14.000 Ukrainerinnen sind derzeit in organisierten Quartieren untergebracht – und es werden laut Caritas immer mehr.

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Es waren unruhige Nächte für Daria F.* Seit Wochen durchforstet sie Wohnungsportale und ruft bei Nummern an, die sie auf schwarzen Brettern entdeckt. "Ich weiß, dass ich aus der jetzigen Wohnung raus muss, aber wohin?", tippt die 45-jährige in ihr Smartphone in Google Translate ein. Seit sechs Monaten lebt sie unweit des Wiener Gürtels mit ihrer Tochter, die in der Nähe die Volksschule besucht. Der Eigentümer stellte ihr den Wohnraum gratis zur Verfügung. Im August kündigte er an, dass sie sich etwas anderes suchen müsse, er bräuchte die Wohnung für sich. Die Zeit verging zu schnell.

Wohnraum im Frühling

Von Situationen wie diesen war Österreich im Frühjahr, als die große Solidaritätswelle mit ukrainischen Geflüchteten das ganze Land erfasste, noch weit entfernt. Soforthilfe war die Devise. Hilfsorganisationen stampften Quartiere aus dem Boden, Hotels und Private stellten gratis und unkompliziert Wohnraum zur Verfügung. Dass diese Hilfe wohl zeitlich begrenzt sein würde, mahnten einzelne Stimmen. Laut Caritas dürfte dieser Zeitpunkt aber langsam gekommen sein.

In Summe sind immer noch knapp 80 Prozent von 57.000 Ukrainerinnen, die sich im sozialen Netz der Grundversorgung befinden, in privaten Wohnungen untergebracht. Aber wie lange noch?

Eigenbedarf oder Teuerung

Diese Frage beschäftigt die Caritas-Generalsekretärin Anna Parr. "Wir haben den Bund immer wieder darauf hingewiesen, dass er sich in falscher Sicherheit wähnt. Unsere Einschätzung, dass die Eigentümer ihre Wohnungen nicht für unbegrenzte Zeit zur Verfügung stellen werden, trifft nun ein." Im Monatsvergleich würde sich abzeichnen, dass immer mehr Frauen in organisierte Quartiere drängen. Mit schwindender Solidarität habe das wenig zu tun. "Entweder brauchen die Eigentümer die Wohnung selbst, oder sie sehen sich wegen der Teuerung gezwungen, den Wohnraum zu vermieten." Parr vermutet, dass die meisten Ukrainerinnen bislang gratis darin wohnen konnten.

Und dieser Punkt knüpft gleich ans nächste Problem an: die prekäre finanzielle Lage der Geflüchteten. Bisher konnten laut Zahlen des AMS 7.119 Ukrainerinnen einen Job finden. Gründe für die schleppende Integration liegen auf der Hand: zu wenig Betreuungsplätze für Kleinkinder, noch wenig Deutschkenntnisse – und die Tücken der Grundversorgung. Wenn sie mehr als 110 Euro verdienen, verlieren sie alle Leistungen. Eine langgeplante Erhöhung der Zuverdienstgrenze wurde auch am Rande der Tagung der Flüchtlingsreferenten am Donnerstag nicht verkündet – es werde noch weiter diskutiert, hieß es.

Quartiere ohne Platz

Wohin sollen aber Frauen wie Daria nun hin? Die Plätze in den Quartieren sind großteils ausgeschöpft, sagt Anna Parr – auch mit Geflüchteten anderer Nationen. "Wenn sich der Trend fortsetzt und wenn auch nur zehn Prozent rein hypothetisch ihre Wohnung zurückverlangen, müsste für 4.300 Frauen beziehungsweise ihre Kinder Wohnraum gefunden werden, den es nicht gibt." Die Caritas und andere Hilfsorganisationen schlagen deshalb eine finanzielle Unterstützung für private Unterkunft-Geber vor.

"Wir brauchen den privaten Wohnraum unbedingt", sagt auch Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer im Gespräch mit dem STANDARD. Doch um diesen sicherzustellen, will Achrainer zunächst auf "Kommunikation" setzen. "Bis dato waren die Österreicherinnen und Österreicher immer bereit zu helfen, wenn es notwendig war", meint Achrainer. Daher werde man sich nun an die Eigentümer wenden und ihnen Unterstützungsmaßnahmen wie den Mietkostenzuschuss nahelegen. Eine Finanzspritze für Private will er zum jetzigen Zeitpunkt nicht ins Auge fassen.

In Darias Fall hätte auch das nicht geholfen. Bei Bekannten kann sie nun vorübergehend im Oktober einziehen. "Ich bin so erleichtert, dass ich nicht zurück ins Stadion muss", sagt sie. Dafür müsste sie jedoch längerfristig eine Wohnung finden. (Elisa Tomaselli, 13.10.2022)

*Name wurde von der Redaktion geändert.