Im September kam es in Frankreich zu Waldbränden mit enormen Schäden.
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Zunehmende Extremwetterereignisse wie Hitzewellen oder Überflutungen verursachen nicht nur enormes Leid und Schaden für Menschen sowie die Flora und Fauna. Damit einher gehen nicht zuletzt gewaltige wirtschaftliche Schäden. Forscher des Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, haben nun die Kosten der Hitzewellen für die Weltwirtschaft seit den 1990er-Jahren berechnet und kommen auf einen Betrag in Billionenhöhe. Wie die Studie, die im Fachblatt "Science Advances" erschienen ist, zeigt, leiden darunter vor allem die ärmsten Länder, die bislang am wenigsten CO2 emittiert haben und daher viel weniger zur globalen Erwärmung beigetragen hatten, durch die extreme Hitzewellen häufiger werden.

Kombination von Daten erlaubt Bezifferung von Hitzeschäden

Indem die Forscher neue detaillierte Wirtschaftsdaten für Regionen weltweit mit den Durchschnittstemperaturen für Hitzewellen kombinierten, fanden sie heraus, dass hitzeintensive Perioden in den Jahren 1992 bis 2013 tatsächlich statistisch mit Schwankungen des Wirtschaftswachstums zusammenfielen. Die Berechnungen ergaben, dass in dieser Zeitspanne fünf bis 29,3 Billionen Euro an wirtschaftlichem Schaden entstanden sind – bedingt durch die Einflüsse der Hitze auf die menschliche Gesundheit, die Produktivität und die landwirtschaftliche Produktion.

Wie die Forscher betonen, unterstreichen die Ergebnisse die rasche Umsetzung von Maßnahmen und Nutzungen von Technologien, durch die Menschen während der heißesten Tage des Jahres geschützt werden können. Besonders wichtig sei das für die wärmsten und wirtschaftlich verwundbarsten Länder der Welt.

Durch Hitzewellen und ausbleibende Niederschläge kommt es immer häufiger zu Dürren, die massive Ernteausfälle verursachen.
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Nichtstun hat seinen Preis

"Eine Beschleunigung der Anpassungsmaßnahmen in der heißesten Zeit würde unmittelbar wirtschaftliche Vorteile bringen", sagt Erstautor Christopher Callahan, Doktorand in Geografie am Dartmouth College. "Die Höhe der Ausgaben für Anpassungsmaßnahmen sollte nicht nur anhand des Preises dieser Maßnahmen bewertet werden, sondern im Vergleich zu den Kosten des Nichtstuns. Unsere Untersuchung zeigt, dass das Nichtstun einen erheblichen Preis hat."

Laut Koautor Justin Mankin, Professor für Geografie am Dartmouth College, ist die vorliegende Studie eine der ersten, die speziell untersuchen, wie sich Hitzewellen auf die Wirtschaftsleistung auswirken. "Niemand hat bisher einen unabhängigen Fingerabdruck für extreme Hitze und die Intensität der Auswirkungen dieser Hitze auf das Wirtschaftswachstum gezeigt. Die wahren Kosten des Klimawandels sind viel höher, als wir bisher berechnet haben", sagt Mankin.

Anstieg der Kosten zu erwarten

Da es keine Region gab, in der gar keine hitzeabhängigen Schwankungen der Wirtschaftsleistung bemerkbar waren, zeigt die Studie für Mankin auch, "dass kein Ort gut an unser derzeitiges Klima angepasst ist". Überdurchschnittlich sind aber ausgerechnet die ärmsten Länder betroffen: "Die Regionen mit den weltweit niedrigsten Einkommen sind diejenigen, die am meisten unter diesen extremen Hitzeereignissen leiden. Da der Klimawandel das Ausmaß der extremen Hitze erhöht, ist zu erwarten, dass diese Kosten weiter ansteigen werden."

Für Callahan sind Hitzewellen eine der direktesten und greifbarsten Auswirkungen des Klimawandels, weil Menschen sie unmittelbar spüren, "dennoch wurden sie nicht vollständig in unsere Bewertungen der Kosten, die der Klimawandel verursacht hat und in Zukunft verursachen wird, einbezogen".

Globale Ungerechtigkeit bei Klimafolgen

Die Studie wirft auch Fragen zur globalen Gerechtigkeit auf, indem sie beziffert, wie ungleich die wirtschaftlichen Schäden durch den Klimawandel schon jetzt regional verteilt sind. So ergaben die Berechnungen der Forscher, dass die wirtschaftlichen Verluste aufgrund extremer Hitzeereignisse in den wohlhabendsten Regionen der Welt in den Jahren 1992 bis 2013 durchschnittlich 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf betragen, während einkommensschwache Regionen einen Verlust von 6,7 Prozent des BIP pro Kopf hinnehmen mussten.

Des Weiteren offenbarte sich eine weitere Ungerechtigkeit: Während den ärmsten Ländern schon jetzt überdurchschnittlicher wirtschaftlicher Schaden durch Hitzewellen entstanden ist, könnten wohlhabende Regionen in Europa und Nordamerika, die zu den größten CO2-Emittenten zählen, teilweise womöglich sogar von wärmeren Tagen wirtschaftlich profitieren.

"Wir haben eine Situation, in der die Menschen, die die globale Erwärmung und Veränderungen bei extremer Hitze verursachen, mehr Ressourcen haben, um diesen Veränderungen standzuhalten – und in einigen seltenen Fällen könnten sie davon profitieren", sagte Mankin. "Es handelt sich um einen massiven internationalen Wohlstandstransfer von den ärmsten Ländern der Welt zu den reichsten Ländern der Welt durch den Klimawandel – und dieser Transfer muss rückgängig gemacht werden." (trat, 1.11.2022)