Wolfgang Kohlhaase ist tot.

Foto: APA/dpa/Patrick Pleul

Der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase ist mit 91 Jahren in Berlin gestorben. Der Stadt, in die er 1931 gerade noch so in die Weimarer Republik hineingeboren wurde, den Nationalsozialismus als Kind erlebte und zum talentiertesten Drehbuchautoren der DDR avancierte. Seine Filmdrehbücher waren derart an den Menschen interessiert, dass sie niemals auf sozialistisch-realistischer Parteilinie, sondern mit leisen Tönen durch und durch widerständig waren.

In langjährigen Arbeitsgemeinschaften tat er sich immer wieder mit bedeutenden Regisseuren zusammen. Zuerst war da Gerhard Klein, dem er den Stoff für Berlin – Ecke Schönhauser (1957) lieferte, die DDR-Antwort auf die Jugenddramen des Westens mit James Dean oder Horst Buchholz. Der Unterschied: Bei Kohlhaase geht es nicht nur um einen Generationenkonflikt, sondern immer auch das Verhältnis der Jugend zum Westen, kurz vor Mauerbau.

Konrad Wolf und Solo Sunny

Dann kam Konrad Wolf. Ich war Neunzehn (1968), ein autobiografisches Drama über die Erlebnisse Wolfs im zweiten Weltkrieg ist der erste gemeinsame Film. Ein DEFA-Klassiker. Weitere folgten, mit Kohlhaase als Koregisseur. Unvergessen ist "Solo Sunny". Wenn dort Renate Krößner als Ingrid "Sunny" Sommer mit der Stimme von Jazzsängerin Regine Dobberschütz den melancholischen Song der staatlich verhinderten Diva in die Kamera singt, während ein beanzugter Mann sein Essen in sich hineinschaufelt, dann weiß man ganz genau: Im Realsozialismus stießen kreative Frauen auf ähnliche Hürden wie im Kapitalismus.

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Erfolge nach der Wende

Tiefgründig und leichtfüßig, weitgehend frei von Ideologien oder Geschlechtergrenzen, war seine Sicht auf Menschen. Dieses Talent setzte er nach der Wende in der Zusammenarbeit mit Andreas Dresen weiterhin ein – in "Sommer vorm Balkon" (2005) lässt er Nadja Uhl gar dieselbe Textzeile sagen wie bereits Sunny, als die einen besonders hartnäckigen Verehrer vor die Tür setzt: "Ist ohne Frühstück", und als der Liebhaber beginnt zu protestieren: "Ist auch ohne Diskussion."

Ohne Diskussion gehörte Wolfgang Kohlhaase zu den Stimmen, die die zerrissene deutsche Filmgeschichte bereicherten, ein Stück humaner, humorvoller, aber auch bitterer machten. Ein feinsinniger Drehbuchautor, von dem sich heute noch viel lernen lässt. (Valerie Dirk, 5.10.2022)