Nicki Minaj fetzt sich auf Twitter mit ihrer Kollegin Latto.

Foto: Charles Sykes/Invision/AP

Dass Frauen andere Frauen aus Prinzip nicht mögen würden, ist eines dieser Narrative, das sich in der Gesellschaft hartnäckig hält. Im Kampf um Männer oder bessere Positionen im Job würden sie über Leichen gehen, diese stutenbissigen Weiber. Gerade fetzten sich die Rapperinnen Nicki Minaj und Latto wegen einer Banalität auf Twitter, worüber Medien eifrig und geifrig berichten.

Die Herangehensweise von Frauen in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren war es, solche unschönen Szene weitestgehend zu verhindern: Wir sollten es machen wie die Männer, lautete die Devise, einander auch noch die Stange halten, wenn eine von uns auf dem Holzweg ist. Es wurde auf mehr Netzwerke und gegenseitige Unterstützung gesetzt, auch im Bereich der (Pop-)Kultur. Schauspielerinnen ließen verlautbaren, nur noch mit Regisseurinnen arbeiten zu wollen, weibliche DJs gründeten Kollektive, erfolgreiche Frauen halfen Newcomerinnen beim beruflichen Weiterkommen – alles gute und lobenswerte Entwicklungen. Nur haben die auch eine Schattenseite – selten ging das ohne das ziemlich fragwürdige Motto der bedingungslosen Solidarität.

Stutenbissig oder unsolidarisch

Und so gesellte sich zum Narrativ "Frauen sind geborene Zicken" das der "Solidarity". Dabei wurde übersehen, dass eine "männliche" Errungenschaft Frauen noch immer verwehrt bleibt: einander kritisieren zu können, ohne als stutenbissig oder als unsolidarisch wahrgenommen zu werden. Wann immer es dann auch einen Eklat gibt, in dem zwei Frauen eine Rolle spielen – zum Beispiel die Auseinandersetzungen zwischen der Regisseurin Olivia Wilde und der Schauspielerin Florence Pugh im Rahmen des Drehs zum Film Don’t Worry Darling –, fühlt sich die "Frauen sind Zicken"-Fraktion bestätigt, während die "Solidaritätsfraktion" enttäuscht ist, dass erfolgreiche Role-Models wie Wilde und Pugh sich nicht im Sinne des weiblichen Zusammenhaltens zusammenreißen können.

Solidarität mit Frauen bedeutet aber nicht, alles gut zu finden, was eine bestimmte Frau sagt. Nicht gut zu finden, was eine bestimmte Frau sagt, bedeutet allerdings auch nicht, dass man ein ganzes Geschlecht "nicht mag". Also bitte lasst uns Frauen miteinander streiten. Wir sind dissensfähig. (Amira Ben Saoud, 19.10.2022)