Darwins "gefährliche Idee"

Für die meisten von uns sind Pfauenschwanzfedern vor allem schön. Bei Charles Darwin war das anders: "Der Anblick einer Feder in einem Pfauenschwanze macht mir übel, sobald ich sie anstaune!", klagte der Entdecker der Evolutionstheorie. Der Grund für seine Übelkeit ist leicht zu erklären: Das extravagante Design der Federn hat so wie die einen Meter langen Schwanzfedern des männlichen "Göttervogels" in Mittelamerika keinen unmittelbaren Überlebensvorteil und lässt sich durch natürliche Auslese, Darwins Schlüsselkonzept in "On the Origin of Species" (1859), schwer erklären.

Warum aber kam es dennoch zur Evolution dieser auch für Menschenaugen ästhetisch schönen Merkmale? Darwin entwickelte dafür schließlich in "The Descent of Man" (1871) das Konzept der sexuellen Selektion. Der renommierte US-Ornithologe Richard O. Prum (Yale University) hält diese Theorie der Partnerwahl für Darwins "gefährliche Idee" und hat diesem extrem komplexen Wechselspiel von Attraktivität und Begehren bei Tier und Mensch ein tolles Buch gewidmet, das nicht nur sehr elegant geschrieben, sondern auch wunderschön gestaltet ist. (Klaus Taschwer)

Cover: Matthes & Seitz

Ein Augenschmaus für Wissenschaftsbegeisterte

Der Mensch ist ein sinnliches Wesen. Vieles können wir intellektuell erst verarbeiten und verstehen, wenn wir es mit unseren eigenen Augen gesehen haben. Auch in der Wissenschaft spielen Illustrationen von jeher eine wichtige Rolle, um komplexe Konzepte zu veranschaulichen, aber auch um Erkenntnisse bis ins kleinste Detail zu dokumentieren. Das zeigt ein von Autorin Anna Escardó und Herausgeber Julius Wiedemann zusammengestellter Bildband auf besonders eindrückliche Weise. Auf der Reise vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart begegnen uns Illustrationen, die vielfach in Staunen versetzen.

Die frühe Island-Karte des flämischen Kartografen Abraham Ortelius aus dem Jahr 1585 mag heutigen Ansprüchen kaum genügen. Sie zeigt aber die damaligen Vorstellungen von Meeresungeheuern, die vor Islands Küsten vermutet wurden. Erstaunlich präzise zeigen sich hingegen einige anatomische Körperstudien, die ab dem 16. Jahrhundert in Europa entstanden. Auch die detaillierte Illustration eines Flohs, die Robert Hooke 1665 mithilfe eines Mikroskops anfertigte, ist ein faszinierendes Zeugnis für wissenschaftliche Errungenschaften, die oft mit technischen Innovationen einhergingen. (Martin Stepanek)

Cover: Taschen Verlag

Humor gegen die Angst

Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit – eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Das neue Buch der Science Busters ist eine genüssliche Selbstbeweihräucherung der Kabarettgruppe, manchmal absurd, manchmal feurig-leidenschaftlich, etwa wenn es um Impfverweigerung geht.

Das Besondere an dem Buch ist dabei nicht, wie klug es ist (ja, klug ist es), sondern wie deppert. Der Wahnsinn hat Methode: Von jeher wird Wissenschaftskommunikation dadurch blockiert, dass Menschen Angst haben, aufgrund von Unwissen dumm zu erscheinen. Traditionell begegnet man dem Problem durch besonders einfache Darstellung. Wie eine alternative Lösung aussehen kann, zeigt Martin Puntigam mit seinem engen rosa T-Shirt und seinen darunter gut sichtbaren (aufgeklebten?!) Nippeln. Angesichts so eines Fragestellers kann sich niemand mehr lächerlich vorkommen, und die von ihrer Bedrohlichkeit befreiten Fachleute können gefahrlos ihr Gebiet erklären.

Dass der Inhalt scheinbar ziellos zwischen den Themen mäandert, lässt sich nicht ändern. Das Buch ist überall dort, wo Wissenschaft unser Leben prägt. Und das Leben kümmert sich nun einmal nicht um Fachgebiete. (Reinhard Kleindl)

Cover: Hanser Verlag

Die Mystik des Unendlichen

Die Geschichte der Mathematik seit 1870 ist keine Kleinigkeit. Um sie zu erzählen, muss über Logik gesprochen werden, über den Stoff, aus dem Zahlen bestehen, und über die Unendlichkeit, genauer gesagt über eine ganze Reihe von Unendlichkeiten, eine weniger vorstellbar als die andere. Außerdem braucht es den einen oder anderen Beweis, denn ohne sie wäre die Sache ebenso unvollständig wie langweilig.

