Das Eckhaus in der Radetzkystraße 24-26 in Wien-Landstraße wurde heuer nach langem gerichtlichem Hin und Her abgerissen – das Dach wurde bereits 2018 abgetragen.

Foto: Putschögl

Wird vor einem alten Haus auch nur ein Bauzaun aufgestellt, sorgt das in vielen Wiener Grätzeln schon für Aufregung. Die Angst davor, dass wieder ein altes Haus dem Abbruchbagger weichen muss, ist groß.

Für besonders viel Unverständnis sorgte heuer der endgültige Abbruch eines Hauses in der Radetzkystraße 24-26, über den seit Jahren gestritten wurde. Als im Sommer 2018 mit dem Abbruch des neogotischen Eckhauses begonnen wurde, lebten hier noch Mieterinnen und Mieter. Das Haus beschäftigte seither sogar den OGH.

Auch das Weichen eines Biedermeierhauses in der Kaiserstraße 31 in Wien-Neubau, das einem Orden gehört, erhitzte die Gemüter über das Grätzel hinaus. Dabei will die Stadt alte Häuser mit Baujahr vor 1945 seit einer Gesetzesänderung vor vier Jahren eigentlich besser schützen. Abgerissen wird aber weiterhin. Heute muss die MA 19 bestätigen, dass kein öffentliches Interesse am Erhalt eines Hauses besteht. Tut sie das nicht, kann ein Baubewilligungsverfahren bei der MA 37 eingeleitet werden, das auf Abbruch gerichtet ist. Bei einem negativen Bescheid kann man sich von dort über Verwaltungsgericht und Verwaltungsgerichtshof durch alle Instanzen arbeiten.

Überraschungen in beide Richtungen

Der Wiener Rechtsanwalt Markus Busta von der Kanzlei HSP.law hat Judikatur zu den Abrissen der letzten vier Jahre analysiert. Sein Resümee zu den bisherigen gerichtlichen Entscheidungen: "Uneinheitlich." In manchen Fällen sei beim Schutz eines Hauses weit über das Ziel hinausgeschossen worden, in anderen völlig überraschend ein Abbruch erlaubt worden. Unklar sei dabei, ob es mehr darum gehe, das gründerzeitliche Aussehen zu schützen – oder nur darum, vor 1945 errichtete Gebäude zu bewahren, auch wenn sie mit ihrem damaligen Aussehen nicht mehr viel gemeinsam haben. "Der Trend geht zu Zweiterem", sagt Busta.

Teilweise sind die anstelle der alten Häuser geplanten Häuser bereits rechtmäßig bewilligt, sagt Busta – und zwar ebenfalls nach Beurteilung der MA 19, die zuvor öffentliches Interesse am Erhalt des Bestandsgebäudes festgestellt hat. Eine häufige Forderung von Fachleuten, so Busta, sei daher eine Gesamtbeurteilung eines Projekts, in die der Plan für das neue Projekt bereits einbezogen wird.

"Kriterienkatalog wäre nötig"

Auch sonst sieht Busta Verbesserungspotenzial. Immerhin plant die Stadt gerade eine Novelle der Bauordnung für das kommende Jahr, im Kürze soll dazu auch eine Enquete stattfinden. Gut wäre laut Busta ein Kriterienkatalog, der gemeinsam mit Architekten und Ziviltechnikern erstellt wird und anhand dessen man "ein bisschen vorhersehen kann", in welche Richtung die Abbruchsentscheidung gehen könnte.

Ein Dauerbrenner ist im öffentlichen Diskurs auch die wirtschaftliche Abbruchreife, mit der von Hausbesitzern häufig als letzter Ausweg argumentiert wird. Dabei wird der nötige Kosteneinsatz, um das Haus in einen guten, vermietbaren Zustand zu bekommen, dem möglichen Ertrag gegenübergestellt. Wenn die Kosten für die Sanierung höher sind als der mögliche Ertrag, lautet das Urteil: wirtschaftliche Abbruchreife.

Novelle der Bauordnung im nächsten Jahr

Häufig wird kritisiert, dass die Gutachter, die diese wirtschaftliche Abbruchreife bescheinigen, von den Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern bezahlt werden. Diese Ziviltechnikerinnen und Ziviltechniker hätten aber strenge Standesregeln, betont Busta. Viele würden zudem erst eine Grobevaluierung machen und in der wohl überwiegenden Mehrheit der Fälle gleich am Anfang sagen, dass eine wirtschaftliche Abbruchreife sicher nicht gegeben sei. "Eingereicht werden ja nur die Gutachten, wo eine wirtschaftliche Abbruchreife herausgekommen ist."

Die Wiener Grünen haben schon im Sommer gefordert, die wirtschaftliche Abbruchreife mit der nächsten Bauordnungsnovelle ganz abzuschaffen. Verfassungsjuristisch ist ein solcher Eingriff in die Freiheit des Eigentums aber laut Busta schwierig. (Franziska Zoidl, 7.11.2022)