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Fehlerhafte Verhütungsspiralen (Symbolbild) führen derzeit zu Klagen. Künftig sollen Ärzte der Informationspflicht stärker nachkommen.

Foto: Getty Images / flocu

In die Causa Eurogine kommt neuer Wind. Der österreichische Verbraucherschutzverein (VSV) hatte in der Vorwoche über seine seit rund einem Jahr laufende Sammelaktion in dem Fall um schadhafte Verhütungsspiralen berichtet.

Zur Erinnerung: Der spanische Hersteller Eurogine hatte Spiralen aus Gold bzw. Kupfer geliefert, bei denen es zu Materialfehlern gekommen war. Die Konsequenz: Die Arme der Spirale brachen oft ab – entweder bei der Entfernung oder unbemerkt. Im letzteren Fall kam es zu ungewollten Schwangerschaften. Abgebrochene Teile mussten oftmals auch operativ entfernt werden. In Österreich haben mehr als 28.000 Frauen diese Spirale in dem Zeitraum eingesetzt bekommen.

Zu langer Info-Weg

Dass es mit einer bestimmen Chargennummer zu diesen Problemen kommt, stellte Eurogine im Februar 2018 fest. Eine diesbezügliche Information wurde auf die Homepage gestellt. In Spanien haben die Behörden im Oktober 2019 vor dem Einsatz gewarnt. Im Dezember erfolgte eine Warnung in Deutschland. Erst im September 2020 hat in Österreich das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) erstmals darüber berichtet – via Information auf der BASG-Homepage. Laut Peter Kolba, Chef des VSV, reagierte das BASG damit aber lediglich auf eine Recherche von Journalisten.

Dass die Info derart lange brauchte, um hierzulande öffentlich zu werden, hat dazu geführt, dass das Produkt weiterhin verwendet wurde. 1.400 Frauen aus Österreich, 300 aus Deutschland und 100 aus der Schweiz haben sich bisher beim VSV gemeldet, weil sie aus dem beschriebenen Fall Schaden erlitten haben: Schmerzen, Operation oder ungewollte Schwangerschaft.

Verfahren laufen

Rund 50 Fälle (in denen die betroffenen Frauen eine Rechtsschutzversicherung haben) hat Kolba schon vor Gericht gebracht. Gefordert wird von Eurogine Schadenersatz und Schmerzensgeld, denn der Hersteller habe eine Produkthaftung. Kein einziges Verfahren ist bisher rechtskräftig entschieden. Teilweise käme es vor Gericht zu "abenteuerlichen Gutachten", sagt Kolba. Während Schmerzen üblicherweise pro Tag bemessen werden, würden in manchen seiner Fälle Schmerzen auf Minuten heruntergebrochen. Damit würde Frauen in einigen Fällen weniger als 200 Euro für erlittene Schmerzen zugestanden.

Für Betroffene ohne Rechtsschutzversicherung will Kolba einen Prozessfinanzierer finden, auch ein Crowdfunding soll helfen.

Weil es in Österreich bezüglich der Informationsweitergabe vom BASG zu Ärzten grobe Mängel gab, will Kolba auch Amtshaftungsklagen einbringen. Der Hersteller habe zwar eine Pflicht zur Warnung, doch der wisse nicht, wer das Produkt bekommen hat. Kolba sieht daher die BASG in der Pflicht, die seiner Ansicht nach nicht ausreichend reagiert habe.

Gesetzesänderung geplant

Widerhall findet die Causa Eurogine nun auch im Medizinproduktegesetz. Dieses soll nämlich geändert werden. Laut dem entsprechenden Ministerialentwurf sollen "nunmehr die für die Implantation verantwortlichen Gesundheitseinrichtungen oder Ärzte ergänzend ausdrücklich verpflichtet werden, Patienten nachweislich und ohne unnötigen Aufschub über Gesundheitsgefährdungen durch fehlerhafte Implantate zu informieren".

Kolba sieht darin den Versuch, die Informationslücken zu schließen. Auch von der Politik, etwa von den Grünen oder den Neos, wird das Vorhaben als nötige Maßnahme/Änderung im Gesetz unterstützt.

Differenzierter sieht man das in der Ärztekammer. In ihrer Stellungnahme zum Ministerialentwurf begrüßt die Kammer zwar die vorgesehenen Informationspflichten bezüglich Implantationen. Festgehalten wird aber auch, dass im Interesse der betroffenen Ärzte und Patienten "daher eine entsprechende Klarstellung auch dieser Informationspflichten des BASG im Sinne der Transparenz anzustreben" wäre. Für Kenner der Branche zeige sich darin, dass erkannt wurde, dass es hier zu Mängeln gekommen ist.

Ärzte werden in die Pflicht genommen

Wesentlich deutlicher hält der Dachverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger in seiner Stellungnahme fest, dass es durch diese Regelung "zu einer aus unserer Sicht unsachlichen Überwälzung von Informationspflichten des Herstellers auf Ärzte und auf die Rechtsträger von Krankenanstalten" kommt. Das binde Personalressourcen und berge auch ein "bis dato nicht bestehendes Haftungsrisiko für Ärzte und Gesundheitseinrichtungen".

Letzteres sieht auch Rechtsanwalt Robert Haupt so: Bevor künftig ein Hersteller oder die Republik in die Haftung gezogen werde, würden wohl vermehrt Ärzte geklagt. "Die ‚nachweisliche Information‘ bedeutet auch, dass Ärzte hier eine zusätzliche Dokumentationspflicht haben", sagt Haupt. Ärzte müssten sich künftig wohl frei beweisen, warum sie über Mängel bei Implantaten nicht informiert gewesen sind oder sie sich bestimmte Informationen nicht beschafft haben. (Bettina Pfluger, 18.10.2022)