Eine ukrainische Soldatin begutachtet Trümmer einer von Russland eingesetzten Drohne.

Foto: Reuters/Stringer

Seit mittlerweile eineinhalb Wochen führt Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine massive Luftschläge im ganzen Land durch. Dabei, heißt es aus Kiew, werden bevorzugt sogenannte Kamikaze-Drohnen eingesetzt. Teilweise sind ganze Schwärme der unbemannten Luftfahrzeuge unterwegs, die auf ein bestimmtes Ziel hinabstürzen und detonieren, wie Videos und Fotos belegen. Und auch wenn Teheran dementiert, so gilt es doch als gesichert, dass der Iran Russland diese Drohnen geliefert hat.

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DER STANDARD

Das Weiße Haus etwa bezichtigt Teheran ganz konkret der Lüge in dieser Frage. In den USA geht man davon aus, dass eine erste entsprechende Lieferung bereits im August erfolgte. Die EU sucht seit Montag offiziell nach entsprechenden Belegen und würde im Fall der Fälle weitere Sanktionen gegen den Iran folgen lassen. Auch zahlreiche Experten gehen von einem iranischen Ursprung der von Russland eingesetzten Drohnen aus. Der US-Thinktank Institute for the Study of the War (ISW) berichtet gar, Einheiten der iranischen Revolutionsgarde befänden sich in den besetzten Gebieten im Osten der Ukraine, um den russischen Truppen den Umgang mit den Drohnen beizubringen.

Neue Lieferung angeblich fixiert

Die Kamikaze-Drohne, so sie wirklich aus dem Iran stammt, hat die offizielle Typenbezeichnung Schahed-136, in Russland firmiert sie unter dem Namen Geran-2. Medienberichten zufolge wurden Hunderte von ihnen an Russland geliefert, der ukrainische Generalstab sprach zuletzt von 2.400 Stück. Anderen Berichten zufolge soll bereits ein Vertrag für Drohnen der nächsten Generation unterzeichnet worden sein, die eine größere Zerstörungskraft besitzen.

Diese Drohnen tauchten im Ukraine-Krieg das erste Mal im August im Nordosten der Ukraine auf. Sie sind sogenannte Deltaflügler, besitzen also eine dreieckige Form, sind rund 200 Kilogramm schwer und haben an der Spitze einen Sprengkopf. Sie können bis zu 185 km/h schnell fliegen und haben eine Reichweite von etwa 2.500 Kilometern. Und mit rund 20.000 Euro pro Stück sind sie im Vergleich zu Raketen sehr billig.

"Herumlungernde Waffe"

Als Antrieb dient ein Propeller am Heck, ausgestattet ist die Drohne mit preiswerten, kommerziellen GPS-Empfängern. Es gibt eine Autopilotfunktion, sie kann aber auch, wie auf Videos zu sehen ist, eine Zeit lang in der Luft kreisen, bis ein Soldat oder eine Soldatin für sie per Fernsteuerung ein Ziel definiert. Deshalb wird sie auch als "herumlungernde Waffe" ("loitering munition") bezeichnet.

"Die Schahed sind sehr schwer zu entdecken, da sie sehr niedrig fliegen", sagte die ukrainische Militärsprecherin Natalia Humeniuk, als die Drohnen zum ersten Mal gesichtet wurden. "Aber sie machen viel Lärm, wie eine Kettensäge." Deshalb seien die Drohnen schon von weitem zu hören.

Experten zufolge wird ihr Einsatz, auch wenn er intensiviert werden sollte, nicht von kriegsentscheidender Bedeutung sein. Die Zerstörungskraft ist geringer als bei Raketen, dafür können sie präziser gesteuert werden, um etwa Infrastrukturziele anzugreifen. Auch kann damit die ukrainische Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt werden. Am Montag berichtete Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko, dass eine Drohne ein Wohngebäude in der ukrainischen Hauptstadt zerstört habe.

Antidrohnengewehre im Einsatz

Die ukrainischen Streitkräfte haben mittlerweile darauf reagiert und ihre Flugabwehr an die Drohnen angepasst, etwa mit Antidrohnengewehren wie dem Sky Wiper EDM4S. Jüngst erst verkündete Kiew, 37 feindliche Drohnen abgeschossen zu haben. Doch werden oft mehrere von ihnen als Schwarm auf ein Ziel angesetzt, in der Hoffnung, dass einige treffen. Um auf weitere Luftangriffe mit Raketen oder Drohnen besser vorbereitet zu sein, liefern unter anderem Deutschland und die USA weitere Luftabwehrsysteme.

Der verstärkte Einsatz von Drohnen wird in der Ukraine und im Westen auch als Zeichen der Schwäche Russlands interpretiert. So sollen dessen Raketenarsenale bereits zu einem Großteil geleert sein, weshalb man nun auf die unbemannten Luftfahrzeuge setze. (Kim Son Hoang, 18.10.2022)