Am 16. November 1974 schickte man mit dem Arecibo-Observatorium eine Botschaft ins All in der Hoffnung, dass diese von einer außerirdischen Zivilisation empfangen wird. Ziel der unter anderem vom US-Astrophysiker Frank Drake verfassten Nachricht war der 25.000 Lichtjahre entfernte Kugelsternhaufen M13. Der seither als Arecibo-Botschaft bekannte Kontaktversuch legte wohl den Grundstein für die Prominenz dieser Forschungseinrichtung. Filmauftritte, etwa in "Contact" mit Jodie Foster oder im James-Bond-Streifen "Golden Eye", machten das Arecibo-Radioteleskop schließlich auch über die astronomische Community hinaus berühmt.

Ausbildung statt Radioastronomie

Nun könnte die Forschung im Schatten der einst größten Radioschüssel der Erde endgültig vor dem Aus stehen. Das Observatorium von Arecibo im Dschungel von Puerto Rico lief nach dem teilweisen Einsturz der großen Schüssel vor zwei Jahren ohnehin auf Sparflamme. Vor wenigen Tagen präsentierten die Geldgeber Pläne, die das Wenige an Radioastronomie, das hier noch betrieben wurde, weiter zurückfahren oder gänzlich stoppen.

Bis zuletzt bestand sogar noch etwas Hoffnung, dass an dem ikonischen Standort ein neues Teleskop errichtet werden könnte. Das komme nun nicht mehr infrage, so die US National Science Foundation (NSF), Hauptträgerin der Einrichtung. Stattdessen soll dort ein Ausbildungszentrum entstehen.

Offiziell hieß die Riesenschüssel von Arecibo William-E.-Gordon-Teleskop. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang war es die größte Radioschüssel der Welt.
Foto: AFP/Ricardo ARDUENGO

53 Jahre lang Rekordhalter

Errichtet 1963, beherbergte das Observatorium von Arecibo mit seiner 305 Meter durchmessenden Hauptschüssel 53 Jahre lang das größte Einzelradioteleskop der Welt. Erst 2016 wurde dieser Rekord vom Five-hundred-meter Aperture Spherical Telescope (FAST) in China gebrochen. Arecibo spielte in der Radioastronomie eine kaum zu überschätzende Rolle. Astronominnen und Astronomen haben mit diesem Instrument erdnahe Asteroiden ins Visier genommen, die ersten Exoplaneten entdeckt und Beweise für die Existenz von Neutronensternen gesammelt.

2016 gelang es mit dem Arecibo-Observatorium, im fernen All sogenannte Schnelle Radioblitze (Fast Radio Bursts) einzufangen und damit einige Fragen zum Ursprung solcher exotischen Phänomene zu beantworten. Ein Jahr später wurde das Radioteleskop durch Hurrikan Maria stark in Mittleidenschaft gezogen. Die Reparaturen an den entstandenen Schäden waren noch gar nicht beendet, da zog im August 2019 der Tropensturm Isaias über Puerto Rico hinweg. Dabei riss ein fast acht Zentimeter dickes Tragekabel an einem der drei Ecktürme, dessen Ende ein 30 Meter großes Loch in die Paneele des Hauptspiegels schlug.

Video: Überwachungskameras haben den Absturz der Instrumentenplattform festgehalten.
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Spektakulärer Absturz

Noch ehe man darangegangen war, diese Schäden zu beheben, brach eines der 16.800 Kilogramm schweren Hauptkabel. Am 1. Dezember 2020 schließlich stürzte die 900 Tonnen schwere Instrumentenplattform aus einer Höhe von 137 Metern auf den Reflektor – was jeglichen bis dahin gewälzten Reparaturideen endgültig den Garaus machte. Dennoch empfängt das Besucherzentrum des Observatoriums immer noch rund 100.000 Besucher im Jahr, und Wissenschafterinnen und Wissenschafter forschen mit den verbliebenen Instrumenten, einem Zwölf-Meter-Radioteleskop und einem Lidar-System für die Atmosphärenanalyse.

Ob diese Arbeiten im selben Umfang weiter betrieben werden können, ist allerdings mehr als fraglich: Kürzlich hat die Betreibergesellschaft NSF ihre Pläne veröffentlicht, wonach am Arecibo-Observatorium ein Ausbildungszentrum für Wissenschaft und Technologie entstehen soll.

Auch der Name wird geändert

"Wir schließen Arecibo nicht," sagte Sean Jones, einer der NFS-Direktoren. "Wir glauben, dass das neue Zentrum eine katalytische Wirkung auf viele Bereiche haben wird." Laut der Pläne soll der Standort ab 2023 nicht mehr Arecibo Observatory heißen, sondern die Bezeichnung "Arecibo Center for STEM Education and Research" tragen.

Die schwer beschädigte Radioschüssel wird langsam abgebaut. An ihre Stelle wird jedoch kein neues Teleskop kommen.
Foto: AFP/Maxar Technologie

Die aktuell finanzierten Forschungsprojekte am Observatorium könnten abgeschlossen werden, meinte Jones. Danach könnten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter sich darum bewerben, ihre Arbeit im Rahmen des Ausbildungszentrums fortzusetzen. Außerdem rief die NFS zur Entwicklung von Ideen auf, wie ein solches Zentrum mit einem Jahresbudget von einer bis drei Millionen US-Dollar aussehen und welchen Platz die Forschung dabei einnehmen könnte. Ob in diesem Budget der Betrieb der verbliebenen Instrumente inkludiert ist, ließ Jones jedoch offen.

"Herzzerreißend"

Die Reaktionen aus der Fachwelt sind heftig und teilweise auch sehr emotional: "Es zerreißt einem das Herz", meinte Héctor Arce, ein aus Puerto Rico stammender Astronom an der Yale University, der sich für den Weiterbetrieb eingesetzt hatte, gegenüber "Nature". "Es ist niederschmetternd zu wissen, dass dies die endgültige Entscheidung ist", sagte auch Desireé Cotto-Figueroa, Astronomin an der University of Puerto Rico. "Besonders wenn man bedenkt, welche Mühen die Menschen am Arecibo-Observatorium und in der weiten Wissenschaftswelt auf sich genommen haben, um das Forschungsexzellenzzentrum am Laufen zu halten."

Und die Planetenwissenschafterin von der Universität Helsinki Anne Virkki gibt zu bedenken: "Wie will die NSF das angekündigte Ausbildungszentrum von Weltklasse betreiben ohne die Weltklasse-Instrumente, -Wissenschafter und -Techniker?" (tberg, 18.10.2022)