Elaine Mays letzter Film, ein kommerzieller Flop voller schräger Tonlagen: Warren Beatty in "Ishtar".

Foto: Viennale

Wer mit einem roten Ferrari durch New York fährt, muss noch lange kein Milliardär sein. Henry Graham hat sein ganzes Kapital verprasst, nun macht er seine Abschiedstour, seufzt jedem seiner geliebten Luxusorte ein letztes "good bye" zu. Talente, Fähigkeiten, Ambitionen fehlten ihm, klagt er selbstmitleidig gegenüber seinem Butler – was bliebe da zu tun? Der hat die vielleicht rettende Idee. Ein Mann seiner Klasse könne sich nur mit einer Heirat aus dem Schlamassel ziehen.

A New Leaf heißt die brillante Komödie, mit der Elaine May 1971 ihren Einstand als Regisseurin gab. Man liegt keineswegs falsch, wenn man sie als Update der klassischen Screwball-Comedy der 1940er bezeichnet: Ein Mann sucht eine Frau, Hindernisse sind der komische Einsatz, der letztendlich zur "happiness" führt. Allerdings wird die Formel in diesem Fall ins Extrem getrieben. Der Mann ist ein kaltblütiger Materialist, die Frau dient nur der Statussicherung. Er hegt keine Absicht, "sein" Besitztum zu teilen. Er will sie alsbald ermorden.

Walter Matthau, Hollywoods Paradegrantler, verkörpert den Heiratsschwindler Graham, die weibliche Rolle spielte May selbst: eine schusselige Botanikerin mit kreisrunden Brillen, immens reich, verträumt, lebensuntauglich. "Jedes Mal, wenn sie etwas isst, muss man sie nachher staubsaugen", kommentiert er ihre Tischmanieren. Der Clou des Films besteht genau darin, dass sie sein kompletter Gegensatz ist. Eine sensible, selbstlose, fast schon schmerzhaft gutgläubige Person.

Furchtlos und böse

Mays Komödien sind furchtlos, böse und wahnsinnig komisch. So ähnlich beschrieb Mike Nichols, der spätere The Graduate-Regisseur, May, als er sie in den 1950ern auf dem Campus von Chicago kennenlernte: als "dangerous", mithin gefährlich, bedrohlich. Die beiden hatten die gleiche Wellenlänge und wurden als Comedy-Paar am Broadway berühmt, mit einer eigenen Form von improvisiertem Witz, der der Behandlung neurotischer Paarmuster eine ganz neue, abgründige Note verlieh.

Die 1932 geborene May stammte aus einer jüdischen Familie von Vaudeville-Schauspielern, mit denen sie schon früh auf der Bühne gestanden ist. Ihre Besessenheit für Details, ihr völlig unzähmbarer Wille, immer aufs Ganze zu gehen, mögen daher rühren. The Heartbreak Kid (1972), ihre zweite Regiearbeit, ist ein Meisterwerk, das Verteidiger wie der US-Kritiker Jonathan Rosenbaum die Zeit überdauern halfen. Sie lässt sich auch als Komödie über eine Form der jüdischen Selbstverachtung in der Assimilation lesen: Charles Grodin und Mays Tochter, die fantastische Jeannie Berlin, spielen ein frisch verheiratetes Paar auf Honeymoon in Florida. Fünf Tage ist die Ehe jung, da glaubt Lenny am Strand in der strahlend blonden Kelly (Cybill Shepherd) die prestigeträchtigere Traumfrau zu erblicken.

Das Drehbuch stammte von Neil Simon, doch erst Mays schonungslose Inszenierung, die auf längere, ununterbrochene Szenen setzt, bringt den Aberwitz, die hinter der Komik kauernde Verzweiflung der Situation hervor. Und wie schon in A New Leaf geht es um eine Form von männlicher Ignoranz, die den Rest der Welt ausblendet, um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen.

Vier Werke

Die Viennale zeigt die vier Regiewerke Mays. Man hätte sie durchaus um den einen oder anderen Schauspiel-Eintrag, ihr Drehbuch für Otto Preminger und natürlich ihre Arbeit mit Nichols ergänzen können, um ein kompletteres Bild zu vermitteln. Umgekehrt zeigt ihre so abrupt mit dem kommerziellen Desaster von Ishtar (1987) endende Laufbahn als Regisseurin auch, wie Hollywood eine Frau straft, die nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt.

Der mit 40 Millionen Dollar damals extrem hoch budgetierte Film wurde von Columbia-Chef David Puttnam fallengelassen – O-Ton May: "a major putz" ("Volltrottel"). Die Actionkomödie über zwei untalentierte Songwriter (Warren Beatty und Dustin Hoffman), die in Marokko in eine politische Affäre hineingeraten, wirkt etwas unsauber zusammengeleimt, trägt aber ihre Handschrift: Komödie ist ein Feld, das derbe Scherze genauso beinhaltet wie die peinigende Erkenntnis, höchstens mittelmäßig zu sein.

Dass May auch andere Genres beherrschte, zeigt Mikey und Nicky (1976). Diese im fiebrigen Verismus-Stil inszenierte, nächtliche Odyssee zweier Kleingangster wurde erst spät so richtig gewürdigt. Peter Falk und John Cassavetes spielen die Hauptrollen wie als Nachtrag zu dessen Husbands (1970) – das kann man durchaus als Beleg für den Independent-Geist in Mays Stil lesen. Angeblich drehte sie für den Film mehr Material als Victor Fleming für Gone With the Wind und hortete es dann in der eigenen Garage. (Dominik Kamalzadeh, 22.10.2022)