Überschreitet man den Ring, wird es doppelt bis dreimal so teuer: Eigentum im Erstbezug kostet in der Inneren Stadt derzeit durchschnittlich rund 17.500 Euro je Quadratmeter, heißt es im jüngsten Marktbericht von Otto Immobilien. Bei EHL weist man das derzeitige Preisniveau sogar mit 19.500 Euro aus.

Foto: Putschögl

Doch anders als in allen anderen Wiener Bezirken und auch in den allermeisten größeren Städten Österreichs ist die Bevölkerungsentwicklung in der Wiener Innenstadt keine positive, sondern die City schrumpft. Innerhalb von Ring und Kai haben aktuell nur noch rund 15.700 Menschen ihren Hauptwohnsitz, 2005 waren es noch 17.000. Im Jahr 1961 lebten noch doppelt so viele Menschen in der Inneren Stadt.

Der City fehlt der Nachwuchs

Sieht man sich die einschlägigen Statistiken zumindest der letzten paar Jahre genauer an, ist der Grund für den Schrumpfungsprozess klar auszumachen: Der Inneren Stadt fehlt schlicht und ergreifend der Nachwuchs. Oder, mit anderen Worten: Die City vergreist zusehends. Das Durchschnittsalter der Bewohnerinnen und Bewohner liegt bereits bei 47 Jahren, Tendenz steigend. Für ganz Wien liegt es bei 41 Jahren.

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Es gibt also einerseits immer weniger Geburten im ersten Bezirk, andererseits ziehen auch wenige junge Menschen hierher. Kein Wunder bei den exorbitant hohen Eigentumspreisen, möchte man sagen; und auch die Mieten in der City sind die mit Abstand höchsten der Stadt. Wohnungen für Familien sind, falls es sie überhaupt gibt, nicht im Entferntesten noch leistbar. Bei Altbauwohnungen ist der für sie eigentlich geltende Preisdeckel nach dem Richtwertsystem auch keine große Stütze mehr, weil der Richtwert inklusive des erlaubten Lagezuschlags im ersten Bezirk schon Mieten hergibt, die am Markt gar nicht erzielt werden können.

Keine leistbaren Wohnungen

Neue Wohneinheiten kamen zuletzt generell sehr wenige auf den Markt, wie der aktuelle "Wohnungsatlas" von Otto Immobilien zeigt. Seit Herbst 2021 liegt der Gesamtbestand an Eigentumswohnungen im ersten Bezirk stabil bei 4363.

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Deren durchschnittliche Größe beträgt übrigens 104 Quadratmeter, was von der Größe her ja durchaus familientauglich wäre. Doch diese Wohnungen werden immer leerer: Mit 55 Quadratmetern haben die Menschen, die in der City wohnen, im Bezirksvergleich pro Kopf die meiste Wohnfläche zur Verfügung. Oder, anders gesagt: Jede Wohnung wird statistisch betrachtet nur von 1,8 Personen bewohnt. Im Wiener Schnitt sind es 2,03.

Vertane Chancen

Eine echte Chance, für leistbare Familienwohnungen zu sorgen, wäre das Projekt "Kayser" am Franz-Josefs-Kai gewesen. Die Liegenschaft gehörte der Bundesimmobiliengesellschaft. Weil diese aber dazu angehalten ist, für den Finanzminister Rendite zu erwirtschaften, fand hier kein wie auch immer definierter leistbarer Wohnbau statt, sondern BIG-Tochter ARE setzte mit dem gewerblichen Partner JPI auf "Lean Luxury". Sieben der 36 Wohneinheiten waren bei Redaktionsschluss noch zu haben, die günstigste kostet 757.000 Euro und hat 41,61 Quadratmeter, was rund 18.000 Euro pro Quadratmeter ergibt.

Das Wohnprojekt "Kayser" wurde kürzlich fertiggestellt, die Quadratmeterpreise erreichten hier 18.000 Euro.
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Das Projekt richtete sich auch an Anleger. Wie viele Menschen dort deshalb einen Hauptwohnsitz anmelden werden, bleibt abzuwarten.

