Nach Streichung der Pflichtinserate von Unternehmen im Printmedium der Republik Österreich soll die "Wiener Zeitung" künftig gedruckt als Monatstitel erscheinen.

Foto: harald fidler

Wien – Die "Wiener Zeitung" soll, wie berichtet, nur noch zumindest monatlich erscheinen. Die republikseigene Tageszeitung verliert ihre allergrößte Einnahmequelle: Pflichtveröffentlichungen von Unternehmen im "Amtsblatt", das der Zeitung beiliegt.

"Der Plan, die 'Wiener Zeitung' auf ein Monatsmagazin zu schrumpfen, wäre ihr Tod auf Raten", schreibt die Redaktion und formuliert in einer Resolution vier Forderungen, darunter etwa "das Bekenntnis der Republik zur unabhängigen Redaktion in vollem Umfang und zu deren qualitätsjournalistischem Auftrag", Redakteure und Redakteurinnen appellieren auch an die Eigentümer und Geschäftsführung, die Mitspracherechte der Redaktion zu achten.

"Keine Regierung und keine Geschäftsführung" dürfe die "Wiener Zeitung" als Kulturgut vernichten, heißt es in der Resolution der Redakteursversammlung. "Die Redaktion wünscht sich Partner, die die Zeitung der Republik in eine gute Zukunft führen."

Die Forderungen der Redaktion im Wortlaut

"1. Der Eigentümer muss für sein Eigentum Verantwortung übernehmen. Die 'Wiener Zeitung' hat sich in den vergangenen 20 Jahren zu einer der besten Qualitätszeitungen des Landes entwickelt. Auch die Digitalisierung der 'Wiener Zeitung' beginnt nicht mit 2022, wie die Vorhaben des Eigentümers andeuten. Als eine der ersten Zeitungen ging sie schon 1995 online. Die Redaktion begrüßt das Bekenntnis der Regierung zur digitalen Weiterentwicklung. Wir fordern aber auch das Bekenntnis der Republik zur unabhängigen Redaktion in vollem Umfang und zu deren qualitätsjournalistischem Auftrag. Es gibt Interessenten an der 'Wiener Zeitung', falls der Eigentümer nicht dazu bereit ist.

2. Die Geschäftsführung braucht verlegerische Kompetenzen. Die 'Wiener Zeitung' benötigt eine Geschäftsführung mit professioneller Erfahrung in Management eines Qualitätsmediums, Marketing und Vertrieb. In der Ausschreibung wurde aber keine dieser Qualifikationen verlangt. Die Kernaufgabe der Wiener Zeitung GmbH ist Qualitätsjournalismus. Heute ist die gedruckte Tageszeitung 'Wiener Zeitung' das Fundament für die Weiterentwicklung von digitalem Qualitätsjournalismus.

3. Qualitätsjournalismus braucht finanziellen Rückhalt. Die Redaktion der 'Wiener Zeitung' befürchtet einen massiven Personalabbau durch eine Abkehr von der gedruckten Tageszeitung. Ein qualitätsvolles Onlinemedium ergänzt um eine Monatszeitung lässt sich nicht mit weniger Redakteurinnen und Redakteuren, als aktuell angestellt sind, produzieren. Das ist realitätsfremd. Für die 'Wiener Zeitung' und für jede einzelne Journalistin und jeden Journalisten zählt, dass die Zeitung zur demokratischen Willensbildung aller Bürgerinnen und Bürger sowie Menschen, die in diesem Land leben, beiträgt. Wir sind der Überzeugung, dass es nicht weniger, sondern mehr unabhängigen Qualitätsjournalismus braucht.

4. Eigentümer und Geschäftsführung müssen die Mitspracherechte der Redaktion achten. Das Redaktionsstatut der 'Wiener Zeitung' sichert die Unabhängigkeit der Redaktion. Anders als im Statut festgehalten, wurde die gewählte Vertretung der Redaktion bei den geplanten, gravierenden Veränderungen nie hinzugezogen. Das ist eine klare Missachtung des Statuts durch den Eigentümer und die Geschäftsführung. Wir fordern die Eigentümervertreter zu Verhandlungen über die Zukunft der 'Wiener Zeitung' auf. Diesen muss künftig auch ein von der Redaktion ausgewählter Vertreter der Redaktion angehören.

Die 'Wiener Zeitung' erschien das erste Mal 1703. Sie ist damit die älteste bestehende Tageszeitung der Welt. Es war eine der letzten Initiativen von Hugo Portisch, die 'Wiener Zeitung' als Weltkulturerbe vorzuschlagen. Keine Regierung und keine Geschäftsführung darf die 'Wiener Zeitung' als Kulturgut vernichten. Die Redaktion wünscht sich Partner, die die Zeitung der Republik in eine gute Zukunft führen." (red, 5.10.2022)