Eine Kundgebung von Fridays for Future auf dem Wiener Heldenplatz – zentraler Versammlungsort der österreichischen Zivilgesellschaft.

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Die beiden kubischen Parlamentsausweichquartiere, errichtet auf freier Fläche gegenüber der Neuen Burg, sollen 2023 wieder verschwinden.

Foto: Cremer

Über eine Nachnutzung der temporären Gebäude an einem anderen Ort ist noch keine Entscheidung gefallen.

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Wenn das österreichische Bundesheer am 26. Oktober, dem Nationalfeiertag, seine traditionelle Leistungsschau auf dem Wiener Heldenplatz abhält, wird zum letzten Mal auch das Parlament mittendrin sein: Jene beiden quaderartigen Container nämlich, die 2017 als Ausweichquartiere für das in Umbau befindliche Parlament errichtet wurden, werden Anfang 2023 nach Beendigung des Umbaus wieder entfernt.

Über eine Nachnutzung der mit einem Designpreis prämierten Notquartiere würden aktuell Gespräche geführt, heißt es aus der Parlamentsdirektion, konkrete Ideen könne man aber noch keine nennen.

Für die Historikerin Heidemarie Uhl, die am Heldenplatz etwa das Äußere Burgtor (Heldentor) intensiv beforschte, wäre mit dem Abzug der Container auch die Zeit gekommen, über eine Umgestaltung des Heldenplatzes offen nachzudenken, wie sie dem STANDARD sagt. "Die Parlamentscontainer waren ein Glücksfall", meint sie, denn die temporären Bauwerke hätten gezeigt, dass dem Platz – wie ursprünglich für das nicht realisierte Kaiserforum geplant – ein baulicher Akzent gegenüber der Neuen Burg fehle.

"Alle Befürchtungen über eine Minderung der städtebaulichen Qualität wurden durch die Realisierung der beiden Objekte entkräftet. Ganz im Gegenteil: Durch ihren Abriss wird eine Leerstelle sichtbar, die geradezu nach einer zeitgemäßen architektonischen Gestaltung ruft." Ein Neubau für das Haus der Geschichte (HdGÖ), das in der Neuen Burg als Provisorium untergebracht ist, aber mehr Platz braucht, "könnte hier seinen sinnvollen Standort finden", meint Uhl. Von "Verbauung", wie manche dagegen ins Feld führen, könne keine Rede sein, sagt Uhl. Man solle ohnehin großflächig begrünen und etwa die Parkplatzflächen anders lösen.

Blimlinger und Rathkolb fordern Kommission

Grünen-Kultursprecherin Eva Blimlinger kann mit einem Haus-der-Geschichte-Neubau nichts anfangen, das Thema Umgestaltung begrüßt sie aber grundsätzlich, und sie wünscht sich eine Kommission, die alle Ideen offen diskutieren soll. "Der Heldenplatz soll endlich ein Platz werden. Kein Parkplatz, kein Containerplatz, kein Treffpunktplatz für Tourist:innenfahrten, kein Haus-der Geschichte-Platz, kein versiegelter Platz – einfach eine freie öffentliche Fläche, die keine Hitzeinsel ist. Bäume und Wiese, Sträucher und Wasser", sagt Blimlinger. Ob sie damit bei Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer Anklang findet, wird sich erst zeigen, dass man keinen Neubau für das HdGÖ anstrebt, darin sind sich die Grünen wohl einig.

Uhl hat aber noch eine weitere Idee: "Seit Jahren wird ein Denkmal der Republik gefordert, als zentraler symbolischer Ort für staatliche Rituale wie die Kranzniederlegung am Nationalfeiertag, bei Staatsbesuchen und Gedenkfeiern." Damit gäbe es eine Alternative zu der Art und Weise, wie bisher Kranzniederlegungen stattfinden, nämlich am durch den Austrofaschismus und die Werke des NS-Bildhauers Wilhelm Frass belasteten Burgtor.

Staatsgründungsdenkmal versetzen?

Der Grazer Historiker Dieter A. Binder, Vorsitzender des Denkmalbeirats beim Bundesheer, sieht eine pragmatische Lösung: Man solle das viel zu wenig beachtete, bereits bestehende Staatsgründungsdenkmal (1945) aus dem Schweizergarten auf den Heldenplatz verlegen. Historikerkollege Oliver Rathkolb fordert die Einrichtung eines runden Tisches von Stimmen aus Wissenschaft, Stadtplanung, dem Bund und der Stadt Wien. Monika Sommer, Direktorin des HdGÖ, schlägt in dieselbe Kerbe und hat einen konkreten Zeithorizont im Auge: "2025 feiert die Zweite Republik das 80. Jubiläum." Für Sommer gehe es dabei nicht "ums Verbauen, sondern ums Gestalten, um sichtbare Zeichensetzungen".

Wie das funktionieren könnte, hat zuletzt der Architekt Gerhard Schnabl mit einer Lehrveranstaltung an der Technischen Universität gezeigt, bei der Studierende Entwürfe anfertigten. Der Heldenplatz sei "architekturhistorisch betrachtet ein unvollendeter Stadtraum, der seit mehr als 100 Jahren darauf wartet, als wesentlicher öffentlicher Freiraum bedeutungsgerecht aktualisiert zu werden", sagt Schnabl. Einen Freizeit- und Lebensraum mit den Anforderungen eines Gedenkorts zu verbinden, hält er für möglich und überfällig.

Oliver Rathkolb macht auch noch auf ein Kuriosum aufmerksam: Der "Heldenplatz" sei offiziell nie als solcher benannt worden. Formal gesehen heiße der Ort nach wie vor "Äußerer Burgplatz". Auch darüber solle man einmal offen diskutieren, meint Rathkolb.(Stefan Weiss, 26.10.2022)