Mutlose Medienpolitik: Gerhard Zeiler, President International von Warner Bros. Discovery, am Mittwoch bei den Medientagen in Wien.

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Wien – An einer Haushaltsabgabe für den ORF "führt kein Weg vorbei": Das prognostiziert Österreichs international wichtigster Medienmanager Gerhard Zeiler bei den Österreichischen Medientagen. Nachsatz des President International von Warner Bros. Discovery und früheren ORF-Generaldirektors zur "selbstverständlichen" Haushaltsabgabe: "Sie wird nur anders genannt werden" – wohl weil ein Reizwort für viele Menschen.

Österreich muss die bisherige Rundfunkgebühr GIS bis Ende 2024 neu regeln: Der Verfassungsgerichtshof hat Ende Juni entschieden, dass gebührenfreies Streamen wie bisher verfassungswidrig ist. Für alle wesentlichen Nutzungsmöglichkeiten von ORF-Inhalten müsse Programmentgelt bezahlt werden.

"Medienpolitik traut sich nicht zu entscheiden"

Zeiler lieferte bei der Eröffnung der österreichischen Medientage auch gleich fünf Empfehlungen für die österreichische Medienpolitik, die seit vielen Monaten über ein neues ORF-Gesetz mit privaten Medienhäusern und ORF verhandelt.

"Lösung in ein, zwei Stunden"

Der frühere ORF-General (1994 bis 1998) und langjährige CEO des europäischen Privatfernsehriesen RTL Group glaubt "schon", dass die österreichische Medienpolitik "etwas tun will. Aber sie steckt in dem Konflikt zwischen ORF-Interessen und Privatmedieninteressen – und traut sich nicht zu entscheiden." Dabei brauche es "nicht mehr als ein bis zwei Stunden", um die beiden Seiten an einen Tisch zu holen und ihnen zu präsentieren, was man vorhat. "Das ist die Aufgabe der Politik, das ist ihr Job."

Zeilers Tipps für die Medienpolitik

Zeilers fünf Lösungsansätze:

  • Inseratenbudgets öffentlicher Stellen in Medienförderungen umzulenken;
  • dem ORF Streaming zu erlauben;
  • ORF und Privatmedien zu sagen: "Ihr arbeitet in Zukunft zusammen, wo immer es geht";
  • soziale Medien auch in Österreich zu regulieren;
  • "Wer immer Hassbotschaften verbreitet, muss es – jeder Einzelne – finanziell spüren."

"Dann wäre die Welt um einen Millimeter besser", schloss Zeiler.

"Fürs Happy End geht man nicht in die Oper"

"Wenn sie bis dahin nicht untergegangen ist", ergänzte Staatsoperndirektor Bogdan Roščić, der die Medientage in einem Kamingespräch mit Zeiler, moderiert von Alexandra Föderl-Schmid ("Süddeutsche Zeitung"), eröffnete.

Und als Zeiler Roščićs Pessimismus moniert, hält der dagegen: "Fürs Happy End kann man nicht in die Oper gehen."

Zeiler: "Aber fernsehen!"

"Blaue Seite aufzulassen ergibt keinen Sinn"

Eine Einstellung von ORF.at, wie sie etwa die Neos vorgeschlagen haben, davon rät Roščić, in den 1990ern Ö3-Chef, ab: "Es kann kaum eine Zukunftsstrategie für die Verbesserung des österreichischen Medienmarkts sein, dass man das beliebteste digitale Medium verbietet."

Auch Warner-Discovery-President Zeiler hält nichts davon: "Die blaue Seite aufzulassen ergibt keinen Sinn." Es wäre aber sinnvoll "zu schauen, wie man die Zeitungen hier einbinden kann, wie man finanziell, werbemäßig zusammenarbeiten kann. Das habe ich schon vor fünf, sechs Jahren dem damaligen ORF-Generaldirektor vorgeschlagen."

Der damalige ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, im Amt bis Ende 2021, hat dieser Tage in einem STANDARD-Gastkommentar vorgeschlagen, private Medien an ORF.at zu beteiligen.

  • Reaktion: Styria-Vorstandschef Markus Mair, zugleich Präsident des Zeitungsverbands VÖZ, hält von einer solchen Beteiligung wenig: "Das Letzte, was Österreich braucht, was die Demokratie braucht, ist journalistischer Einheitsbrei auf einer großen Nachrichtenseite. Es ist löblich, eine Idee eingebracht zu haben, ich halte davon weniger. Im Backoffice, wo wir über Technologien und Strukturen im Hintergrund reden, gibt es mannigfaltige Kooperationsmöglichkeiten."

"Auf andere Medien zugehen"

Zeiler hat aber auch Rat für den ORF insgesamt in der medienpolitischen Debatte: "Wenn du schon so stark bist, ein Riese in Österreich, so viel stärker als alle anderen, dann tut es auch gut, dich ein bisschen vorsichtig zu bewegen." Wegen seiner ökonomischen Dominanz müsse der ORF "auf die anderen zugehen, die auch Teil dieser Medienlandschaft sind." (fid, 21.9.2022)