Die Zahl der Einwohnerinnen und insbesondere auch der Privathaushalte wird in der Inneren Stadt mittelfristig weiter sinken, davon geht man bei der Stadt aus. Die Siedlungsdichte von derzeit 5473 Menschen pro Quadratkilometer wird damit weiter abnehmen. Die meisten Bezirke zwischen Ring und Gürtel weisen weit höhere Dichten auf; Margareten ist beispielsweise mit 26.710 Menschen pro Quadratkilometer der dichtestbesiedelte Bezirk, gefolgt von der Josefstadt mit 22.193. Der Wien-weite Schnitt beträgt 4656.

Natürlich ist hier auch in Betracht zu ziehen, dass die Innenstadt weit mehr ist als ein "normaler" Wohnbezirk. Unzählige Hotels und Bürogebäude befinden sich hier ebenso wie zahlreiche öffentliche Einrichtungen, etwa universitärer Natur.

Aus diesem Grund ist die Innere Stadt beispielsweise für Studierende sehr interessant, wie ein STANDARD-Lokalaugenschein im einzigen Heim im ersten Bezirk zeigt (siehe unten). Immerhin 1,1 Prozent aller Wiener Studierenden – 1323 Menschen – sind auch jetzt schon im ersten Bezirk wohnhaft, jedenfalls laut offizieller Statistik der Stadt. Von allen Wiener Null- bis 14-Jährigen leben nur 0,55 Prozent im Ersten.

Umgestaltung steht bevor

Wie sieht die nahe Zukunft aus? Die nachhaltige Umgestaltung der City wird das große Thema der nächsten Jahre. Autos raus, Natur rein, muss das Motto sein. Stadtplanerinnen wie Helga Fassbinder predigen das seit Jahren. Immerhin gibt es nun detaillierte Pläne für eine Verkehrsberuhigung; die Einfahrtsmöglichkeiten in die City sollen von 34 auf 26 reduziert werden. Wer für mehr als eine halbe Stunde hineinfährt, muss eine Parkgarage ansteuern, sonst wird gestraft.

Weil es sich eben um das Zentrum handelt, sind Diskussionen über Neugestaltungen von Plätzen oder Straßenzügen in der City aber immer sehr schwierig. Und das wird wohl auch so bleiben. (Martin Putschögl)

Cecilia Capri: "Im ersten braucht es keine Autos"
Die 31-jährige Designerin und Unternehmerin bleibt beim Wohnen seit Jahren der Wiener Innenstadt treu.
Cecilia Capri wohnt dort, wo andere Urlaubsfotos machen – inmitten des ersten Bezirks. Mit uns ging sie spazieren.
Foto: Heribert Corn

"Die Touristen kriegt man irgendwann gar nicht mehr mit", sagt Cecilia Capri während eines Spaziergangs durch den ersten Bezirk. "Das ist einfach mein Grätzel." Die 31-Jährige ist beruflich mehrgleisig unterwegs – sie ist unter anderem Designerin und Gründerin des Labels We Are Flowergirls -, beim Wohnen bleibt sie aber seit Jahren der Inneren Stadt treu.Ein Grund: Es ist der zentralste aller Bezirke – besonders mit dem richtigen Transportmittel.Zum Grätzelrundgang mit dem Standard kommt Capri mit ihrem "Erster-Bezirk-Flitzer", einem Fahrrad der Marke Pelago, Model Capri, was natürlich kein Zufall ist. Was mit dem Wohnen im teuersten Bezirk außerdem einhergeht: Neue Hotels, hippe Bars und feine Lokale eröffnen meist gleich ums Eck. Capri ist gern inmitten des Geschehens.

Manchmal fühle man sich hier wie im Paris der 1920er-Jahre, sagt die Unternehmerin und deutet auf alte Hausfassaden in der Weihburggasse. Kurz hat es während des ersten Corona-Lockdowns so ausgesehen, als würde die Zeit im Ersten zu Ende gehen: Capri und ihr Mann suchten eine neue Wohnung, aber die Preise waren zu hoch. Doch sie hatten Glück und wurden über Freunde, die für ihre Wohnung Mieter suchten, fündig. "Das sagen wir auch immer gleich dazu, wenn jemand sagt: Wow, ihr wohnt im Ersten?"

Die Wohnqualität sei hoch, mit Volksgarten und Burggarten gebe es viel mehr Erholungsflächen, als die meisten Menschen glauben. Nur beim Radfahren gibt es Hürden – und es ist nicht primär das Kopfsteinpflaster, über das die Rollkoffer der Touristen hier vielerorts knattern.

