Wien – Der Energiekostenzuschuss für Unternehmen ist auf den Weg gebracht, aber er wird nicht reichen. Davon geht Renate Scheichelbauer-Schuster aus. Viele der rund 300.000 heimischen Gewerbe- und Handwerksbetriebe, die in Summe rund 800.000 Menschen beschäftigen, könnten die Last der Energiekosten kaum noch stemmen, ist die Spartenobfrau in der Wirtschaftskammer (WKO) überzeugt. "Es gibt viele Probleme, aber die Energiekosten stellen alles in den Schatten", so die WKO-Funktionärin.

Manche Betriebe treffe die Entwicklung durch eine Verdoppelung, andere durch eine Verzehnfachung der Strom- und Gaskosten. Die Unterschiede zwischen Branchen und innerhalb derselben seien enorm. Als besonders energieintensiv nennt Scheichelbauer-Schuster den Lebensmittelbereich, aber auch Textilreiniger. Hart treffen würde die Energiekostensteigerung aber ausnahmslos alle.

Vom goldenen Boden sehen sich die Handwerks- und Gewerbebetriebe derzeit weit entfernt. Eher stünden viele auf tönernen Füßen.
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Die Preissteigerungen von im Schnitt 7,9 Prozent im ersten Halbjahr im vollen Umfang weitergeben könnten viele nicht: "Vieles würde dann unverkäuflich." Das treffe vor allem die konsumnahen Bereiche, Dienstleister wie Friseure oder Gesundheitsberufe etwa. Die Auftragseingänge bzw. Umsätze der Sparte im ersten Halbjahr sind mengenmäßig um vier Prozent gesunken, obwohl sie wertmäßig (nominell) im gleichen Zeitraum um 3,9 Prozent gestiegen sind, zitiert Christina Enichlmair von der KMU-Forschung Austria aus der jüngsten Konjunkturumfrage.

Stimmung gekippt

Die Stimmung sowohl in den konsumnahmen als auch in den investitionsgüternahen Branchen, etwa im Baubereich, ist gekippt. So stehe der soziale Wohnbau still, was Baugewerbe und Bauhilfsgewerbe durch Auftragseinbrüche treffe. Manche Branchen wie etwa die Friseure hätten noch nicht einmal das Vor-Corona-Niveau erreicht, doch nun sei die Erholung abrupt gebremst.

Dementsprechend pessimistisch ist das Stimmungsbild, das die jüngste Konjunkturumfrage zeichnet. Über 80 Prozent der Betriebe meldeten im dritten Quartal reale Umsatzverluste, zeigt die Erhebung. Für das vierte Quartal erwartet nur gut ein Fünftel der befragten Unternehmen eine positive Geschäftsentwicklung. "Besonders pessimistisch sind derzeit neben dem Baugewerbe das Bauhilfsgewerbe, die Fahrzeugtechnik und der Holzbau eingestellt", sagt KMU-Forscherin Enichlmair.

Existenzängste

Das beherrschende Gefühl sei derzeit "die Machtlosigkeit", berichtet Scheichelbauer-Schuster aus Gesprächen mit Unternehmen. "Es herrscht der Eindruck, ein Spielball der Entwicklungen zu sein – ohne eingreifen zu können." Die Aussichten: trist. Installateure würden über Auftragsstornierungen berichten, Bäcker und andere Betriebe seien von Existenzängsten gebeutelt, darunter auch viele etablierte und renommierte Unternehmen, die "ratlos sind, wohin das führen wird".

Ein teures Pflaster auf Symptome nennen die Branchenvertreter die Energiekostenzuschüsse.
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Denn noch seien die alten Probleme wie Lieferengpässe oder höhere Materialkosten gar nicht verdaut. "Wir bestellen Ware und wissen nicht, was sie kostet", sagt die Spartenobfrau. Das habe sich noch verschärft. Dazu kämen Lohnverhandlungen und auslaufende Langfristverträge mit den Energielieferanten und das Wissen, dass sich die Kosten vervielfachen werden. "Viele rechnen, wie lange sie noch durchhalten können."

Ruf nach mehr Unterstützung

Den Energiekostenzuschuss klassifiziert Spartengeschäftsführer Reinhard Kainz als "teures Pflaster auf die Symptome". Es brauche zusätzlich Maßnahmen auf europäischer Ebene, etwa die Entkoppelung von Strom- und Gaspreis oder das Aussetzen des Merit-Order-Prinzips, um die Energiepreise langfristig zu senken.

Kainz forderte jedenfalls eine Verlängerung des Energiekostenzuschusses – auf den er einen Run erwartet – bis Mitte 2023, da nach seiner Einschätzung erst in dieser Zeit die steigenden Kosten für die betroffenen Betriebe schlagend werden. Beide Branchenvertreter sprechen sich sich zudem für eine Verlängerung der Kurzarbeit und einen dauerhaften Verlustrücktrag für Unternehmen aus. (Regina Bruckner, 4.10.2022)