Die betroffenen Gemeinden, in denen Zelte für Asylwerber aufgestellt wurden, wollen den Widerstand dagegen aufrecht erhalten.

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Protest gegen Zelte für Asylwerber in St. Georgen.

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In St. Georgen im Attergau (OÖ) hat Mittwoch eine Kundgebung und Demonstration stattgefunden, mit der die Gemeinde gegen das Zeltquartier für Flüchtlinge beim Erstaufnahmezentrum Thalham protestieren möchte. Die Veranstaltung wurde zu einem Aufmarsch "der rechten und rechtsextremen Szene aus ganz Österreich", hieß es aus Polizeikreisen. Mit – laut BH und Polizei – 700 bis 1.000 Teilnehmern blieb die Protestaktion unter den Erwartungen.

Gemeinderat hat zu Protest aufgerufen

Aufgerufen zur Kundgebung hatten Bürgermeister Ferdinand Aigner (ÖVP) und alle Gemeinderatsfraktionen. Bei der "Bürgerinformation" vor dem Gemeindeamt waren Identitäre und andere amtsbekannte Personen der rechten Szene Österreichs zu sehen, darunter auch Identitären-Chef Martin Sellner. Als wie vereinbart von jeder Gemeinderatspartei – ÖVP, Grüne, FPÖ und SPÖ – jeweils ein Vertreter das Wort ergriff, kam es zu ersten Pfiffen, etwa als einer der Redner sagte, die Situation sei noch nicht mit 2015/16 zu vergleichen. Auf einem Transparent wurde "Remigration" gefordert. Die Polizei sprach von aufgeheizter Stimmung.

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Die Asfinag hatte wegen der Demonstration die Auf- und Abfahrten der Westautobahn von 10.30 bis 13.30 Uhr gesperrt. Die Sperre der Autobahn selbst sei untersagt, sagte Aigner vor der Kundgebung: "Momentan wollen wir noch friedlich auf unser Thema aufmerksam machen, daher haben wir gesagt, wir sperren jetzt einmal die Auf- und Abfahrt. Sollte sich nichts ändern, werden sicher eventuell noch weitere Maßnahmen überlegt."

Kurz nach 13.00 Uhr endete die Protestaktion, allerdings sei kurz darauf von Sellner eine Spontankundgebung initiiert worden, so die Polizei. An dieser hätten rund 100 Personen teilgenommen. Da diese Kundgebung aber nicht angemeldet war, seien die Teilnehmer aufgefordert worden, die Veranstaltung zu beenden, was dann auch geschehen sei.

17 Zelte als Anlassfall

Anlass des Protests sind 17 Zelte zur Unterbringung von Flüchtlingen, die vor eineinhalb Wochen neben der Bundesbetreuungsstelle Thalham – eine Ortschaft in der Gemeinde St. Georgen im Attergau (Bezirk Vöcklabruck) – aufgestellt worden waren. Mit dem Erstaufnahmezentrum West trage die Gemeinde ohnehin schon zur Unterbringung von Flüchtlingen bei, argumentierte der Bürgermeister. Darüber hinaus habe man in einem ehemaligen Sanatorium Kinder und Jugendliche aus einem Waisenhaus in der Ukraine aufgenommen, mit großer Unterstützung aus der Bevölkerung, betonte er.

Der Protest richte sich gegen "diese 17 menschenunwürdigen Zelte, die – ohne uns zu fragen – aufgestellt worden sind", sagte der Ortschef. "Diese bringen das Gefüge im Ort aus dem Ruder, weil jetzt einfach zu viele junge Männer da sind. Das spüren wir im Ort, das spüren die Geschäfte, das geht einfach nicht."

Rückendeckung kam heute auch vom zuständigen Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP): In einer Aussendung forderte er, dass die Zelte in St. Georgen rasch wieder abgebaut werden müssten. Oberösterreich habe im Oktober rund 35 Prozent aller vom Bund an die Länder überstellten Asylwerber übernommen, außerdem würden weiterhin mögliche Quartiere und Liegenschaften geprüft und in Betrieb genommen. Der Landesrat zeigte Verständnis für Sorgen und Bedenken der Bevölkerung, er betonte aber auch, "dass es unsere humanitäre Verantwortung ist, jene Asylwerber, die hier sind, zu versorgen und ihnen ein ordentliches Verfahren zu ermöglichen". Oberösterreich komme dieser Verantwortung nach, "daher müssen die Zelte in St. Georgen rasch abgebaut werden".

