Obsoleszenzen zu beseitigen: Schützenpanzer Ulan.

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Wien – Es gab Zeiten, da hat sich das österreichische Parlament noch sehr genau für das Bundesheer interessiert: Unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat der Nationalrat in einer Entschließung verlangt, dass alle zwei Jahre ein Weißbuch über den Zustand der Landesverteidigung ans Parlament geschickt wird. Das ist dann auch bis 2012 passiert – danach hat sich offensichtlich niemand mehr dafür interessiert.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) lässt die Transparenzinitiative wiederaufleben: Am Donnerstagabend wurde der Investitionsplan für die kommenden zehn Jahre vorgestellt – 16,6 Milliarden Euro (nach heutigem Geldwert) sind darin vorgesehen. Und dabei gehe es weder um Sold noch um Pensionszahlungen, schon gar nicht um das Behübschen von Liegenschaften, wird im Ministerium dargelegt.

Pläne gibt es genügend

Niemand soll sagen können, man wisse nicht, was das Heer so zu kaufen beabsichtigt. Und es soll auch niemand sagen, dass die Planungsgrundlagen fehlten. Auch wenn die letzte tiefgreifende Erarbeitung der Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2013 stammt und damit in die Ära Faymann zu datieren ist: "Es hat nie ein Problem gegeben, dass zu wenige Grundlagen vorgelegen wären", verweist Tanner auf das 2021 aktualisierte Streitkräfteprofil und die jährlichen (aber nie einer umfassenden öffentlichen Erörterung unterzogenen) sicherheitspolitischen Jahresvorschauen. Und denen ist (wie schon den seinerzeitigen Weißbüchern) zu entnehmen, dass das Bundesheer materiell unterversorgt ist.

Dem immerhin wird mit der mittelfristigen Budgetplanung abgeholfen. Von den erwähnten 16,6 Milliarden sind rund sechs Milliarden für die Mobilität der Einsatzkräfte vorgesehen. Sieben Milliarden sollen in den Bereich "Schutz und Wirkung" gehen, also in die Ergänzung und Modernisierung von Waffensystemen. Und drei Milliarden kommen dem Bereich "Autarkie und Nachhaltigkeit" zugute. Beim letzten Punkt geht es nicht nur um den seit Jahren versprochenen Ausbau von Kasernenstandorten zu Sicherheitsinseln, sondern um die Wiederherstellung eines funktionierenden Sanitätswesens, einen Ausbau der Cyber-Warfare und die Mittel zur elektronischen Kampfführung sowie um die Auffüllung der Lager nicht zuletzt mit Munition.

Obsoleszenzen bei den Panzern

Und Munition wird man brauchen, wenn etwa die 56 Kampfpanzer Leopard II und die 112 Schützenpanzer Ulan auf einen halbwegs zeitgemäßen Stand gebracht werden – das dafür vorgesehene "Obsoleszenz-Bereinigungsprogramm" soll allein mehrere Millionen Euro kosten. Dazu kommen eine Kampfwertsteigerung der 3,5-cm-Fliegerabwehrkanonen sowie der Aufbau einer Drohnenabwehr und eines Fliegerabwehrsystems für alle Truppenteile. Die Flieger- und Raketenabwehr dürfte rund zwei der sieben Milliarden aus dem Bereich "Schutz und Wirkung" benötigen.

Manche Investitionen haben eine beachtliche Vorlaufzeit – vieles kann gar nicht ad hoc gekauft werden, einige Geräte müssen überhaupt erst gebaut werden. Das betrifft etwa die Pandur-Radpanzer, von denen 100 bereits im Zulauf sind, weitere 200 könnten folgen.

Autos, Hubschrauber, Flugzeuge

Zu beschaffen sind aber auch neue Infanteriefahrzeuge für die in die Jahre gekommenen Pinzgauer, weitere Transporthubschauber (künftig sollen 120 Mann in einem "Lift" verlegt werden können) und ein Ersatz der C-130 Hercules ab 2029. Die Entscheidung müsste hier innert zwei Jahren fallen, damit die Flugzeuge pünktlich geliefert werden können. Schließlich geht es auch um Kleinigkeiten wie zusätzliche Nachtsichtgeräte – für 55.000 Soldaten gibt es bisher 4.000 Stück – und ein Refurbishment des Sturmgewehrs StG77 auf jenen Stand, der bereits beim Jägerbataillon 25 im Gebrauch ist.

Versprochen wird schließlich die Anschaffung von Aufklärungsmitteln – das bezieht sich auf Drohnen und Sensoren, aber möglicherweise auch auf die Anschaffung eines Trainingsflugzeugs, das sowohl zur Luftaufklärung dienen könnte als auch zur Entlastung der Eurofighter. Über diese Flugzeugbeschaffung ist aber noch nicht das letzte Wort gesprochen – im nächsten Sommer soll mehr bekanntgegeben werden.

Skeptische Offiziersgesellschaft

Erich Cibulka, Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft (ÖOG), reagierte am Donnerstag im Ö1-"Morgenjournal" zurückhaltend auf Tanners Pläne. Die Zielsetzung sei zwar "exakt die richtige, es geht darum, die Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen". Sorge bereite ihm allerdings die "Geschwindigkeit der Umsetzung".

Denn der gelernte Soldat habe in den vergangenen Jahren immer wieder erlebt, dass sich derartige Ankündigungen meist nicht sofort niederschlagen. Daher sei man zu der Haltung übergangen: "Solange das Gerät nicht auf dem Kasernenhof steht, glaube ich es nicht." Als Beispiel nannte er die Eurofighter: 24 topmoderne, nagelneue Maschinen seien versprochen gewesen, gekommen seien dann lediglich 15, die noch dazu in wesentlichen Funktionen eingeschränkt gewesen seien. "Dazu gibt es zahllose Beispiele."

Etwas enttäuscht ist der Brigadier darüber hinaus über das Volumen des in Aussicht gestellten Budgets für das Heer. Man sei – nach mehrfachen entsprechenden Ankündigungen – davon ausgegangen, dass ein Budget im Ausmaß von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts freigemacht werde, sagte Cibulka. Geworden seien es nun lediglich 0,7 Prozent – ein Unterschied von immerhin rund 1,5 Milliarden Euro. (Conrad Seidl, 14.10.2022)