Auslöser der Proteste war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini, die am 13. September von der Sittenpolizei in Teheran festgenommen worden war und kurz darauf starb.

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Teheran – Im Iran werden offenbar Panzer in die Hochburg der regierungskritischen Demonstrationen verlegt. Videos in sozialen Medien zeigten am Dienstag dunkelgrüne Panzer, die auf Lastwägen in Richtung kurdischer Gebiete transportiert wurden. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Bilder nicht überprüfen. Die Regierung werde "die verzweifelten antirevolutionären Bemühungen neutralisieren", sagte Innenminister Ahmad Vahidi.

Zudem bekräftigte Vahidi den Vorwurf, dass die Proteste von kurdischen Dissidenten aus dem Ausland vorangetrieben werden. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation "The Kurdistan Human Rights Network" wurden seit dem Ausbruch der Proteste vor vier Wochen 30 Demonstranten getötet, 825 Personen verwundet und 2.000 Menschen verhaftet.

Proteste der Öl- und Gasindustrie gegen islamische Führung

Weiteren unbestätigten Berichten zufolge halten auch die Proteste in der iranischen Öl- und Gasindustrie im Süden des Landes an. In den Berichten vom Dienstag war auch von Streiks in der Assalujeh-Raffinerie am Persischen Golf die Rede. In nicht verifizierbaren Videos rufen Arbeiter Parolen gegen die islamische Führung, einige von ihnen sollen verhaftet worden sein.

Die Regierung versucht die Unruhen kleinzuhalten. Die Nachrichtenagentur Ilna schrieb am Dienstag, es habe zwar Proteste gegeben, diese stünden jedoch im Zusammenhang mit der Entlassung von 20 Arbeitern.

Auslöser der Massenproteste war am 16. September der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini (22) in Polizeigewahrsam. Sie soll ihr Kopftuch nicht richtig getragen haben. Richteten sich die Proteste zunächst gegen die rigorosen Kleiderregeln, die die iranische Führung den Frauen seit der Islamischen Revolution 1979 aufgezwungen hat, stellen Demonstrantinnen und Demonstranten inzwischen die Systemfrage.

Dieser am 10. Oktober 2022 auf der Nachrichtenplattform ESN veröffentlichte Ausschnitt zeigt iranische Studenten, die bei ihrem Protest an der Teheraner Amirkabir University of Technology Parolen skandieren.
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Vorwurf der "Propaganda" gegen Rafsanjanis Tochter

Gegen die Tochter des früheren iranischen Präsidenten Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani ist im Iran der Vorwurf der "Propaganda" erhoben worden. Rafsanjanis Tochter Faezeh werde "heimlicher Absprachen, Störung der öffentlichen Ordnung und Propaganda gegen die Islamische Republik" beschuldigt, erklärte Justizsprecher Massud Setajeshi am Dienstag. Die 59-Jährige, eine frühere Abgeordnete und Frauenrechtsaktivistin, war bereits Ende September in Teheran festgenommen worden.

Damaligen Medienberichten zufolge erfolgte die Festnahme, weil sie zur Teilnahme an Demonstrationen nach dem Tod der Kurdin Mahsa Amini aufrief. Faezeh Hashemi war bereits mehrfach im Visier der iranischen Justiz. Im März war sie nach Angaben des Justizsprechers zu 15 Monaten Gefängnis und zu zwei weiteren Strafjahren unter Einschluss des Verbots von Internet-Aktivitäten verurteilt worden. Im Juli wurde sie wegen Propaganda gegen die Islamische Republik und wegen Gotteslästerung im Internet angeklagt.

Hashemis 2017 verstorbener Vater war von 1989 bis 1997 Präsident. Der als gemäßigt geltende frühere Präsident setzte sich für eine Verbesserung der Beziehungen zum Westen ein.

Wirtschaft leidet unter Protesten

Während der Proteste war auch immer wieder von Streiks die Rede. So kursierten in den sozialen Medien Videos, in denen geschlossene Geschäfte zu sehen waren. In Teheran waren Basars, die als wichtige Wirtschaftszentren der Hauptstadt gelten, in den letzten Tagen geöffnet. Zeitweise mussten sie aber wegen der Proteste und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten früher geschlossen werden.

Die iranische Wirtschaft leidet unter den Protesten. Die massiven Internet-Einschränkungen haben Online-Geschäfte fast lahmgelegt, und wegen der zunehmend gewaltsam verlaufenden Demonstrationen verkürzen Geschäfte ihre Öffnungszeiten. Auch sollen laut Innenministerium mehr als 170 Banken beschädigt und zahlreiche Bankomaten in Brand gesteckt worden sein. Ein Streik in der Öl- und Gasindustrie jedoch hätte noch gravierendere Auswirkungen auf die iranische Wirtschaft. Der Öl- und Gasexport ist die Haupteinnahmequelle des Gottesstaates.

Keine Einigung im Atomstreit

Der Iran befand sich schon vor Beginn der Proteste wegen internationaler Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomstreit in einer akuten Wirtschaftskrise. Die nationale Währung Rial verliert weiterhin an Wert, der Kurs der ausländischen Devisen stieg seit 2019 um das Zehnfache.

Ein erhofftes Ende der Sanktionen über eine Einigung im Atomstreit ist laut Beobachtern nach dem gewaltsamen Durchgreifen gegen die Demonstranten vorerst vom Tisch. (APA, dpa, AFP, 11.10.2022)