Im Moment stehe man sehr gut da: Seit zehn Jahren führt Nikolaus Brandstätter den gleichnamigen Verlag.

Foto: Gianmaria Gava/Brandstätter Verlag

Wer sich ab und zu in einer Buchhandlung umsieht, weiß, Kochbücher boomen. Wer genauer hinsieht, wird immer wieder einen Namen auf den Umschlägen entdecken: Brandstätter. Heuer wird der Wiener Verlag 40 Jahre alt, ab Donnerstag wird bis Ende Oktober mit Autoren im Café Landtmann gefeiert. Es ist ein Jubiläum in der Krise, der Buchbranche geht es nicht gut. Seit vorigem Jahr haben die Papierpreise angezogen, seit dem Frühjahr sorgt der Krieg in der Ukraine bei Kunden für Unsicherheit und leere Portemonnaies. Umsätze sinken, brechen ein.

"Natürlich spüren wir, dass die Konsumlaune gerade im Keller ist", sagt Nikolaus Brandstätter (47). Seit 2011 hat der Sohn des Verlagsgründers Christian Brandstätter das Ruder in der Hand. "Seit März gehen die Verkäufe zurück, für uns aber in einem verträglichen Ausmaß." Mit zwölf fest angestellten Mitarbeitern verlegt er im Jahr 50 bis 60 Bücher.

Einst war das aufwendig gemachte Kunstbuch das Steckenpferd. Inzwischen macht die Sparte mit 15 Prozent des Umsatzes das kleinste Stück vom Kuchen aus. Am stärksten ist mit 40 Prozent das Kochbuch. Dahinter folgt das populäre Sachbuch. Auch wenn diese teilweise mehr Stück absetzen, sind jene billiger.

Während für Literaturverlage 1000 Exemplare oft eine Hürde sind, fängt für Brandstätter ein Kochbucherfolg bei 10.000 verkauften Exemplaren an, "da knallen aber noch keine Sektkorken". Wirklich erfreulich wird es erst über 20.000 Stück. Der zum Kochbuchklassiker gewordene Goldene Plachutta soll über eine Million abgesetzt haben.

Drei Sparten, drei Chancen

Allem Anschein nach ist Brandstätter also einer der heimischen Verlage, die besser dastehen als viele andere. Wie schafft man das?

Nüchtern könnte man sagen: Es liegt an geglückter Mischkalkulation. Während Kunstbücher auf das Image des Verlags "einzahlen", wie Brandstätter sagt, schreiben die anderen Sparten tatsächlich Gewinne. Einerseits liegt das daran, dass Titel aus dem Bereich "Essen und Trinken" am Markt generell gerade ziehen. Auf sie entfielen in den ersten neun Monaten dieses Jahres fast fünf Prozent Anteil am heimischen Buchgesamtumsatz. Gegenüber den ersten beiden Corona-Jahren hat die Warengruppe zwar zweistellig verloren. Im Vergleich zu 2019 legte sie trotzdem ein Prozent zu.

Andererseits ist Erfolg kein Zufall. Wenn Brandstätter davon spricht, wie aufwendig Kochbücher heute gestaltet seien, sagt er: "Das haben wir im deutschsprachigen Raum maßgeblich mitentwickelt." Und er meint damit nicht nur Spitzen-Food-Fotografie, sondern auch die Geschichten, die Kochbücher um Rezepte herum erzählen. Die reichen von Tradition (Stefanie Herkner) bis weite Welt (Haya Molcho).

Bücher fürs Bett

Laut einer Studie, die der Verleger zitiert, werden aus einem gekauften Kochbuch zwei Rezepte nachgekocht. Kein Wunder, würden doch viele diese Bücher im Bett lesen. Entspannung allein ist für Brandstätter aber zu wenig. "Unsere Ernährung steht ja in direktem Zusammenhang mit der Klimakrise. Insofern kommt Kochbüchern eine gesellschaftspolitische Bedeutung zu." Will er mit Kochbüchern etwa die Welt verändern? Er wolle einen "gesellschaftlichen Diskurs befeuern", sagt Brandstätter.

Das ist vielleicht die leidenschaftlichere Antwort nach dem Grund des Erfolges: Bücher von Brandstätter verbreiten positive Stimmung.

Der Verlag kennt aber Krisen. 1991 wäre er insolvent gewesen, hätte ihn nicht wegen seines kulturgeschichtlichen Programms der Staat aufgefangen. Auch als Brandstätter 2011 von seinem Vater die Geschäftsführung übernahm, sei man nicht sehr gut dagestanden.

Die Krise habe er als Chance genommen, etwas zu ändern. Damals kamen die Sachbücher ins Programm. Denkt man an das Sendungsbewusstsein der Kochbücher, ist dies eine schlüssige Entwicklung. Der neueste Streich ist eine Reihe zur Zukunft der Gesellschaft. Zum Anfang macht sich der Berliner Politikwissenschafter Herfried Münkler Gedanken über die Demokratie. Andere Titel im Sortiment handeln vom Klima, von Afghanistan oder Hass im Netz. Es gibt aber auch extrem geschenktaugliche Bücher über das Waldviertel, den Wiener Bobobezirk Neubau und alkoholfreie Drinks.

Aktive Themenfindung

Wie kommt man auf all das? Die Zeit, als Autoren mit Büchern zu Verlagen gekommen sind, ist vorbei. Brandstätter und sein Team schauen sich aktiv Themen an, mit denen sich die Menschen beschäftigen, "sowohl was Ängste als auch Sehnsüchte betrifft". Social Media spielt bei dieser Suche heute eine große Rolle. Hat man ein potenzielles Thema identifiziert, sucht das Team einen Aspekt, der als "Schuhlöffel" dafür taugt. Dann beginnt die Suche nach geeigneten Autorinnen. Das sei es nicht leicht, handle es sich doch um vielbeschäftigte Personen. Oft muss Brandstätter den Wunschkandidaten auch überzeugend erklären, welche Impulse ein Buch für Debatten setzen kann.

Die Erfolgsquote beeindruckt: Matthias Strolz, Franz Welser-Möst, Renée Schroeder, Michael Häupl, Tarek Leitner. Die Namen im Portfolio lesen sich wie das Who’s who heimischer Politik, Forschung, Gesellschaft. Macht es sich Brandstätter einfach, indem er auf Prominente setzt? Oder geht Erfolg nur so? Natürlich tue man sich leichter. Digitalexpertin Ingrid Brodnig habe man indes als Buchautorin aufgebaut.

Eine zweite Studie, die Brandstätter zitiert, besagt, dass beim Buchkauf der Preis für Leser nachrangig sei. Dass Bücher zu billig seien, hört man von Verlegern ständig. Preise anzuheben, davor fürchten sich aber alle. Hier geht die Rechnung für das Gute (Essen), Wahre (Forschung) und Schöne (Kunst) offenbar auf. (Michael Wurmitzer, 12.10.2022)