Liebe, ja, aber über das mit dem Namen muss man noch reden. Sönke Wortmann wälzt das Thema in "Der Nachname" aus.

Constantin Film Verleih / Jürgen Olczyk

Der Namen Böttcher steht in jedem deutschen Telefonbuch. Es besteht kaum Gefahr, dass er ausstirbt. Es sei denn, man heißt Böttcher und steht vor der Frage, welchen Namen die Frau im Falle einer Heirat annimmt. Mit einem altmodischen Wort sprach man früher von einem Stammhalter, das moderne Eherecht hat davon nicht viel übrig gelassen.

Die Komödie Der Nachname von Sönke Wortmann gibt nun allen Bemühungen um eine bruchlose Kontinuität den Rest. Das gilt nicht nur für Böttchers, sondern auch Bergers oder Königs, die eine zentrale Rolle spielen.

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Etwas muss bei jedem Menschen im Pass stehen. In Europa hat es sich eingebürgert, dass wir Vornamen und Nachnamen tragen. Zum Beispiel Thomas Böttcher, der Sohn von Dorothea König. Dorothea hieß früher Böttcher, nun hat sie noch einmal geheiratet, und zwar den Bruder ihres verstorbenen Mannes. Den kennt das Publikum aus dem Film Der Vorname, er heißt René und wurde lange für schwul gehalten. Noch immer schlägt er sich morgens beim Yoga auf die Seite der Frauen, aber das sollte man nicht überbewerten. René nimmt seinen Namen ziemlich ernst, das kann man aus dem Detail schließen, dass er auf Lanzarote einen Wein macht, den er El Re nennt. Der König.

Ein Stamm muss erben

Das Anwesen auf Lanzarote ist aber nicht seines, es gehört Dorothea. René bildet nun mit ihr nach der Heirat eine Zugewinngemeinschaft, das ist eine vermögensrechtliche Bezeichnung, die wiederum für das Stammhalten wichtig ist. Denn ein Stamm muss ja erben, und wenn der Stamm durch komplizierte Biografien größer wird, wird das Erbe für die Einzelnen kleiner.

Sönke Wortmann schließt mit Der Nachname an Der Vorname an. Selten hat sich ein Sequel, ein Fortsetzungsfilm, so logisch an den Vorgänger angeschlossen.

Der Vorname ging von einem französischen Theaterstück aus, das nun noch einmal genannt wird, dieses Mal allerdings nur noch als "Inspiration". Wortmann hat dieses Mal mit dem Drehbuchautor Claudius Pläging die Sache selbst in die Hand genommen. Es sind aber vertraute Pfade, auf denen sich die Sache bewegt. Im Grunde bewegt sich Sönke Wortmann seit 1991 auf vertrauten Pfaden.

Damals beteiligte er sich mit Allein unter Frauen an einem kleinen deutschen Komödienboom, den Doris Dörrie 1985 mit Männer eröffnet hatte. Schon mit dem filmischen Werk, das Dörrie und Wortmann seither geschaffen haben, könnte man eine Geschichte der bundesdeutschen (westdeutschen) Wohlstandsgesellschaft schreiben.

Bildungshuberisch

Wortmann macht Filme über Lehrer (Frau Müller muss weg!), er kauft Stoffe beim Qualitätsnachbarn Frankreich ein (Contra, 2021), und er arbeitet mit den Spitzenkräften des deutschen Starsystems: In Der Nachname sind das Iris Berben, Florian David Fitz, Christoph Maria Herbst oder Justus von Dohnányi, das ist so etwas wie die Crew von Sönke Wortmann. Produktionsweltlich ressortiert das in München bei der Constantin Film. Wenn es in Deutschland eine Filmindustrie gibt, ist Sönke Wortmann einer ihrer erfolgreichsten Ingenieure.

Von den Teilen der Gesellschaft, in denen es um anderes geht als um Hypotheken oder Bildungsprivilegien, ist Der Nachname so weit entfernt wie eine Limousine der deutschen Leitindustrie von einer kreativen Verkehrspolitik. Sönke Wortmann und sein Publikum führen die Zumutungen des Lebens verlässlich auf einen mittleren Konversationston zurück, den Christoph Maria Herbst gelegentlich ein wenig bildungshuberisch gegen Anglizismen verteidigt und mit dem sich Iris Berben zum Ende hin zu einer großen Rede aufschwingt.

Da wird noch einmal ausgesprochen, was davor schon überdeutlich war. Fortsetzungen sind zu erwarten, die entsprechenden Titel liegen allesamt nahe: Der Doppelname, Der Firmenname ,Das Pseudonym. Mit den Profiten daraus kann man ganze Generationen von Stammhaltern auf Privatschulen schicken. (Bert Rebhandl, 19.10.2022)