Mitarakis forderte angesichts der untergegangenen Schiffe in der Ägäis und der "Schande am Evros", dass die Türkei ihre Verpflichtungen übernehme.

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Wien – Griechenlands Migrationsminister Notis Mitarakis sieht den Vorfall am Grenzfluss Evros als Chance für die Türkei, anstatt "aggressiv zu antworten", zu dem mit der EU 2016 getroffenen Migrationsabkommen zurückzukehren. Gemeinsam mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) kündigte er am Dienstag in Wien die Fortsetzung der von Griechenland, Litauen und Österreich initiierten Grenzschutzkonferenz an.

Im kommenden Jahr werde der Dialog in Athen fortgesetzt, hieß es. Das Datum solle demnächst bekanntgegeben werden. Im Jänner hatten 16 EU-Staaten ein Statement in Vilnius unterzeichnet, in dem unter anderem eine "angemessene Unterstützung" inklusive finanzieller Mittel für Mitgliedsstaaten an der EU-Außengrenze von der EU-Kommission gefordert wurde.

"Nachbarschaftliche Beziehung"

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hatte am Montag einen Vorfall von Freitag bestätigt, bei dem 92 Migranten nackt über den Grenzfluss Evros von der Türkei nach Griechenland getrieben worden sein sollen. Griechenland habe den Vorfall und auch jenen im August "klar verurteilt" und werde mit dem Vorsitzenden der Uno-Generalversammlung nächste Woche darüber sprechen, sagte der griechische Migrationsminister am Dienstag.

Angesichts der untergegangenen Schiffe in der Ägäis und der "Schande am Evros" sei es notwendig, dass die Türkei ihre Verpflichtungen übernehme, forderte Mitarakis in Hinblick auf den Flüchtlingsdeal mit der EU. Die Türkei schütze ihre östlichen Grenzen und müsse ihre westlichen Grenzen ebenfalls schützen sowie Flüge kontrollieren, sagte er.

Zu dem Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei gehörten die Abwendung von illegalen Abreisen und die Rücknahme von abgewiesenen Flüchtlingen. Griechenland wolle "gute nachbarschaftliche Beziehungen zur Türkei" und habe die EU-Bestrebungen Ankaras immer unterstützt, unterstrich Mitarakis.

Türkei für Abbestellung von Mitarakis

Athen und Ankara hatten sich am Wochenende für den Vorfall gegenseitig die Schuld zugeschoben. Der griechische Bürgerschutzminister Takis Theodorikakos sprach von barbarischem Verhalten, das ans Mittelalter erinnere. Der türkische Vizeinnenminister hingegen twitterte, Griechenland versuche, die eigene Grausamkeit der Türkei unterzuschieben.

Laut griechischen Medienberichten schlug die Türkei sogar die Abbestellung von Mitarakis vor. "Wir unterstreichen die Tatsache, dass der griechische Migrationsminister immer noch im Amt ist und seine unbegründeten Anschuldigungen gegen unser Land fortsetzt, während der Exekutivdirektor von Frontex aufgrund der Ermittlungen und der Aufsicht über die Pushbacks seines Postens enthoben wurde. Das ist inakzeptabel, und wir überlassen es dem Ermessen der öffentlichen Meinung", erklärte das türkische Innenministerium.

Treffen mit Nehammer

Im Zentrum des Arbeitsgesprächs von Mitarakis und Karner am Dienstag stand die weitere Zusammenarbeit der beiden Länder bei den Themen Flucht und Migration. Man sei sich einig, dass der Kampf gegen die "Schleppermafia" weitergeführt werden müsse, sagte Karner und erkannte die Grenze zwischen Griechenland und der Türkei als "sensiblen Bereich" an.

Mitarakis lobte die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen zwischen Griechenland und Österreich beim Management von Migrationsfragen. Angesichts der zunehmenden Ankünfte müssten auf europäischer Ebene Politikelemente gefunden werden, die dieses Phänomen begrenzten, forderte er.

Am Dienstag wird Mitarakis zudem an einer Veranstaltung im österreichischen Bundeskanzleramt teilnehmen. Im Anschluss daran ist ein Abendessen mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) geplant. (APA, red, 18.10.2022)