Ein Fernsehinterview könnte für Georg Willi ein gerichtliches Nachspiel haben.

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"Alles scheint wie so oft rechtlich kompliziert", erklärte der Moderator einer TV-Sendung, bevor der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi darin das Wort ergriff und zu einem Plädoyer für eine Leerstandsabgabe ausholte. Wie bestellt warf das scheinbar harmlose Gespräch vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) nun selbst eine heikle juristische Frage auf: Haftet für eine mutmaßliche Falschaussage im Interview der Staat oder der Bürgermeister persönlich?

Willi war in dem Fernsehgespräch im Herbst 2020 vor einem Wohnhaus in Innsbruck gestanden und hatte behauptet, dass die Hälfte der Wohnung darin leer stünden. Er stützte sich dabei zwar auf eine Auswertung der Statistik Austria, laut dem betroffenen Immobilienunternehmen waren die Zahlen allerdings falsch. Es forderte den Grünen-Politiker daher dazu auf, die mutmaßlich falsche Aussage öffentlich zu widerrufen.

Hoheitliche Aufgaben?

Vor Gericht wendete Willi jedoch ein, dass er in dem Gespräch nicht als Privatperson, sondern als Bürgermeister interviewt worden sei und somit als Organ "im öffentlichen Interesse" gehandelt habe. Das Unternehmen hätte daher eine Amtshaftungsklage gegen den Staat einbringen müssen und nicht eine Klage gegen ihn persönlich.

Diesem Argument folgten dann auch das Landesgericht Innsbruck und das Oberlandesgericht Innsbruck: Das Interview habe einen "ausreichend engen Zusammenhang mit dem Bürgermeister obliegenden hoheitlichen Aufgaben" aufgewiesen. Dieser habe die beanstandeten Äußerungen als "Organ im Sinne des Amtshaftungsgesetzes" getätigt. Eine Klage gegen ihn persönlich komme daher nicht infrage.

Kein Gesetz

Das Unternehmen wandte sich nun in letzter Instanz an den OGH in Wien – und bekam dort von den Richterinnen und Richtern recht. Die entscheidende Frage war, ob Willi "in Vollziehung der Gesetze handelte" – also als Organ tätig wurde. Dementsprechend erfolgt aus Sicht des Höchstgerichts dann auch die Zuordnung des Interviews zum staatlichen oder zum privaten Handeln.

Laut dem OGH scheidet eine Zuordnung zum staatlichen Handeln im aktuellen Fall aber schon deshalb aus, weil es zum Zeitpunkt des Interviews gar kein Gesetz über Maßnahmen zur Bekämpfung von Leerständen gab. Die Äußerungen des Bürgermeisters hätten auch sonst keinen Bezug zu seinen hoheitlichen Aufgaben aufgewiesen. Er bekräftigte bloß die politische Forderung nach einer Leerstandsabgabe.

Laut dem Höchstgericht ist die Klage gegen Willi daher grundsätzlich zulässig. Ob sie berechtigt ist, wird nun das Landesgericht Innsbruck klären müssen. Die im Interview diskutierte Leerstandsabgabe ist in Tirol übrigens mittlerweile Realität. Erst vergangenen Sommer hat die ehemalige schwarz-grüne Koalition im Landtag ein entsprechendes Gesetz beschlossen. (Jakob Pflügl, 14.10.2022)