Ein Analyst warnt vor Bedrohung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands

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Berlin – Das China-Institut Merics warnt im Streit um einen chinesischen Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen vor Risiken. "Cosco und seine Investition in den Hamburger Hafen bergen verschiedene Risiken für die Sicherheit und die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands", sagte der Analyst Jacob Gunter der Deutschen Presse-Agentur. Cosco sei nicht einfach ein weiteres multinationales Unternehmen, das nur eine Rendite anstrebe, sondern ein Instrument der chinesischen Regierung, um deren strategische Ziele voranzutreiben.

Prüffrist bis 31. Oktober

Nun dürfte es einem Bericht zufolge einen Kompromiss geben. Die chinesische Staatsreederei werde nicht wie geplant 35 Prozent des Terminals Tollerort übernehmen können, sondern nur 24,9 Prozent, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" vom Dienstag. Auf diese Weise kann der Konzern als Minderheitsaktionär formal keinen inhaltlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Nach "SZ"-Informationen haben die sechs Ministerien, die den Deal bisher abgelehnt hatten, ihren Widerstand aufgegeben – als letztes das Außenministerium. Offen war demnach, ob der Beschluss an diesem Mittwoch im Kabinett fällt oder im Umlaufverfahren, also per schriftlicher Zustimmung.

Bis zum 31. Oktober läuft eine Prüffrist, bis zu der die deutsche Regierung das Geschäft untersagen könnte. Tut sie dies nicht, kann der Verkauf erfolgen. Deutschlands Bundeskanzler Scholz hatte am Freitag beim EU-Gipfel Kritik an einer möglichen chinesischen Beteiligung zurückgewiesen.

HHLA und Cosco Shipping Ports Limited

Im September 2021 hatten der Hamburger Hafenlogistiker HHLA und der chinesische Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited eine 35-prozentige Beteiligung der Chinesen am HHLA-Terminal Tollerort (CTT) in der Hansestadt vereinbart. Die mehrheitlich der Hansestadt gehörende HHLA verspricht sich dadurch eine Stärkung des größten deutschen Seehafens, der in der Vergangenheit Boden gegenüber den größeren Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen verloren hatte.

Unter dem Eindruck der jüngsten Erfahrungen mit Russland und der Abhängigkeit von dessen Gaslieferungen war politischer Streit entbrannt über die Frage, ob eine chinesische Beteiligung zugelassen werden soll. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte vor neuen Abhängigkeiten, ebenso FDP-Politiker. Bundeskanzler Olaf Schholz (SPD) betonte zuletzt, dass noch nichts entschieden sei und noch viele Fragen geklärt werden müssten.

Langfristige Sicherheitsrisiken

Merics-Experte Gunter warnte vor langfristigen Sicherheitsrisiken. "Erstens gibt es das Risiko der Einflussnahme – je abhängiger Deutschland von Investitionen und Geschäften mit Cosco wird, desto mehr Einfluss können Cosco und Parteifunktionäre auf die deutsche China-Politik ausüben."

Außerdem bestehe ein Abhängigkeitsrisiko – Cosco betrachte Hamburg als wertvolle Drehscheibe für die internationale Schifffahrt, für den Umschlag in Nordeuropa und als Drehscheibe für die Binnenschifffahrt entlang der Elbe durch Tochtergesellschaften. Da Cosco dank seines geschützten Heimatmarktes und der Unterstützung aus Peking einen aggressiven Preiswettbewerb führen könne, werde es für deutsche und europäische Unternehmen eine große Herausforderung sein, mit Cosco über den Preis um Marktanteile zu konkurrieren. Gunter wies außerdem auf die Ungleichheit der gegenseitigen Marktzugangsbedingungen hin. Cosco habe einen wesentlich besseren Zugang zu Deutschland und der EU als europäische Reedereien zum chinesischen Markt. (APA, red, 25.10.2022)