Die Leichtigkeit des Buchs ist angesichts der Voraussetzungen überraschend. Es sind die unglaublichen Biografien der involvierten Menschen, die diese Geschichte spannend machen, allen voran jene von Georg Cantor. Aeneas Rooch schildert, wie der deutsche Mathematiker sich buchstäblich bis zum Wahnsinn der Erforschung von etwas Unsichtbarem widmete, das tatsächlich von einer ganzen Reihe von Fachkollegen infrage gestellt wurde: echter, "aktualer" Unendlichkeit. Damit trieb Cantor eine damals unfertige Mathematik bis ins Extrem und erzwang so erst ihre Neuaufstellung. Die von Cantor eingebrachte mystische Komponente wurde damit in die DNA der heutigen Mathematik eingeschrieben. (Reinhard Kleindl)

Cover: Heyne Verlag

Eine Forscherkarriere im Zeichen des Lichts

Die Frage "Was ist Licht?" mutet auf den ersten Blick äußerst harmlos an. Umso mehr mag es überraschen, dass genau diese Frage vor gut 100 Jahren eine wissenschaftliche Revolution einläutete, deren Folgen uns bis heute beschäftigen: Die Erkenntnis, dass Licht zugleich Teilchen wie auch Welle sein muss, führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Entstehung der Quantenphysik.

Einen wesentlichen wissenschaftlichen Beitrag zur jüngeren Geschichte der Quantenphysik leistete der französische Physiknobelpreisträger Serge Haroche. Sein Spezialgebiet ist die Quantenoptik. Wie es dazu kam, dass er sich als junger Mensch entschloss, seine Forscherkarriere dem vielschichtigen Phänomen Licht zu widmen, erzählt Haroche in seinem neuen Buch.

En passant erfährt man dabei auch, welche Träume und Ideen Größen der Wissenschaft wie Isaac Newton, Albert Einstein oder Claude Cohen-Tannoudji umgetrieben haben. Haroche beschreibt anschaulich, welchen praktischen Nutzen die Erkenntnisse zur Natur des Lichts in unserem Alltag haben und welche großen Fragen immer noch ungelöst sind – und der Entdeckungen einer neuen Generation von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern harren. Blendend! (Tanja Traxler)

Cover: Klett-Cotta Verlag

Die viel zu unbekannten Pionierinnen der Wissenschaft

Kennen Sie Maria Cunitz? Sie veröffentlichte 1650 mit Urania Propitia das früheste erhaltene wissenschaftliche Werk einer Frau und legte damit ihre bedeutenden astronomischen Forschungsarbeiten vor. Darin berichtigte sie Fehler von Johannes Kepler und vereinfachte einige seiner Berechnungsmethoden. Cunitz war eine der bedeutendsten Astronominnen der frühen Neuzeit – und doch ist sie heute nur wenigen ein Begriff.

Das gilt auch für Tilly Edinger, die in den 1930er-Jahren vor den Nazis aus Deutschland in die USA floh und dort das Fachgebiet der Paläoneurologie begründete. Oder für die Physikerin Chien-Shiung Wu, der es im Manhattan-Projekt gelang, Probleme bei der Aufrechterhaltung von Kettenreaktionen zu lösen. Cunitz, Edinger und Wu sind nur drei von vielen herausragenden Wissenschafterinnen, denen die Historikerinnen Anna Reser und Leila McNeill in ihrem faszinierenden Buch Frauen, die die Wissenschaft veränderten nachspüren.

Die beiden Autorinnen zeichnen darin nicht nur die individuellen Lebensgeschichten und Leistungen vieler zu Unrecht unbekannter Forscherinnen nach. Sie machen auch sichtbar, welche enorme Rolle Frauen – allen Ausschlüssen und Benachteiligungen zum Trotz – in der Geschichte der Naturwissenschaften spielten. (David Rennert)

Cover: Haupt-Verlag,

Ziele verfolgen, ohne vom Kurs abzukommen

Was hat Komplexitätsforschung mit der Flugbewegung von Staren zu tun? Wenn man den Ausführungen des italienischen Physikers Giorgio Parisi folgt, einiges. Wie es möglich ist, dass sich ihre Formationen so rasch verändern, und wie es ihnen gelingt, gemeinsam zu wenden, ohne zusammenzuprallen, waren Fragen, denen sich der Physiknobelpreisträger des Jahres 2021 in seiner Forschung widmete.

In seinem nun erschienenen Buch "Der Flug der Stare" legt Parisi auch dar, was der Beruf des Wissenschafters für ihn ausmacht: "sich etwas einfallen zu lassen oder in Angriff zu nehmen, was bislang noch keiner versucht hat". Dabei ist aber auch die Vorsicht geboten, sich nicht zu verrennen: "Man kann sein Leben nicht damit verbringen, Panzertüren öffnen zu wollen, zu denen einem der Schlüssel fehlt", schreibt Parisi. "Den Erfolg garantiert einem niemand. Man muss sein Herz in die Hand nehmen und Hindernisse beseitigen, aber wenn die Hindernisse zu groß sind, muss man auch aufgeben können."

Wie ihn dieses Credo zum Nobelpreis geführt hat, legt Parisi kurzweilig dar und vermittelt dabei einige Grundzüge der Komplexitätsforschung, die nicht nur beim Verständnis von Staren, sondern auch beim Klima essenziell ist. (Tanja Traxler)

Cover: S.-Fischer-Verlag