÖ wird jedenfalls nicht den Steigbügelhalter für eine zerrüttete ÖVP spielen, nur damit diese sich an der Macht halten kann. So viel zur Ansage, ich hätte schon Türschilder drucken lassen.

STANDARD: In Ihrem Wahlkampf spielt Ihre Erfahrung als Bürgermeister eine maßgebliche Rolle, die nehmen viele Anleihen an dieser Rolle. Ist die Gemeindepolitik mit der auf Landesebene vergleichbar?

Dornauer: Ja, wenn man auf kommunaler Ebene reüssiert, bringt man auch für höhere Ebenen eine Erfahrung und Praxisnähe mit, von der viele Landes- und Bundespolitiker oft nur träumen können. Es gibt jetzt viele Umfragen, wir als SPÖ und ich selbst haben am 27. Februar im Zuge der Tiroler Gemeinderatswahl eine Umfrage gehabt. Wir haben im ganzen Land dazugewonnen und sind nochmals deutlich gestärkt worden, ich habe eine Zweidrittelmehrheit in meiner Gemeinde Sellrain holen können. Wir können auch im Land nur die Politik machen, die in den Gemeinden draußen umgesetzt wird. Ob es der öffentliche Verkehr, die Widmungspolitik, die Kinderbetreuung oder die Pflege ist. Wenn ich weiß, wie die Gemeinden ticken und welche Probleme sie haben, dann kann ich als verantwortungsvoller Landeshauptmann den politischen Rahmen schaffen, sie zu lösen.

STANDARD: Wenn Sie nach der Wahl ein Regierungsamt im Land bekleiden sollten, müssten Sie zugleich Ihren Bürgermeisterposten räumen. 2024 stehen Wahlen auf Bundesebene an. Würden Sie im Fall des Erfolges auch ein Amt auf Bundesebene anstreben?

Dornauer: Ich darf dazu den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zitieren, der als Hamburger Bürgermeister auch oft gefragt wurde, ob es ihn nach Berlin zieht: "Der Gedanke daran macht mich traurig." Da, wo ich Politik machen soll, werde ich es auch tun. Aber ich möchte nun, so wie ich es in der Gemeinde vorzeigen durfte, im Land vorzeigen, dass Tirol mehr kann und wir die Probleme gemeinschaftlich besser lösen können.

STANDARD: Hilft die Erfahrung als Bürgermeister auch dabei, das Transitproblem zu lösen? Hier stehen mit der Sanierung der Lueg-Brücke große Verkehrsprobleme am Brenner bevor.

Dornauer: Ja, und ich würde in der Sache sowohl mit der Landes- wie auch der Bundesregierung hart ins Gericht gehen. Der notwendige Sanierungsbedarf der Lueg-Brücke wurde zum Symbol für die gescheiterte Verkehrspolitik. Ich weiß, welchen Aufwand es bedeutet, einen einfachen straßenrechtlichen Bescheid für eine Gemeindestraße zu bekommen. Dort oben am Brenner eine Pattsituation zwischen Gemeinden und Asfinag zu provozieren war und ist unverantwortlich. Wenn die transitgeplagten Gemeinden nun drohen, bis zur höchsten Instanz zu gehen, wird das eine Never-Ending Story. Die Tunnellösung wäre unsere von Beginn an präferierte Variante gewesen. Es fehlt aber vor allem eine Gesamtstrategie für die gesamte Brennerautobahn, denn die Lueg-Brücke ist ja nicht das einzige Bauwerk, das saniert werden muss. Hier sollte das Land zusammen mit Asfinag und Verkehrsministerium eine Sanierungsstrategie und Optimierung der gesamten Trasse erarbeiten. Es würde Tirol in der Transitfrage guttun, neue Politiker an den Verhandlungstisch zu setzen, denn mit den bisherigen ist das gescheitert. Die SPÖ in Tirol stellt mit Theresa Muigg ab Oktober wieder eine EU-Parlamentarierin, und wir werden eine Lösung der Verkehrsfrage auf allen politischen Ebenen vorantreiben. Ich traue mir das jedenfalls zu.

STANDARD: Als Bürgermeister kennen Sie die Probleme rund um unleistbaren Wohnraum und überteuerte Grundstücke in Tirol. Welche Lösungen haben Sie dafür?

Dornauer: Man muss einerseits aufpassen, nicht alle Flächen zu versiegeln, aber andererseits wird es eine gewisse Grundstücksfläche brauchen, die bereits gewidmet ist. Diese Flächen dürfen nicht mehr als Spekulationsobjekte dienen. Wir müssen alles daransetzen, die Eigentümer dahingehend bewegen, dass sie diese Grundstücke zu einem leistbaren Tarif zur Verfügung stellen.

STANDARD: Wie wollen Sie die Eigentümer dazu bewegen?

Dornauer: Man wird es mobilisieren müssen. Etwa durch massive Besteuerung von bereits gewidmetem Bauland. Zudem braucht es eine rigorose Vorgangsweise bei Neuwidmungen mit der verpflichtenden Anwendung der Vertragsraumordnung. Wir haben zudem in der Landeshauptstadt Innsbruck den Wohnungsnotstand ausrufen müssen, auf Grundlage eines von uns ausgehobenen Instruments: des Bodenbeschaffungsgesetzes aus dem Jahr 1973. Wenn wir all das ernsthaft weiterverfolgen, werden wir den Dampfer Wohnen nicht 2023, aber vielleicht bis in zehn Jahren wieder auf leistbaren Kurs bringen. (Steffen Arora, 20.9.2022)