Tiroler Widerstand mit Bescheid

Auch in Tirol regte sich Widerstand. Die Gemeinde Absam (Bezirk Innsbruck-Land) wehrt sich nun mit einem Bescheid gegen die Zelte für Asylwerber. Wie Bürgermeister Manfred Schafferer (SPÖ) zu ORF Radio Tirol sagte, habe man der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) am Dienstag ein 19 Seiten langes Schreiben zugestellt. "Die Grundaussage ist, dass binnen drei Tagen das rückgebaut werden muss", so Schafferer. Rechtsmittel gegen den Bescheid hätten keine aufschiebende Wirkung.

Die Zelte waren am Donnerstag vergangener Woche auf dem Gelände der Polizeischule Wiesenhof – das dem Bund gehört – aufgestellt worden. Sie bieten Platz für rund 100 Personen. Am Dienstagnachmittag wurden die ersten 16 Asylwerber in den Zelten untergebracht.

"Wir gehen nach Rücksprache mit unseren Rechtsexperten weiterhin davon aus, dass es sich bei der Aufstellung der Zelte nicht um eine bauliche Maßnahme handelt und sehen daher keine Anwendbarkeit der Tiroler Bauordnung", so BBU-Specher Thomas Fussenegger in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Der von Schafferer angekündigte Bescheid sei noch nicht eingetroffen, er werde nach der Zustellung sorgfältig rechtlich geprüft. "Wir werden alle weiteren rechtlich möglichen Schritte setzen", unterstrich Fussenegger.

Dornauer will Asylwerber unterbringen

Der neue tiroler Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer (SPÖ), der für die Flüchtlingsagenden zuständig ist, will sich ab Donnerstag bemühen, für die 16 Asylwerber anderweitige Unterkünfte zu finden. Er werde dahingehend auch mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) telefonieren, sagte Dornauer im APA-Gespräch. "In den nächsten zwei bis drei Wochen" sollen generell genügend Quartiere bzw. Notunterkünfte im Bundesland geschaffen werden.

Er erwarte sich aber auch, dass – sobald die 16 Betroffenen untergebracht seien – "am nächsten Tag nicht wieder weitere Flüchtlinge in die Zelte kommen", machte der Landeshauptmannstellvertreter klar. Dies werde er "kollegial" mit Karner besprechen und ihm seine politische Vorgangsweise darlegen. Die "sinnlose Quotendiskussion" müsse jedenfalls vom Tisch.

Dornauer: Vorgehensweise "ungeschickt"

Bezüglich der angestrebten großen Lösung mit genügend Quartieren in den nächsten zwei bis drei Wochen, meinte der SPÖ-Chef, dass er sich zutraue, dies zustandezubringen. Er sei aber nun den ersten Tag im Amt, Notunterkünfte etwa in Form von Containern aufzustellen, brauche auch eine "gewisse Zeit".

Die Vorgangsweise des Bundes mit dem Aufstellen von Zelten nannte Dornauer "gelinde gesagt etwas ungeschickt". Gefragt, ob Tirol seinerseits bisher säumig gewesen sei, meinte er: "Ich habe eine politische Meinung, will aber nicht öffentlich über die ausgeschiedene Ressortverantwortung urteilen".

"Irritierendes Signal"

Darüber hinaus interpretierte die BBU den Bescheid des Bürgermeisters von Absam als ein "Negieren des partnerschaftlichen Miteinanders der Gebietskörperschaften". Es handle sich um ein irritierendes Signal, denn in Österreich sei es gelebte Praxis, Herausforderungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gemeinschaftlich zu stemmen.

Sowohl das Land Tirol als auch die Gemeinde Absam haben sich wiederholt vehement gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Zelten ausgesprochen. Bürgermeister Schafferer sprach von einer "humanitären Katastrophe", zu dieser Jahreszeit Menschen in Zelten unterzubringen. "Wir bringen das Vieh von den Almen herunter in Ställe mit festen Dächern. Aber Menschen lassen wir im Freien campieren", kritisierte Schafferer im Gespräch mit dem Rundfunk. Das sei für ihn untragbar. (APA, red, 26.10.2022)