Die vier Leftovers lassen es auf Krach, ja was, ordentlich krachen.

Foto: Kasper Hiroshi Langeder

Horch zu! Dieser Artikel!! Muss mit Rufzeichen geschrieben werden!!! Die Sache! Um die es heute geht!! Ist nämlich sehr laut!!! Was?! Ich verstehe dich nicht! Gott verdamme mich!! Es ist zu LAUT!!!

Das junge heimische Quartett Leftovers wird gerade von der bezüglich eines eventuell neuen Wiener Hypes habt acht stehenden deutschen Musikpresse hymnisch gelobt. Der Schmäh! Der Falco! Das Raunzen! Die Wurschtigkeit! Die gute alte Wiener Gemütlichkeit! Aber auch: Geh scheißn, Deppata!

Und auch in der hiesigen Heimat finden erste Medien das frisch vorliegende Debütalbum Krach nicht ganz oasch. So sagt man bei uns, wenn man etwas sehr stark loben will. Immerhin hauen die vier Leute aus der Generation Zwidemu auf dem programmatisch betitelten Album Krach auf den Putz, bis er bröckelt. Bitte, was ist Zwidemu?! Wenn du nicht weißt, was das ist, hast du hier seit mindestens 30 Jahren nichts mehr zu suchen. Haue dich über die Häuser, Opi!

Die vier Leftovers machen im Wesentlichen harte, deutschsprachig brüllende Punkrockmusik mit der Betonung auf Rock, wie sie zuletzt Anfang der 1990er-Jahre etwa von Nirvana (auf Englisch!) für In Utero etwas langsamer und lebensmüder produziert wurde. Aus dem übersäuert klingenden alten Album, das man daheim aus dem Plattenschrank vom Vater gefladert hat, destilliert man die Zwiderheit von Kurt Cobain zu reinem Gift, das dieser wiederum als Rohstoff beim Hardcore-Punk der Altvorderen der 1980er-Jahre bezog.

Leftovers

Denken wir beim Song Blumen an Henry Rollins, das Brülltier vom damaligen zentralen dunklen Stern Black Flag, wenn dieser der Mama von Kurt bei einem Anstandsbesuch daheim im Gemeindebau den Hof gemacht hätte. Er kauft ihr als Mitbringsel "Blumen für deinen Scheißbalkon". Das ist natürlich nicht sehr charmant. Aber mit einer im Hintergrund wütenden Gitarre, die klingt wie ein neonfarbener Heulschlauch aus den 1970er-Jahren, während Das Tier aus der Muppets Show am Schlagzeug nachschaut, wie lange ein Trommelfell hält, muss man sich mit Höflichkeiten auch nicht lange aufhalten.

Die laffen Beatles-Melodien von Nirvana lassen die Leftovers lieber weg. Sie kosten nur Zeit und würden dauerndes Umgreifen auf dem Stromruder bedeuten. Raus jetzt endlich mit dem blöden Grünzeug auf den Balkon. Und die Angebetete bringt zum Dank flott ein Dosenbier. Die Schuhe ausziehen im Vorzimmer hat Leftovers-Sänger Leonid übrigens nicht vergessen. Leonid zieht keine Schuhe aus. Punkt. Ach, einmal noch jung sein!

Leftovers

Obwohl man im Unterricht natürlich nie aufgepasst und nur auf die Rauchpausen zwischen den Stunden gewartet hat, bricht bei so viel zünftigem Rüpeltum, so wie etwa im Sprechstück Käfer, kurz einmal der Gymnasiast aus der Lederjacke aus, um sich mit Franz Kafkas berühmtem Insektenmann Gregor zu beschäftigen. Das bedeutet aber nicht, dass auf den anderen Stücken dieses sich auf den wesentlichen Effekt des Draufhauens und Schlussmachens konzentrierenden Albums weniger einschlägiger Weltekel, Verdruss, Zorn, Verachtung und das ganze Rüstzeug zum Einsatz kommen würde, das man braucht, wenn man angewidert den Mundwinkel nach oben ziehen möchte. Wiener Schule, Es hört nicht auf, Kinderzimmer, alles Sternstunden der schlechten Laune – und in your face im Studio abgemischt.

Leftovers

Dieses Album kracht. Auch Menschen, die ihren Tinnitus bereits hinter sich haben, können sich über die Leftovers freuen. Trotz des Verlusts der mittleren Frequenzen kann man heimische Rockmusik jetzt endlich wieder hören und verstehen. He, es ist LAUT!!!

Ein paar Riffs auf der Gitarre könnten allerdings ein bisschen frischer und nicht ganz so abgelebt wirken. Aber der Bandname muss ja schließlich auch einen Sinn ergeben. Alter Wein in neuen Schläuchen. Die Jugend hat immer recht. Für die Jugend ist alles neu. Es lebe das 16er-Blech! Vor allem klingt es super, wenn man eine leere Bierdose dann zusammenquetscht und vom Balkon hinunterwirft. Ist ja gut, ihr da unten! Was regt ihr euch auf. Hättet ihr halt etwas gelernt. (Christian Schachinger, 31.10.2022)