Russland will mit Milliardeninvestitionen eine eigene Halbleiterindustrie aufbauen, kann mit dem technischen Fortschritt aber nicht mithalten.

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Die Sanktionen gegen Russland machen sich auch bei Elektronikkomponenten bemerkbar. So berichtet die russische Tageszeitung "Kommersant" über steigende Ausfallraten von Bauteilen, weil russische Unternehmen Komponenten wie Mikrochips teilweise über dubiose Kanäle beschaffen müssen. So sind bis zu 40 Prozent der über Umwege beschafften Chips entweder sofort defekt oder nach kürzester Zeit Elektronikschrott.

Durch den Angriffskrieg auf die Ukraine haben die meisten Chipfertiger die Geschäftsbeziehungen zu russischen Firmen eingestellt, wie "Heise" berichtet. Darunter befinden sich Branchengrößen wie die beiden taiwanesischen Unternehmen UMC und TSMC. Zwar sind die Handelsbeziehungen zwischen Russland und China nicht eingeschränkt, aber die chinesische Halbleiterindustrie leidet gerade selbst unter US-Sanktionen und hat durch die Handelsrestriktionen enormen Schaden genommen. Die russischen Pläne zum Aufbau einer eigenen Chipfertigung kommen ebenfalls nicht vom Fleck.

Zwar will Russland bis 2030 laut eigenen Angaben 3,2 Billionen Rubel (rund 52 Milliarden Euro) in die eigene Halbleiterindustrie investieren, aber die Herausforderungen dürften kaum bewältigbar sein. So will die russische Industrie heuer mit der Fertigung in 90-Nanometer-Technik beginnen, was dem technologischen Stand von 2003 entspricht. Bis 2030 will Russland Chips in 28 Nanometer fertigen, was gut ein Jahrzehnte hinter dem aktuellen Stand der Technik von 3 Nanometern liegt.

Qualitätskontrolle anhand des Aussehens

Damit bleibt russischen Unternehmen nur der Rückgriff auf fragwürdige Quellen zur Beschaffung von Halbleitern. Diese kommen aktuell zumeist über Zwischenhändler oder Verkaufsbörsen nach Russland. Eine Qualitätskontrolle ist bei der Bausch-und-Bogen-Ware aber nicht vorgesehen, genau so wenig wie Reklamationen. Deshalb werde allzu oft Elektroschrott beschafft, und die Ausschussquote sei von zwei auf bis zu 40 Prozent gestiegen, berichtet "Kommersant". Know-how und Erfahrung, wie man eine Qualitätskontrolle durchführt, hätten viele russische Unternehmen nicht, wie Ivan Pokrovsky, der Leiter des Zentrums für moderne Elektronik in Moskau, bestätigt.

So hat unter anderem der russische Smartphone- und Computerhersteller F+ Tech Probleme, funktionierende LCD-Displays zu beschaffen. Die Qualität der angelieferten Komponenten könne man aktuell nur anhand des Aussehens bestimmen, wird ein Manager des Unternehmens zitiert.

Im zuständigen Ministerium für Industrie und Handel in Moskau gab man an, keine Informationen über die Chipkrise zu haben. Beobachter gehen aber davon aus, dass sich die mangelhaften Komponenten auch in steigenden Preisen niederschlagen werden. (pez, 19.10.2022)