Es ist zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer. Seit sich die Länder mit den noch größten Tigerpopulationen vor zwölf Jahren auf den Schutz der Großkatzen verständigten, konnten zumindest einige Erfolge erzielt werden. Aus den damals etwa 3.200 freilebenden Tigern sind Schätzungen zufolge mittlerweile 4.500 geworden. In Nepal habe sich die Tigerzahl nach neusten Zählungen gar knapp verdreifacht, hieß es kürzlich aus Kathmandu. Auch aus Indien und aus Russland gibt es positive Nachrichten.

Die Zahl der Tiger steigt wieder, aber leider nicht überall.
Foto: NARONG SANGNAK/EPA

Laut der Umweltschutzorganisation WWF ist die Entwicklung allerdings ein zweischneidiges Schwert. Denn der Lebensraum der Tiger sei in den vergangenen hundert Jahren um 95 Prozent geschrumpft. Die Schutzgebiete seien zersplittert, was das Wachstum von Populationen behindere. In einigen Ländern gehe die Tigeranzahl auch weiterhin zurück, wie in Malaysia und vermutlich auch in Indonesien. In Kambodscha, Laos und Vietnam sei der Tiger inzwischen gar ausgestorben.

Potenzielle Schutzgebiete für den Tiger

Die Organisation legte daher eine Analyse zu potenziellen neuen Tigerlebensräumen vor. Demnach kämen 1,7 Millionen Quadratkilometer in 15 Ländern infrage, wo es derzeit oder einst Tiger gab. Dies käme etwa einer Verdoppelung der jetzigen Tigergebiete gleich. Damit das funktioniere, müssten potenzielle Konflikte mit Menschen von Anfang an mitbedacht werden und die lokale Bevölkerung mit ins Boot geholt werden. Tiger könnten so auch in Ländern wieder angesiedelt werden, in denen sie ausgestorben sind. Infrage kämen etwa Kambodscha, Kasachstan, Laos, Pakistan und Vietnam.

Indien als Positivbeispiel

Indien hingegen feiert seine rund 3.000 Tiger besonders gern – und das, obwohl das bevölkerungsreiche Land eine sehr geringe Pro-Kopf-Waldfläche hat und Millionen Menschen in Armut leben. Das Land liebe die Tiger, was man den Zahlen ansehe, sagte kürzlich Umweltminister Bhupender Yadav. Auch habe die Regierung über die Jahre sein Budget für die Tiere erhöht, betonte er. In dem mehrheitlich hinduistischen Land haben Tiger auch eine religiöse Bedeutung, und der Regierung ist zudem die Wichtigkeit der Tiger für den Wildtiertourismus bewusst.

Indien ist ein Positivbeispiel für die Entwicklung der Tigerpopulation.
Foto: APA/AFP/STR

Die Tigerjagd wurde in den 1970ern verboten, Beutetiere werden wegen einer großen vegetarischen Tradition im Land weniger gejagt. Auch setze die Regierung auf Maßnahmen, um Konflikte zu entschärfen, betonte eine WWF-Vertreterin. Menschen, die Angehörige oder Nutztiere an Tiger verlieren, würden entschädigt.

Auch Russland vermeldet Erfolge

In Russland leben rund 750 Amurtiger. In der Amur-Region habe die Regierung seit 2011 mehr als 1,9 Millionen Hektar neue Schutzgebiete als Lebensraum des Tigers ausgewiesen oder bestehende Schutzgebiete vergrößert, hieß es vom WWF. Zudem ist die Zahl der von Wilderern getöteten Großkatzen laut dem Amurtiger-Zentrum im äußersten Osten des Riesenreichs in den vergangenen zehn Jahren massiv gesunken. Im Moment liege die Zahl der illegalen Tötungen bei 15 bis 20 Tieren pro Jahr, vor zehn Jahren seien es noch 50 bis 70 gewesen.

In der Primorje-Region bei Wladiwostok an der Grenze zu China soll bis Jahresende ein neues Zentrum entstehen, "um Wildtieren in Not zu helfen", vor allem dem Armurtiger. Auch in den Schulen der Region wird im Unterricht diskutiert, wie man die Tiere schützen kann.

Wilderei bleibt großes Problem

In den meisten Ländern Südostasiens sei es vor allem die massive Wilderei mit Schlingfallen, die der Großkatze und ihren Beutetieren zusetze, heißt es vom WWF. Außerdem fehlten häufig landesweite Zählungen, Monitorings und Hilfen bei Mensch-Tiger-Konflikten. Aber der WWF sieht auch dort Lichtblicke. So plane Indonesien etwa, die erste inselweite Zählung auf Sumatra bis Ende 2022 abschließen zu können.

Anders als die meisten Hauskatzen scheuen Tiger das Wasser nicht – im Gegenteil.
Foto: NARONG SANGNAK/EPA

In Indonesien lebt der Sumatratiger, die kleinste lebende Unterart der Raubkatzen. Schätzungen von Tierschutzorganisationen zufolge gibt es heute nur noch zwischen 400 und 600 Exemplare des Panthera tigris sumatrae. Ob die Zahl zu- oder abnimmt, ist derzeit unklar, jedoch werden die nur auf der Insel Sumatra lebenden Tiere ebenfalls als vom Aussterben bedroht eingestuft. Um den Fortbestand der Art zu gewährleisten, richtet die Regierung in Zusammenarbeit mit Naturschutzorganisationen auch außerhalb von Sumatra Rehabilitationszentren und Schutzgebiete ein. (red/APA, 29.9.2022)