Aus dem Buch "Das Fest des Neuen": Stand eines Keramikherstellers mit Bierkrügen und Vasen aus dem Westerwald auf der Wiener Frühjahrsmesse 1960.
Foto: Archiv Messe/Christoph Fuchs

Silberfarbene Staubsauger der Marke "Bonzo", die aussehen wie ein Miniatur-Kanonenwagen. Verschiedene Mopetta-Modelle vom Wiener Unternehmen Megu mit 3,5 PS starkem Puch-Motor und Platz für zwei Personen. Reich verzierte Bierkrüge und nach Art der Antike gefertigte Keramikvasen aus dem Westerwald. Um im Wien des frühen 20. Jahrhunderts derartige Besonderheiten aus der bunten Welt der Konsumgüter bestaunen zu können, musste man eine Institution aufsuchen: die Messe Wien.

Wie sich diese seit ihrer Gründung im Jahr 1921 gewandelt hat, das zeigt ab nächster Woche überblicksartig eine kleine Ausstellung auf dem Messegelände beim Prater. In zwei Vitrinen, die noch von der Weltausstellung 1873 stammen, sind unter anderem einer der besagten Staubsauger, alte Eintrittskarten und Werbepostkarten oder Essbesteck aus dem Messerestaurant zu sehen. Noch mehr Schätze aus der Geschichte, allen voran historische Schwarz-Weiß-Fotografien, zeigt das zum Jubiläum zusammengestellte Buch "Das Fest des Neuen – Die Wiener Messe seit 1921".

Dieser Staubsauger wurde 1930 bei der Frühjahrsmesse erstanden – und bis heute von einer Wienerin aufbewahrt.
Foto: Messe Wien/APA-Fotoservice/Martin Lusser

Die Exponate in den Vitrinen stammen teils aus dem Archiv der Messe, teils handelt es sich dabei um Erinnerungsstücke aus der Bevölkerung. Der Staubsauger etwa wurde bei der Frühjahrsmesse 1930 erstanden – die heutige Besitzerin habe ihn zur Verfügung gestellt, erklärte Kurator Christian Rapp am Donnerstag bei der Präsentation der Ausstellung. Diese hätte eigentlich bereits vergangenes Jahr, direkt zum 100. Geburtstag der Messe, eröffnet werden sollen. Dem machte – wie der Messebranche im Allgemeinen – aber Corona einen Strich durch die Rechnung.

Normalisierung von Kongress- und Messegeschäft

Was das Messe- und Kongressgeschäft betreffe, sei Wien mittlerweile wieder "auf dem Weg nach oben", sagte der Wiener Wirtschafts- und Finanzstadtrat Peter Hanke. "Wir sehen wieder gute Zahlen." Derzeit liege man bei rund 80 Prozent des Vorkrisenniveaus. Innerhalb der kommenden drei Jahre rechnet der SPÖ-Politiker mit einer Normalisierung.

Die Megu-Mopetta: Dreiradfahrzeug mit 3,5 PS und Platz für zwei Personen, aufgenommen 1970.
Foto: Archiv Messe/Christoph Fuchs

Benedikt Binder-Krieglstein vom Unternehmen RX Austria & Germany, das die Messe Wien betreibt, beobachtet für das Messegeschäft an diesem Standort eine "längere Kurve". Man werde "2025 dort anschließen, wo wir 2019 aufgehört haben." Die Buchungslage sei "sehr heterogen", sagte er: Während sich die Bau- und Einrichtungsbranche mit Messen derzeit eher zurückhalte, sei die Nachfrage aus Industrie und Gastronomie gut.

Besser laufe es im Bereich der Kongresse, die ebenfalls auf dem Messegelände abgehalten werden – und eine besonders lukrative Gästegruppe nach Wien bringen. "Wir haben exorbitant gute Zahlen. Für 2022 und 2023 gibt es kaum noch freie Plätze", sagt Binder-Krieglstein.

