Eine der Benin-Bronzen im Berliner Humboldt-Forum. Teils bleiben sie als Leihgaben in Berlin, teils werden sie zurückgegeben.

Eine der Benin-Bronzen im Berliner Humboldt-Forum. Teils bleiben sie als Leihgaben in Berlin, teils werden sie zurückgegeben.

Foto: APA/AFP/JENS SCHLUETER

Vergangenen Sonntag um ein Uhr früh lud der Generalintendant des Humboldt-Forums, Hartmut Dorgerloh, höchstpersönlich zu einer "Nachteulenführung". Anlass war die Eröffnung der letzten noch ausstehenden Teile des großen Kulturforums im neu errichteten ehemaligen Stadtschloss in der Mitte von Berlin.

Unter dem Motto "Alles offen" wurden die Sammlungen des Ethnologischen Museums und die des Museums für asiatische Kunst in neuen Präsentationen zugänglich, sodass die ganze Angelegenheit, die 2002 mit einem Beschluss des Bundestags auf den Weg gebracht worden war, offiziell als vollzogen gilt: Berlin hat, wie es eine konservative Lobbygruppe wollte, wieder ein Schloss im Zentrum, das nun allerdings demokratisch genutzt werden soll. Dafür wurde damals der Begriff Museum der Weltkulturen geprägt, von dem sich 2002 noch niemand genau vorstellen konnte, wie kompliziert sich jegliche Umsetzung dieser Idee heutzutage gestaltet.

Kulturen in Museen

Das Bewusstsein für koloniale Zusammenhänge ist seither gewachsen. Das Humboldt-Forum wurde in einer Phase erdacht, in der die Bundesrepublik in diesen Fragen naiv war. Es trifft nun auf eine Öffentlichkeit, die kritisch auf die Repräsentation außereuropäischer Kulturen in Museen blickt. Und auf die politischen Lösungen, die in verschiedensten Zusammenhängen für die Raub- und Beutekunst gefunden werden, die einen großen Teil der fraglichen Sammlungen ausmachen.

Bei den prominentesten Exponaten im Humboldt-Forum ist schon eine Lösung gefunden worden. Für die Benin-Bronzen, die aus Plünderungen britischer Truppen im heutigen Nigeria 1897 stammen, soll bis Jahresende ein Vertrag ausgearbeitet werden, der eine vollständige Eigentumsübertragung an den afrikanischen Staat vorsieht, in dessen Territorium das ehemalige Königreich Benin aufgegangen ist.

Die Benin-Bronzen sollen tatsächlich zurückgebracht werden, zum Teil als Leihgaben in Berlin bleiben. In jedem Fall hat sich die Präsentation geändert: Die einst auratischen Objekte sind nun eher Aufhänger für kontextualisierendes Material. Zur Eröffnung am vergangenen Freitag präsentierte sich das Humboldt-Forum beflissen als eine lernende Institution – dass man den Festakt mit außereuropäischen folkloristischen Beiträgen bunt zu machen versuchte, sah aber deutlich nach traditionellen Mustern aus.

Der aktuelle Stand bei den Benin-Bronzen wird von der deutschen Politik als Erfolg betrachtet, auch wenn es kritische Stimmen aus afrikanischen (Exil-)Kontexten gibt, dass mit einer Rückgabe alte binnenkoloniale Kontexte verwischt werden. Es wirkt dabei wie ein ungewollter Kommentar zu den Benin-Bronzen, dass an einem anderen Ort der neu eröffneten Präsentationen Throninsignien und Königsstatuen aus Kamerun mit dem Hinweis versehen werden, dass sie in dem Moment, in dem sie nach Europa verbracht wurden, ihre spirituelle Funktion einbüßten – und Kopien von deren Macht übernahmen.

Europäische Expansion

Das ist ein spannender Aspekt innerhalb der auch in den aktuellen Ausstellungen noch vorherrschenden Anmutung, man hätte es überall mit Originalzeugnissen anderer Kulturen zu tun – und mit einem objektiven Blick auf diese. Das ist zwar materiell in der Regel der Fall, sei es bei Teppichen aus Zentralasien oder Teetassen aus Japan, umso größer ist dann aber immer noch der blinde Fleck, der in der generellen Logik eines Kulturforums dieser Art liegt.

Denn es bleibt strukturell ein Ausdruck der europäischen Expansion und ist bis in die kleinste Vitrine von Machtbeziehungen durchdrungen. Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth gab in ihrer Rede einen fast schon zu offenherzigen Eindruck, als sie von einer Begegnung mit einer Kollegin aus Indonesien erzählte und von dem garstigen Graben, der sich zwischen deren Wahrnehmung und der eigenen auftat. Das Humboldt-Forum versucht nun, mit kleinen Wechselausstellungen (aktuell zu Tansania) den Dialog mit der "anderen Seite" anzustoßen, und es gibt kluge Inszenierungen in der Darbietung der Schätze. Zum Beispiel wird zu Beginn gezeigt, dass die Exponate aus bummvollen Archiven kommen, so groß war die "Sammelleidenschaft" des kolonialen Zeitalters.

Wie weit das Publikum auf die Debatten einsteigt, wird sich zeigen. Zur Nachteulenführung kamen mehr, als erwartet. (Bert Rebhandl, 22.9.2022)