Fotos: Heribert Corn

Capri erledigt alle Alltagswege mit dem Rad. Sie wünscht sich eine bessere Radinfrastruktur und weniger Pkws, "im Ersten braucht es gar keine Autos". Noch etwas fällt Capri auf: Nicht alle teuren Wohnungen scheinen bewohnt zu sein. Das merke man beim Einkauf bei Hofer – ja, es gibt im ersten Bezirk eine Filiale des Diskonters -, wo hauptsächlich Menschen aus Büros oder Alteingesessene, aber nur wenige Familien einkaufen würden.

Noch ein anderer Leerstand stört Capri, nämlich jener von Geschäftslokalen. Hier brauche es mehr Förderungen: "Mit 20.000 Euro Miete kommt kein frischer Wind in die Erdgeschoße." Mit ihrem Label ist Capri auf der Suche nach einer leistbaren Fläche in der Gegend.Eines passiert im ersten Bezirk allen: Sie verlaufen sich in den engen Gassen. Zweimal wird Capri auf dem Spaziergang von Touristen angesprochen, die Orientierung brauchen. "Ich stehe immer noch dauernd in irgendeiner Straße, in der ich noch nie war", sagt Capri. Und im ersten Bezirk klingt das wie ein Versprechen. (Franziska Zoidl)

Studierende im ersten Bezirk: "Zum Baumarkt muss man weit fahren."
Alessandro, Andreas, Fira und Adrian wohnen im einzigen Studentenheim in der Wiener Innenstadt, dem ÖJAB-Haus in der Johannesgasse.
Alessandro, Andreas, Fira und Adrian (v.l.) wohnen im Studierendenwohnheim in der Johannesgasse und brauchen nur wenige Minuten zur Uni – ein unschlagbares Argument für Wohnen im Zentrum.
Fotos: Heribert Corn

Wohnen im ersten Bezirk? Davon können die meisten Studierenden nur träumen. Anders geht es jenen, die im einzigen Studierendenwohnheim der Inneren Stadt zu Hause sind – dem ÖJAB-Haus in der Johannesgasse. Vier von ihnen sind Fira, Adrian, Andreas und Alessandro. Sie studieren Violine, technische Chemie, katholische Kirchenmusik beziehungsweise Dirigieren.

"Einkaufen lässt es sich super im Billa am Neuen Markt, weil dieser auch am Wochenende geöffnet ist", erzählt Adrian. Wolle man aber zum Baumarkt, müsse man ganz schön weit fahren, fügt er schmunzelnd hinzu. "Versorgungslage gut", sagt er. Allerdings leide der Handy-Empfang in den alten Mauern hie und da. Immerhin ist das Gebäude des Studierendenwohnheims über 300 Jahre alt und war früher ein Kloster der Ursulinen. Das Haus steht unter Denkmalschutz und verfügt etwa über einen aus der Barockzeit stammenden Konzertsaal und schallisolierte Probenräume.

Heute bewohnen es 120 Studentinnen und Studenten, die sich vor allem über die Nähe zur Universität für Musik und zum Konservatorium freuen, die jeweils nur zwei Minuten entfernt sind – aber auch über die Dichte an Restaurants und Bars. "Auch Studierendenlokale gibt es im ersten Bezirk, und das Praktische ist, dass ich danach immer gleich wieder daheim bin, während meine Kolleginnen und Kollegen noch mit der U-Bahn nach Hause fahren müssen", sagt Andreas.

"Die Touristinnen und Touristen stören uns nicht, aber sie sorgen für Stau auf den Fußwegen", sagt Fira. Mit der Zeit gewöhne man sich dran.

Die Plätze im Wohnheim sind begehrt, ein Zweibettzimmer kostet ab 420 Euro monatlich, ein Einbettzimmer ab 606 Euro. Auch wenn das Haus hin und wieder "Bonzenwohnheim" genannt wird, wie Adrian erzählt, sind das doch Preise, von denen viele im ersten Bezirk nur träumen können. Wer sich einen Platz sichern will, sollte früh dran sein, heißt es von der ÖJAB.

"Der erste Bezirk ist super angebunden, fast alle U-Bahn-Linien verlaufen in der Nähe, besser angebunden kann man nicht sein", sagt Alessandro und schwärmt: "Und hier ist es einfach sehr, sehr schön." (Bernadette Redl, 4.11.2022)