Die USA sitzen, was Halbleiter betrifft, am längeren Hebel, China ist derzeit weit abgeschlagen.

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Jüngst hat die amerikanische Regierung ein Gesetz erlassen, wonach "bei der Produktion von Halbleitern unter einer Strukturbreite von 16 Nanometern (nm) keine US-Technologie mehr verwendet werden darf". Das hat zur Folge, dass viele Fabriken in China nicht mehr beliefert werden. Die neuen Gesetze kommen einem Chip-Embargo gleich. Hinzu kommt, dass amerikanische Staatsbürger, die in China für Halbleiterunternehmen tätig sind, quasi über Nacht das Land verlassen müssen. Ziel ist es, Peking langfristig aus dem Rennen um die kleinsten Chips zu werfen und von neuester Technologie abzuschneiden.

Halbleiter steht nach Rohöl, Kfz und raffiniertem Öl an vierter Stelle der meistgehandelten Produkte der Welt. In jedem modernen Auto stecken Chips, kein Smartphone kommt ohne sie aus. Die Lieferketten der Halbleiterindustrie sind komplex: Als es im Zuge der chinesischen Lockdowns 2021 zu Störungen kam, verzögerte sich die Auslieferung weltweit.

Digitale Revolution

Halbleiter werden immer kleiner: TSMC hat angekündigt, noch Ende dieses Jahres solche in Größe von drei Nanometern (nm) produzieren zu können. Im iPhone 14 stecken derzeit Chips, die auf 6nm-Prozessen basieren. Je kleiner die Halbleiter, desto ausgefeilter das Produkt: Ohne eine konstante Verbesserung der Chiptechnologie gibt es keine anhaltende digitale Revolution. Chips der neuesten Generation zum Beispiel finden Einsatz in der Technologie, die Peking für seinen Überwachungsapparat dringend benötigt – aber ebenso in Waffensystemen, die auf künstlicher Intelligenz basieren.

China ist derzeit ohne fremde Hilfe in der Lage, Halbleiter in der Größe von 90 Nanometern selbst herzustellen. Das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin geht davon aus, dass es Peking nicht vor 2024 gelingen wird, autark 40-nm-Chips zu produzieren. Auch technisch schafft es der leistungsfähigste Produzent aus China, SMIC, nur, sieben Nanometer zu produzieren.

In den chinesischen Medien findet die Nachricht dank des 20. Parteitags bisher relativ wenig Nachhall. Die Global Times, eine Art Sprachrohr der Kommunistischen Partei, weist lediglich darauf hin, dass das neue Gesetz amerikanischen Firmen Jobs und Gewinne kosten werde. Caixin aber berichtet in seiner aktuellen Titelstory, dass vor allem der Abzug wichtiger Mitarbeiter die chinesische Halbleiterindustrie hart treffe.

USA am längeren Hebel

Die USA sitzen, was Halbleiter betrifft, am längeren Hebel, China ist derzeit weit abgeschlagen. Die Sanktionen dienen dazu, diesen Abstand nicht kleiner werden zu lassen. Peking hält jedoch einen anderen Trumpf in der Hand: Es verfügt über die Rohstoffe – die seltenen Erden –, die zur Produktion von Smartphones, aber auch Halbleitern benötigt werden. Zudem sind die Kobaltminen im Kongo mittlerweile in chinesischer Hand. Xi Jinping könnte sich also mit einem Embargo für seltene Erden und Metalle revanchieren.

Zudem ist längst nicht sicher, ob die Sanktionen zielführend sind oder ob sie nicht das Gegenteil erreichen. Einige Analysten gehen davon aus, dass das Embargo Peking erst recht dazu motivieren könnte, die eigene Chip-Industrie und Forschung auszubauen. (Philipp Mattheis, 27.10.2022)