Finanzminister Jeremy Hunt hat eine neue Idee, um die konservative Regierung in Großbritannien zu retten.

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London – Das Schlagwort "Growth" bleibt, sonst aber ist fast nichts mehr übrig von der wirtschaftspolitischen Agenda, die die neue britische Premierministerin Liz Truss vor wenigen Wochen mit ihrem damaligen Finanzminister Kwasi Kwarteng vorgestellt hat. Kwarteng, vergangene Woche von Truss entlassen, ist mittlerweile durch den wirtschaftlich moderateren Jeremy Hunt ersetzt worden. Und dieser stellte Montagmittag seine eigenen Maßnahmen vor. Dass er sich dabei von den bisherigen Vorstellungen absetzen wollte, machte er explizit deutlich. "Fast alle steuerpolitischen Maßnahmen", die Kwarteng kürzlich angekündigt hatte, wolle er wieder rückgängig machen, sagte Hunt.

Dabei handelt es sich vor allem um Steuersenkungen für Wohlhabende, die die Regierung ohne Vorschläge zur Gegenfinanzierung vorgestellt hatte. Diese werden nun allesamt nicht umgesetzt, die bisherigen Regelungen bleiben in Kraft. Es sei "nicht richtig, Schulden aufzunehmen, um Steuersenkungen zu finanzieren", sagte Hunt – im klaren Widerspruch zum bisherigen Programm der Truss-Regierung, die genau das unter dem Stichwort der Trickle-down-Economics Margaret Thatchers aus den 1980er-Jahren propagiert hatte.

Im Video sehen Sie die Ankündigung des neuen britischen Finanzministers, fast alle Steuermaßnahmen aus dem "Growth Plan" zurückzunehmen.
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180-Grad-Wendung

Auch die bisher mit der Gießkanne verteilten Unterstützungen des Staates bei den Energiekosten werden dem reicheren Teil der britischen Bevölkerung nun doch nicht lange erhalten bleiben: Sie laufen im April aus und sollen danach nur nach Bedürftigkeitsregeln vergeben werden. Wie genau, soll bis dahin erarbeitet werden. Hunt bereitete die Menschen in Großbritannien in seinem Statement zudem auf harte Zeiten vor: Es seien in der Zukunft noch weitere "schwierige Entscheidungen" zu Steuern und Abgaben absehbar.

Truss soll nach Angaben Hunts den Plänen, die ihre Finanzpolitik beinahe um 180 Grad wenden, zugestimmt haben. Sie selbst äußerte sich zunächst nicht zu den Vorhaben, am Nachmittag soll laut einem Sprecher eine Regierungssitzung stattfinden. Weil sowohl Truss als auch die Konservative Partei in den vergangenen Wochen massiv an Zustimmung verloren hatten, wird in London bereits nach nur 41 Amtstagen wieder eifrig über die Ablöse der Premierministerin spekuliert. Die nun vorgestellten Steuerpläne sind wohl die letzte Chance für die Regierungschefin, an ihrem Amt festzuhalten. Die Märkte zumindest reagierten positiv auf das Vorhaben: Das Pfund stieg nach Bekanntwerden der Pläne gegenüber Euro und Dollar, auch die Zinsen für Regierungsanleihen sanken leicht. (mesc, 17.10.2022)