Kandidaten Hofer und Rosenkranz: Wähler waren nicht einfach zu halten

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Etliche Wähler des freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer aus dem Jahr 2016 dürften sich mit der Person Alexander Van der Bellen und dessen Amtsführung versöhnt haben. Fast eine halbe Million Stimmen (genau sind es 494.000) sind nach Berechnungen des Sora-Instituts für den ORF am Sonntag von Hofer zu Van der Bellen gewandert. Zur Erinnerung: Der Freiheitliche Hofer hatte im ersten Wahlgang am 24. April 2016 die relative Mehrheit mit 1.499.971 Stimmen erhalten, im Dezember desselben Jahres konnte er im zweiten Wahlgang 2.124.661 Stimmen lukrieren. Die zusätzlichen Stimmen kamen damals in hohem Maß von Wahlberechtigten, die im ersten Wahlgang Irmgard Griss und Andreas Khol gewählt hatten – dazu mobilisierte Hofer 176.000 Nichtwähler des ersten Wahlgangs.

Hofers Wähler hatten viele Optionen

Dieses Vorwissen hilft zu verstehen, warum die Ergebnisse des heurigen FPÖ-Kandidaten Walter Rosenkranz so stark von jenen Hofers abweichen. Auch heuer hat Sora die Wählerströme nachgerechnet und aufgespürt, wohin sich die Hofer-Wähler von vor sechs Jahren verlaufen haben.

Erster Befund: Es sind wieder Hofer-Wähler daheim geblieben, mit 178.000 rechnerisch etwa gleich viele, wie Hofer damals gewonnen hatte. Dazu kommt, dass Wähler des ÖVP-Kandidaten Khol und der zwischenzeitlich bei den Neos angedockten Griss von einer impliziten Unterstützung Van der Bellens ausgehen konnten – und wohl teilweise in dem eingangs angesprochenen 494.000 Personen umfassenden Wählerstrom von Hofer zu Van der Bellen zu finden sind.

Stimmen, die Rosenkranz behielt

Immerhin ist der stärkste Wählerstrom an ehemaligen Hofer-Wählern – 613.000 Stimmen – jener von Hofer zu Rosenkranz. Davon sind aber nur 370.000 Stimmen auch Parteistimmen der FPÖ aus der letzten Nationalratswahl 2019. Das hängt wiederum damit zusammen, dass die FPÖ bei der Nationalratswahl 2019 – ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos – relativ schwach abgeschnitten hat: Die 16,17 Prozent für die Partei liegen unter den vom Kandidaten Rosenkranz erreichten 18,4 Prozent. Allerdings konnte Rosenkranz von diesen Parteistimmen nur einen Teil halten – das heißt, dass ungefähr jeder zweite FPÖ-Wähler von 2019 nicht den Parteikandidaten gewählt hat.

Anders gesagt: Alle Kandidaten mussten diesmal mühsam Stimmen sammeln.

Treue Wähler von Van der Bellen

Amtsinhaber Van der Bellen konnte sich auf seine früheren Wähler von 2016 verlassen, die zu 84 Prozent (1.734.000 Stimmen) ihrer damaligen Wahlentscheidung treu geblieben sind, dazu kommt die erwähnte Wanderung von einer knappen halben Million Hofer-Stimen. Bei der jüngsten Nationalratswahl dürften etliche Hofer-Wähler zum Wahlerfolg von Sebastian Kurz beigetragen haben. Das erklärt, dass den stärksten Wählerstrom (927.000) die zu Van der Bellen gewanderten ÖVP-Wähler darstellen. Die Grün-Wähler blieben großteils ihrem Ex-Parteichef treu.

Teilt man das Ergebnis des Wahlsiegers in Parteistimmen der Nationalratswahl, so setzt es sich aus 40 Prozent ÖVP-Wählern, 27 Prozent SPÖ-Wählern, 15 Prozent Grünen, neun Prozent früheren Nichtwählern, sechs Prozent Neos und je einem Prozent früheren Jetzt- und FPÖ-Wählern zusammen. Das unterstreicht, dass die Hofer-Stimmen vom Dezember 2016 nur zu einem Teil auch Parteistimmen der FPÖ drei Jahre später geworden sind.

Wo die anderen Kandidaten punkteten

Gut 102.000 Parteistimmen der FPÖ von 2019 gingen an Gerald Grosz, 69.000 bisherige Freiheitliche blieben der Wahl fern und 37.000 wanderten zu Tassilo Wallentin. Dieser dürfte mehr ÖVP-Wähler des Jahres 2019 (222.000) gewonnen haben als Rosenkranz (168.000).

Die Sora-Wählerstromanalyse für den ORF zeigt auch, dass Dominik Wlazny von allen Parteiwählerschaften der Nationalratswahl 2019 Stimmen gewinnen konnte. Seine Wählerschaft setzt sich aus 23 Prozent Neos-, 21 Prozent Grün-, 17 Prozent FPÖ-, zwölf Prozent SPÖ-, acht Prozent ÖVP- und 14 Prozent bisherigen Nichtwählern zusammen. (Conrad Seidl, 10.10.2022)