Gegen Ex-Präsident Donald Trump und seine drei Kinder (im Bild: Donald Jr. und Ivanka) wurde in New York Anklage erhoben.

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Joe Biden beendete gerade seine Rede zur dramatischen Weltlage vor den Vereinten Nationen, als Letitia James ein paar Kilometer weiter südlich in Manhattan eine innenpolitische Bombe platzen ließ: Nach dreijähriger Untersuchung hat die bekennende Anhängerin der Demokraten Anklage gegen Bidens Vorgänger, Ex-Präsident Donald Trump, und seine drei Kinder Donald Jr., Eric und Ivanka erhoben.

Wenn man die Ausbrüche des Narzissten als Maßstab nimmt, scheint die Sache durchaus ernst zu sein: Seit Stunden wütet Trump auf seiner Propagandaplattform Truth Social gegen die "Hexenjagd" einer angeblich "rassistischen" (da afroamerikanischen) Juristin. "Sie ist dafür verantwortlich, dass die Stadt zur Kriminalitäts- und Mörderhochburg der Welt verkommt", wettert der Milliardär – eine unfreiwillig komische Bemerkung des Mannes, der nach Meinung vieler Bürger schon lange hinter Schloss und Riegel gehört.

Zahlreiche Verfahren

Doch so weit ist es noch nicht und wird es mutmaßlich so schnell auch nicht kommen. Bei aller emotionalen Genugtuung darüber, dass Trump nun endlich der Prozess gemacht werden könnte, gilt es mit kühlem Kopf genau hinzuschauen. Angesichts von Trumps geradezu frivoler Verachtung für das Gesetz ist ihm vielerorts die Justiz auf der Spur: In Florida fand das FBI auf seinem Privatanwesen hochgeheime Akten, die er offenbar aus dem Weißen Haus mitgehen ließ. In Georgia untersucht die Staatsanwaltschaft Trumps Versuch, die dortigen Verantwortlichen zur Manipulation des Wahlergebnisses zu nötigen. Der Untersuchungsausschuss des Kongresses sammelte erdrückende Belege für eine Beteiligung des Rechtspopulisten am Kapitolsputsch.

Mit alldem hat das zivilrechtliche Verfahren in New York nichts zu tun. Hier geht es vielmehr "nur" um das frühere Geschäftsgebaren des Immobilienmoguls. In mehr als 200 Fällen soll er den Wert seiner Häuser, Hotels oder Golfplätze teilweise drastisch aufgebläht und damit Behörden, Versicherungen und Banken getäuscht haben. "Zu behaupten, man habe Geld, das man nicht besitzt, ist nicht die Kunst des Deals, es ist die Kunst des Diebstahls", lästerte James in Anspielung an den Titel des Trump-Buchs "The Art of the Deal".

Wer Trump jemals länger als fünf Minuten erlebt hat, der dürfte an den Vorwürfen keine Sekunde zweifeln. Selbstlob, Übertreibungen und Lügen sind die hervorstechendsten Charaktereigenschaften des notorischen Großmauls. Dass er seine Geschäftspartner mit Fantasiezahlen mutmaßlich über den Tisch gezogen hat, dürfte er insgeheim gar als Beleg für seine Genialität werten.

Haftungsausschlüsse hineinverhandelt

Die Justiz sieht das glücklicherweise anders. Trotzdem ist keineswegs klar, dass James den Betrug nachweisen kann. In der Immobilienbranche sind Wertermittlungen nämlich notorisch subjektiv. Außerdem haben Trumps Anwälte vorsorglich bei allen Geschäften Haftungsausschlüsse hineinverhandelt. Zudem verdienten die Banken an den überhöhten werten durch Zinsen und Gebühren mit. Doch hat die Staatsanwältin nicht die Kompetenz zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Sie ist alleine für das zivilrechtliche Verfahren zuständig.

Ins Gefängnis bringen werden die krummen Geschäfte den Ex-Präsidenten so schnell also nicht. Die Staatsanwältin fordert vielmehr, dass Trump und seine Kinder nie wieder Posten in Unternehmen bekleiden dürfen, die in New York zugelassen sind. Für fünf Jahre sollen dem 76-Jährigen zudem der Erwerb von Immobilien und die Aufnahme von Krediten in der Millionenmetropole verboten werden.

Das würde Trump nicht hinter Gitter bringen. Aber persönlich demütigen würde es den Emporkömmling sicher. Für einen Narzissten wäre das möglicherweise die schlimmere Strafe – wenn es denn so weit kommt. (Karl Doemens, 22.9.2022)