Beim Schlagwort "russisch-iranischer Waffenhandel" hätte man bis vor kurzem vor allem an künftige Einkäufe Teherans in Moskau gedacht: Dieser Teufel wurde allein schon angesichts möglicher Sanktionsaufhebungen und Geldflüsse, sollte der Atomdeal wiederbelebt werden, an die Wand gemalt. Aber nun liefert der Iran den Russen seine "Aramco-Killer"-Drohne Shahed-136 – benannt nach den Angriffen auf die saudi-arabischen Ölanlagen im September 2019 – zum Einsatz in der Ukraine.

Vermutet wird, dass auch iranische ballistische Raketen folgen könnten, mit Reichweiten von 300 und 700 Kilometern (Fateh-110 und Zolfaghar). Ist das nun eine wirtschaftliche und sicherheitspolitische russisch-iranische Allianz neuer Qualität, ein längerfristiges strategisches antiwestliches Bollwerk in der Region? Das bleibt zu sehen.

Die Reste einer Shahed-136-Drohne in der Ukraine.
Foto: AP

Das Zweckbündnis hat sein Fundament vor allem in der gemeinsamen Gegnerschaft zu den USA. Es handelt sich um zwei unter Sanktionen stehende Staaten, deren Zusammenrücken die Verluste nur sehr unzureichend kompensieren kann – vor allem für Russland.

Eine stärkere wirtschaftliche Kooperation wurde bereits vor dem Ausbrechen der Unruhen im Iran vereinbart: In einem Memorandum of Understanding im Juli sagte Moskau Investitionen in die iranische Öl- und Gasindustrie zu, allerdings zu einer Zeit, als der Abschluss des Atomdeals noch möglich schien. Der Iran soll nun seinerseits Russland dringend nötige Ersatzteile für Autos und Flugzeuge liefern – bei eigenen Beschaffungsproblemen vor allem in der Luftfahrtindustrie.

Ziviler Ungehorsam

Halten die Proteste, die seit mehr als einem Monat den Iran überziehen an, dann hat die iranische Wirtschaft mit wachsenden Schwierigkeiten zu rechnen. Das gilt noch mehr, wenn die Bewegung vermehrt auf das Instrument des zivilen Ungehorsams, wozu auch Sabotage gehören könnte, zurückgreift.

Außerdem könnten ganze Regionen, vor allem an den Grenzen – Kurdistan, Belutschistan, Khuzestan – instabil bleiben. Russlands Pläne, vermehrt auf den "International North-South Transport Corridor" (INSTC) zu setzen, drohen an der schlechten iranischen Infrastruktur zu scheitern.

Aus der russischen Gegnerschaft zu den USA zu schließen, dass die Iraner pro-russisch wären, wäre völlig verkehrt. Das stimmt nicht einmal fürs politische Establishment; auch das ist in der Frage, wie eng die Beziehungen zu Moskau sein sollten, zweigeteilt: Allerdings gilt der geistliche Führer, Ali Khamenei, als Anhänger von mehr strategischer Zusammenarbeit.

Iranische Drohnen bei Übungen im Iran.
Foto: Gudrun Harrer

Bei Umfragen im Iran hat Russland regelmäßig schlechtere Werte als etwa Ägypten oder Saudi-Arabien. Laut einer aktuellen Studie der "Alliance of Democracies Foundations" sehen nur 15 Prozent der iranischen Bevölkerung Russland sehr oder einigermaßen positiv.

Imperialistisches Russland

Das hat auch mit der gemeinsamen Geschichte zu tun, in deren Verlauf – russisch-iranische Kriege vom 17. bis 19. Jahrhundert – das zaristische Russland immer wieder iranisches Territorium abzwacken konnte. Russland und die russische Politik gelten als imperialistisch und an den eigenen Interessen orientiert. Da kann sich das iranische Regime den russischen Ukraine-Angriff noch so schönreden. Irans Nationalisten werfen Moskau auch vor, sich mehr vom Kaspischen Meer angeeignet zu haben, als ihnen zusteht.

Eine Drohne über Kiew.
Foto: Sergei SUPINSKY / AFP

Nicht einmal in der Frage des iranischen Atomprogramms gilt Russland im Iran – anders als man es im Westen sieht – als verlässlicher Partner: Auch Moskau hat die nach 2006 vom Uno-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionsrunden mitgetragen und versuchte 2010 deshalb seinen Verkauf vom Raketenabwehrsystem S-300 an Teheran rückgängig zu machen. Im Atomkraftwerk Bushehr, dessen Bau durch Russland ewig dauerte und überteuert war, casht Moskau heute durch den Verkauf von Atombrennstoff ab, den Teheran nirgendwo anders bekommt.

Auch in Syrien, wo beide Staaten auf der Seite Bashar al-Assads stehen, gibt es entscheidende Unterschiede: Für Teheran ist das Überleben des Assad-Regimes für die geografische "Achse des Widerstands" ideologisch wichtig, Moskau verfolgt strategische Ziele. Und dass Russland Israel erlaubt, in Syrien iranische Ziele und die Hisbollah anzugreifen, zeigt Teheran die pragmatische Seite Moskaus – und die Grenzen einer Allianz. (Gudrun Harrer, 20.10.2022)