Bei einer Demonstration in der oberösterreichischen Gemeinde marschierten bekannte Personen der rechten und rechtsextremen Szene mit. Auch fremdenfeindliche Transparente waren zu sehen.

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Martin Plackners Stimme klingt noch mitgenommen. "Ich habe das noch nicht ganz verdaut", sagt der Grünen-Politiker der oberösterreichischen Gemeinde St. Georgen im Attergau. Als er am Nationalfeiertag ans Mikrofon trat, um wie alle anderen Gemeindepolitiker etwas zu den 17 Flüchtlingszelten im Ort darzulegen, "wurde ich niedergebrüllt und niedergetrommelt", sagt er.

Jener Satz, wonach die Situation in St. Georgen nicht mit der Flüchtlingslage von 2015 zu vergleichen sei, habe eine Eskalation ausgelöst. "Das darf man offenbar nicht mehr sagen", meint er. Zahlreiche Pfiffe waren zu hören, dann ging nichts mehr. Er sei unter dem Schutz von zwei Polizisten ins Rathaus begleitet worden.

Die Mehrheit der lärmenden Zuhörenden sei allerdings "nicht aus dem Ort", sondern "Touristen", die "wir hier nicht haben wollen", sagt Plackner und meint damit die rechtsextreme Szene, die die Veranstaltung gekapert habe. Wobei auch in der Gemeinde eine rechte Szene sehr aktiv und gut organisiert sei und eben durch die Identitären und andere Rechtsextreme an diesem Tag Zulauf bekommen habe.

"In falsche Bahnen geraten"

Knapp 1.000 Personen hatten demonstriert. Nach dem Ende der Protestaktion versuchten Identitäre, eine Spontankundgebung zu veranstalten. Diese wurde von der Polizei verhindert, weil sie nicht angemeldet war. Auch wurden während des Aufmarschs fremdenfeindliche Transparente präsentiert: "Remigration jetzt" hieß es etwa oder "Österreich ist kein Campingplatz für illegale Migranten".

Die Informationen zu der Kundgebung seien "in falsche Bahnen geraten", gesteht Bürgermeister Ferdinand Aigner (ÖVP) im Gespräch mit dem STANDARD ein. Die Veranstaltung sei auch in sozialen Medien angekündigt worden. Der Ortschef distanziere sich klar von den Gruppierungen – und habe das auch im Vorfeld getan. So schrieb Aigner in einer Aussendung am Montag, dass man bei der Kundgebung "keinen Extremismus, egal aus welcher Richtung", dulden oder ihm "Gehör verschaffen" werde.

Bürgermeister: "Ort ist nicht so"

Auf die Frage, wieso die Veranstaltung dann trotzdem von Rechtsextremen gekapert werden konnte, entgegnet der Bürgermeister, dass er "auch kein Profi" sei und nicht gewusst habe, wie man "in so einer Lage mit 1.000 Leuten umgeht". Jedenfalls wolle er nicht "in so eine Szene reingerückt werden".

Man habe die Situation "bestmöglich deeskalierend gelöst". Verhindern habe sich das Kommen nicht mehr lassen, sagt Aigner. Der Ortschef habe mit Sicherheitskräften gesprochen, die ihre Zahl daraufhin erhöhten. "Ich habe zudem am Anfang meiner Ansprache nochmals gesagt, dass ich das nicht dulde, dass unser Ort nicht so ist", betont er.

Karner distanziert sich

Auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) geht auf Distanz. "Ich habe großes Verständnis für Sorgen und Ängste der Menschen und der örtlichen Politik", sagt er. "Eines sei jedoch gesagt: Von Rechtsextremen und Rechtsradikalen, von deren Parolen und deren übler Hetze lasse ich mich keinen Millimeter auf dem jetzt notwendigen Weg beeinflussen." Karner ist für die Aufstellung der Zelte letztverantwortlich. In Vorarlberg etwa sorgten diese bisher dafür, dass mehr Flüchtlinge aufgenommen wurden – obwohl die Notquartiere immer noch leer stünden.

Grünen-Gemeindepolitiker Plackner hat den Eindruck, dass St. Georgen zum "Spielball der hohen Politik" geworden ist. "Immer wenn die ÖVP unter Druck kommt, wird im Innenministerium per roten Knopf irgendeine Flüchtlingsgeschichte aktiviert. Das alles ist doch kein Zufall", sagt er. (Muzayen Al-Youssef, Walter Müller, 27.10.2022)