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Man kennt Olaf Scholz als zurückhaltend. Dröge nennen viele den deutschen Kanzler. Manchmal, wenn er zeigen will, dass er durchaus Power hat, verwendet er Ausdrücke wie "Bazooka" (Corona-Hilfen) oder "Doppelwumms" (Energiehilfen).

Nun hat er den Streithähnen Robert Habeck, dem Wirtschaftsminister (Grüne) also, und Christian Lindner, dem Finanzminister (FDP), einen Brief geschrieben und einen Kompromiss im Atomstreit per Richtlinienkompetenz angeordnet.

Das klingt nach Bazooka-Doppelwumms. Der Kanzler spielt seine Richtlinienkompetenz aus und sagt kraftvoll, wo es langgeht. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Habeck und Lindner streiten seit Wochen. Die Grünen wollen nur zwei der drei noch laufenden AKWs in Reserve halten, die Liberalen alle drei im Vollbetrieb. Es ist Scholz in mehreren Gesprächen nicht gelungen, die beiden in einer so ernsten Lage zu einem Kompromiss zu bringen.

Angekratzte Autorität

Er musste letztendlich Zwang anwenden, weil er selbst auch keine andere Lösung mehr wusste. Das war schwach. "Basta", hat Gerhard Schröder gesagt, wenn er ein Ergebnis haben wollte. Angela Merkel ließ so lang weitermachen, bis ein Resultat vorlag. Schriftlich mussten beide nie auf ihre Richtlinienkompetenz verweisen.

Scholz wusste sich nur noch so zu helfen und das nicht einmal ein Jahr nach Antritt der Ampelkoalition. Das spricht Bände. Es bewahrheitet sich nun, wovor viele gewarnt haben: Nicht nur Grüne und FDP im Allgemeinen, sondern auch Habeck und Lindner im Speziellen können diese Ampel in sehr schwere See bringen. Scholz hätte sich viel früher und energischer als stabiler Anker beweisen müssen. Nun ist seine Autorität angekratzt.

Inhaltlich ist ein so klassischer Kompromiss herausgekommen, dass man sich fragt: Warum ist es nicht gelungen, sich früher darauf zu einigen? Natürlich ist es hart für die Grünen, nur einen Tag nach ihrem Parteitag so düpiert zu werden. Nur zwei AKWs wollten sie am Netz lassen, auf keinen Fall das dritte im niedersächsischen Emsland. Doch Scholz befahl genau das: Alle drei bleiben.

Gesetzliche Vorgaben

Die FDP tut zwar nun so, als sei Scholz auf ihre Linie eingeschwenkt, weil er den Betrieb aller drei AKWs angeordnet hat. Aber sie verschweigt, dass im April 2023 Schluss sein soll – und nicht 2024, wie von den Liberalen gewünscht.

Überhaupt: Dieses Atom-Basta muss erst noch in gesetzliche Vorgaben gegossen werden. Man ahnt, dass auch dies wieder nicht ohne Streit abgehen wird. Ein zweites Mal aber wird Scholz nicht zum Richtlinien-Hammer greifen können. So etwas kann man sich nur einmal erlauben. (Birgit Baumann, 18.10.2022)