2015 ist er, aus Syrien geflohen, in Salzburg angekommen. 2021 erhielt er die Staatsbürgerschaft: Jad Turjman.

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Mein Sohn! Haben die Vögel des Himmels dein Gehirn davongetragen?", fragt ihn die Mutter, als er ihr am Telefon erzählt, dass er neuerdings gerne Wandern geht. Neuerdings heißt: seit er in Österreich lebt. Der Verwandtschaft in Syrien liegt nichts ferner. Wandern? Zu heiß und anstrengend! "Außerdem", fällt dem Sohn noch ein, "gibt es auf Bergspitzen in Syrien keine Gipfelkreuze, sondern Militärbasen, und man läuft Gefahr, erschossen zu werden."

Bergsteigen war eine Leidenschaft, die Jad Turjman, 2015 vor dem Bürgerkrieg aus Damaskus geflüchtet, seiner neuen Heimat verdankte. "Mit offenem Mund und großen Augen blickte ich ungläubig durch das Fenster hinaus", erinnert er sich an die Busfahrt in die Asylunterkunft im Salzburger Berndorf. Die Landschaft mit ihren Grüntönen, Bergen, Seen faszinierte ihn.

Pointierter Beobachter

Im Juli dieses Jahres ist Jad Turjman mit 32 Jahren beim Bergsteigen tödlich verunglückt. Posthum ist nun sein Buch Wenn der Jasmin Wurzeln schlägt erschienen. Darin erzählt er von der Ankunft in Österreich. Bekannt gemacht hatte den Autor 2019 Wenn der Jasmin auswandert über seine Flucht. Daran knüpft er sympathisch, klug und lustig an.

Turjman ist ein pointierter Beobachter. Wenn der Jasmin Wurzeln schlägt ist kein Roman (anders als Der Geruch der Seele von 2021), sondern ein Erlebnisbericht, eine Reflexion über Rassismus, wie Zusammenleben funktioniert, warum ihm das Wort Integration nicht gefällt. Das dominiert ab der Hälfte die 250 Seiten zu wohlmeinend und appellativ. An den vielen hervorragenden Stellen durchdringt Turjman aber seine neue Heimat mit dem Blick des Außenstehenden und gleicht Abbas Khider und Wladimir Kaminer in der bundesdeutschen Literatur.

Funken der Verständigung

Vom weichen Dialekt ist er etwa verwundert, weil alles Deutsch, das er kannte, aus US-Filmen über die Weltkriege stammt, die in ihm den Eindruck weckten, "dass alle Deutschen und Österreicher Nazis sind". Gleich schlägt Turjman aus der Pointe auch Funken der Verständigung: Dieses Bild sei "genauso einseitig, wie auch der Islam in amerikanischen Filmen dargestellt wird."

Turjman war Kabarettist, hat Vorträge in Schulen gehalten. Er erzählt demgemäß gekonnt von der freundlichen Aufnahme in dem einen und einer eher reservierten Bevölkerung im anderen Ort. Familienbande, ein Schuhkauf sind Anlässe für kleine Geschichten, spannende Kontraste. Er betont, wie wichtig es ist, eine Aufgabe zu haben, und wie schwer es sein kann, Buspläne mit Deutschkursen zu koordinieren. Unzählige Sätze möchte man sich und Politkern ins Stammbuch schreiben. (Michael Wurmitzer, 23.9.2022)