Gustieren bei der Frühjahrsmesse 1963.
Foto: Archiv Messe/Christoph Fuchs

Für das Format Messe sieht Binder-Krieglstein angesichts der aktuellen Teuerung eine Chance. "Wir kommen in eine Phase, in der das kleine Vergnügen wieder großgeschrieben wird." Er hofft auf den Messebesuch als vergleichsweise günstige Form der Zerstreuung: Wenn man sich das schicke Auto schon nicht leisten kann, dann soll man es sich wenigstens anschauen können. "Das klingt zynisch. Aber wir beobachten tatsächlich, dass die Leute zum Träumen zu uns kommen", sagt Binder-Krieglstein.

Jahreseinkauf auf der Messe

Mit wirtschaftlich harten Zeiten ist die Wiener Messe eng verwoben. Die Idee hinter deren Gründung war, nach dem Ersten Weltkrieg den Warenverkehr in Europa wieder anzukurbeln. Die erste Messeveranstaltung fand in der zweiten Septemberwoche 1921 statt. Laut Kurator Rapp war das Ausstellungsgeschehen damals auf viele verschiedene Standorte verteilt: unter anderem auf die 1937 abgebrannte Rotunde im Prater (wo sich nun ein Gebäude der Wirtschaftsuniversität befindet), den Messepalast (heute Teil des Museumsquartiers), die Stiftskaserne, das Künstlerhaus oder das Konzerthaus. 4.000 Austellerinnen und Aussteller nahmen an der ersten Ausgabe Teil, 180.000 Gäste kamen.

Ein Blick in die Vitrine der aktuellen 100-Jahre-Ausstellung.
Foto: Messe Wien/APA-Fotoservice/Martin Lusser

Abgehalten wurde damals je eine Universalmesse im Frühjahr und im Herbst. "Präsentiert wurden neue Methoden und Produkte. Ein- oder zweimal im Jahr kam die ganze Familie, um den Jahreseinkauf zu machen", sagte Katharina Weishaupt, Geschäftsführerin der Messe Besitz AG. Im Lauf der 1920er-Jahre kamen Sonderausstellungen und Spezialmessen (zu Themen wie "Der neue Haushalt", "Frau und Kind" oder "Wien und die Wiener") dazu.

Die Messe als politisches Instrument

Während des Austrofaschismus und Nationalsozialismus wurde die Messe schließlich zum politischen Instrument: "Unter Dollfuß wurde etwa die Vaterländische Front präsentiert oder versucht, die Wirtschaftskrise zu überspielen", erklärte Kurator Rapp. Mit dem Anschluss seien schließlich jüdische Mitarbeiter und Ausstellerinnen vertrieben worden.

Zum Besuch auf die Messe kam früher die ganze Familie mit. Aus Sicht der Kinder gab es dafür wohl auch verlockende Anreize (Aufnahme von 1968)
Foto: Archiv Messe/Christoph Fuchs

In den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs wurde das Messegelände beim Prater bereits parallel als Lagerstätte für Militärfahrzeuge genutzt. Für die Herbstmesse 1941 gab es zwar noch Planungen, sie fand aber dann nicht mehr statt. Rapp: "Das Gelände war dann von Kriegshandlungen und Bombardements betroffen."

Nachdem die Kriegsschäden beseitigt waren, habe die Messe ihre "Blütezeit" erlebt, so Rapp. Ab den 1960er- bzw. 1970er-Jahren diente das Modell Universalmesse dann aus und wurde durch Fach- und Sondermessen ersetzt. Die letzte klassische Frühjahrsmesse fand 1992 statt.

Ausstellungshalle mit Motorrädern bei der Herbstmesse 1962.
Foto: Archiv Messe/Christoph Fuchs

Diese Veränderungen in der Messelandschaft brachten schließlich auch tiefgreifende Veränderungen für das Gelände beim Prater mit sich. Auf dem südlichen Teil wurde bis 2013 die neue Wirtschaftsuni errichtet. Im nördlichen Teil entstand bis 2004 ein neues Messezentrum mit 70.000 Quadratmeter Hallenflächen und einem Kongress-, Seminar- und Tagungszentrum.

Derzeit steht – Stichwort Corona – die nächste Herausforderung an: Die Anpassung der Hallen an hybride Formate, bei denen Präsenz- und Onlineteilnahme kombiniert werden. Weishaupt: "Wir bauen ständig um." (Stefanie Rachbauer, 13.10.2022)