Clarisse, geborene Clarice Adelaide Sebag-Montefiore, mit einem ihrer zwei erlegten Leoparden. Ein Jungtier wurde lebend gefangen und fand in Schönbrunn seine letzte Heimat

Foto: Dorotheum

Rosenlippenmädchen, leichtfüßige Jungs: Ob Clarisse Rothschild der in der verfilmten Autobiografie Karen Blixens verewigte Trinkspruch geläufig war, ist nicht überliefert. Ebenso wenig, ob sie überhaupt Zutritt zu dem ausschließlich Männern vorbehaltenen Muthaiga Club in Nairobi bekommen hatte.

Gesichert ist allerdings, dass die Jagdgesellschaft von Baron und Baronin Rothschild die am Fuße der Ngong-Berge gelegene Farm der Baronin Blixen besuchte, kein halbes Jahr bevor dort der englische Kronprinz und spätere König Edward VIII. auf seiner Safari in Ostafrika im November 1928 dinieren sollte.

Expeditionen dieser Art waren damals ein ausschließlich Vermögenden und Adeligen vorbehaltenes Privileg, das mit einigem organisatorischem Aufwand und entsprechend hohen Kosten verbunden war. Zumal wenn man im Abgleich zu den wochenlangen Strapazen auf einen gewissen Komfort nicht verzichten wollte.

Heute verpönt: sowohl die Großwildjagd als auch die Bezeichnung "Neger", dem Clarisse Rothschild Ohrschmuck abkaufte.
Foto: Dorotheum

Acht Autos und ein Grammophon

Sieht man vom üblichen Proviant ab, reisten die Rothschilds mit unzähligen Kisten voll Whisky und Cognac, Champagner und Wein, der – einer Familientradition folgend – mit eigens für diese Reise entworfenen Etiketten beklebt worden war. Neben einem Grammofon, Abendbekleidung und Tischwäsche hatte man auch Porzellan und Kristall dabei, weiters nicht weniger als acht Autos, darunter ein speziell adaptierter Mercedes 400 S. Nachzulesen bei Roman Sandgruber, der dieser "African Safari" in seiner 2019 in der Kategorie Geistes-, Sozial-, Kulturwissenschaft zum Wissenschaftsbuch des Jahres erkorenen Publikation Rothschild. Glanz und Untergang des Wiener Welthauses (Molden-Verlag, 2018) ein Kapitel widmete (Seite 405 ff.).

Die Gruppe bestand demnach aus Alfonse und Clarisse Rothschild, ihrer Schwester Joanne Montefiore, Graf Franz Anton Nostitz und Graf Franz Khevenhüller, die unter der Führung des erfahrenen Großwildjägers und Afrika-Kenners Captain George Wood im Dezember 1927 zu einer fünfmonatigen Großwildsafari aufgebrochen waren.

Jagd auf die "Big Five"

Mit dem Zug ging es vorerst nach Marseille, per Schiff weiter nach Port Said, durch den Suezkanal und das Rote Meer nach Mombasa. Von dort reiste man nach Nairobi und in die Serengeti und zurück über den Südsudan auf einem Nildampfer bis Khartum, weiter per Eisenbahn nach Alexandria und schließlich im Mai 1928 zurück nach Wien.

"Alfons sinnend" notierte Franz Anton Notitz unter eine Aufnahme von Alfons Rothschild ins Album, das die fünfmonatige Safari dokumentiert.
Foto: Dorotheum

Die Bilanz des 10.000 Pfund Sterling teuren Abenteuers: 514 erlegte Tiere insgesamt, Alfons kam auf 135 Stück Wild, Clarisse auf 157, darunter einige Exemplare der "Big Five", also Elefanten, Nashörner, Löwen, Leoparden und Büffel. Filmaufnahmen, für die der legendäre Filmproduzent Sascha Kolowrat-Krakowksy kurz vor seinem Tod im Dezember 1927 noch eigens einen Kameramann entsandt haben soll, gelten laut dem Historiker Roman Sandgruber als verschollen.

Mehr als 500 Fotodokumente

Jüngst gelangten jedoch im Dorotheum mehr als 500 in vier Alben geklebte Fotoaufnahmen zur Auktion, die diese "Rothschild Expedition – Kenya Colony, Sudan, 1928" dokumentieren. Sie stammten ursprünglich aus dem Besitz von Graf Franz Anton Nostitz und wechselten für knapp 11.000 Euro in eine private Familiensammlung nach London. Bereits vor einigen Jahren waren vier ähnliche Alben aufgetaucht, die sich wohl bis 1938 im Besitz der Rothschilds befunden haben dürften. Rund um das Jahr 2008 sollen sie über einen im britischen Norfolk angesiedelten Sportwaffenspezialisten für 18.000 Pfund zurück an die Familie verkauft worden sein, wie die Antiques Trade Gazette damals berichtete.

Die nun in Wien versteigerten Fotos mit teils schriftlichen Erläuterungen des Grafen Nostitz, der schwer an Malaria erkranken sollte, geben sequenzweise Einblick in die Tour oder auch die Jagdtechnik, wenn etwa Zebra-Kadaver "an’s Auto angebunden" wurden, "um Fährte zu machen". Dazu finden sich zahlreiche typische Aufnahmen der Jäger mit ihrer Beute, etwa von Clarisse mit einem ihrer erlegten Leoparden.

Leopard für Schönbrunn

Ein Jungtier, das sich, einem Bericht der Neuen Freien Presse zufolge, in einen Baum geflüchtet hatte, sei "von der Jägerin auf recht drollige Weise lebend eingefangen" worden. Der kleine Leopard bekam, wie Graf Nostitz vermerkte, den Namen Mara und fand im Mai 1928 vorerst im "dritten Raubtierhaus gegenüber dem Grizzlybären" im Tiergarten Schönbrunn seine letzte Heimat.

Ein bei dieser Safari erlegtes Nilkrokodil kam als Schenkung Alfons Rothschild in den Bestand des Naturhistorischen Museums und gab jüngst ein Gastspiel im Jüdischen Museum.
Foto: David Bohmann

Wie viele Trophäen Alfons und Clarisse Rothschild als Souvenirs nach Wien transportieren ließen, ist unbekannt. Der zoologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums schenkte der Baron jedenfalls Anfang 1930 zwei Präparate der Expedition: einerseits einen männlichen Strauß, der sich heute noch in der Schausammlung (Saal 30) in der Straußenvitrine befindet, und andererseits ein Nilkrokodil.

Letzteres, ein 115 Zentimeter breites und 440 Zentimeter langes mit Holzwolle ausgestopftes Exemplar, hing über Jahrzehnte im Büro eines Kurators. Im Rahmen der im Juni zu Ende gegangenen Rothschild-Ausstellung gelangte es im Jüdischen Museum Wien zuletzt zu öffentlichen Ehren, gleichsam als Symbol eines aus der Zeit gefallenen und längst verpönten exklusiven Jagdvergnügens. (Olga Kronsteiner, 9.10.2022)