Im Gasthaus Österreich fühlt man sich wie ein betrogener Gast.

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Gut schaut’s nicht aus im Gasthaus Österreich. Bei dem, was da an allen Ecken und Enden aufpoppt, fühlt man sich wie ein Gast, dem anstatt des Leberknödels eine Perücke als Suppeneinlage aufgetischt wird. Im Vergleich zu dem, was sich offenbar in den politischen Kemenaten des Landes abspielt, wirkt selbst der Augiasstall sauber wie ein frisch gereinigtes Jungmädchenzimmer.

Unschuldsvermutung

Als Staatsbürger kann man den halben Tag damit verbringen, Unschuld zu vermuten und zu hoffen, dass die Gerichte besser funktionieren als das Finanzministerium unter seinem "Generalsekretär" Thomas Schmid – wobei "Generalsekretär" im türkisen Wortgebrauch anscheinend ein Euphemismus für "Williger Erfüllungsgehilfe für Anliegen der Partei" gewesen sein dürfte.

Herr Schmid ist neuerdings nicht mehr nur Ex-Generalsekretär, sondern auch Kronzeugenaspirant. Als solcher hat er einiges erzählt und wird wohl auch künftig einiges erzählen. Es gilt die Unschuldsvermutung, und ich hoffe inständig, dass sich diese vor Gericht als intakt erweisen wird. Wer wollte denn schon in einem Gemeinwesen leben, in dem ein Parteivorsitzender und Bundeskanzler Unsummen an Steuergeld zur Bewerbung seiner eigenen köstlichen Persönlichkeit abzweigt? In dem ein Plutokrat mit fetten Geldsummen ins Ministerium hineinwachelt, als wäre dort sein ureigenstes Betätigungsfeld?

Anstand und Glücksritterpartien

In dem ein anderer Plutokrat den Finanzminister als eine Art Meta-Steuerberater instrumentalisiert, auf dass dieser seinen Unterläufeln beibringe, wie viel Steuerschulden kurz einmal zu stornieren seien? In dem sich Spitzenfunktionäre einer Regierungspartei Jahre hindurch so aufführen, als wären sie hauptberuflich Betreiber eines Plutokratenpuffs?

Zum Glück wird die ÖVP solche haltlosen Anschwärzungen und Anpatzungen vor Gericht bravourös entkräften, ja, Sebastian Kurz, so das Wording, "freut sich" darauf. Wenn sie das nicht schafft, kann sie sich ihren wackligen Status als staatstragende Partei einrexen. Das wäre bedauerlich, weil damit, zum Schaden aller, der Weg für völlig ungeniert rechtsdrehende Glückritterpartien frei wäre. Aber vielleicht sollte man es auch einmal mit jemandem versuchen, dem man zutraut, mehr vom guten alten Anstand in die eigenen Reihen zu bringen? Hallo Volkspartei: Ist da jemand? (Christoph Winder, 21.10.2022)