Arbeitsminister Kocher und Klimaschutzministerin Gewessler.

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Es sind gleich zwei gewichtige Argumente, die für einen raschen Ausstieg aus Gasheizungen sprechen: Klimaschutz und Versorgungssicherheit. Rund zehn Prozent der österreichischen Emissionen gehen auf Gebäude zurück; Haushalte verbrauchen zudem ein Viertel des verfügbaren Gases. Expertinnen und Experten fordern daher seit Monaten eine rasche Umsetzung des sogenannten Erneuerbaren-Wärme-Gesetzes (EWG).

Die Regierung hatte einen ersten Entwurf des Vorhabens, das Gas- und Ölheizungen verbieten soll, im Sommer in Begutachtung geschickt. Jetzt ist die Koalition offenbar einen Schritt weiter: Wie Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) am Mittwoch ankündigten, wird das Gesetz demnächst zur Beschlussfassung ans Parlament übermittelt.

Keine Änderungen

Änderungen zum ursprünglichen Entwurf, der im Sommer in Begutachtung ging, gibt es trotz zahlreicher Kritik nicht, heißt es auf Anfrage des STANDARD aus dem Klimaministerium. Umweltorganisationen hatten etwa bemängelt, dass das Gesetz Thermen, die mit "erneuerbarem Gas" betrieben werden, weiter erlaubt.

Dieses "Hintertürchen" für Biogas wollten die Grünen eigentlich wegverhandeln, endgültig entschieden ist aber freilich noch nichts: Im Parlament wird die Regierung zumindest Teile der Opposition von ihrem Vorhaben überzeugen müssen. Da mit dem Gesetz auch die Verfassung geändert wird, ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig.

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Keine neuen Gasheizungen

Konkret sollen laut dem Entwurf ab 2023 keine Heizungen auf Basis fossiler Energieträger mehr in Neubauten installiert werden dürfen. Das gilt sowohl für Gas-, Öl- als auch für Kohleheizungen. Ausnahmen gibt es für bereits bewilligte und fertig geplante Bauprojekte. Ab 2023 dürfen Haushalte kaputte Öl- und Kohleheizungen zudem nur noch durch klimafreundliche Heizsysteme ersetzen.

In einem nächsten Schritt sollen ab 2025 Kohle- und Ölheizungen schrittweise stillgelegt werden. Betroffen sind zunächst alle Ölheizungen, die vor 1980 errichtet wurden. Ab 2035 soll es in Österreich dann überhaupt keine privaten Kohle- und Ölheizungen mehr geben. Für Gasheizungen gilt eine längere Ausstiegsfrist bis 2040. Eigentümerinnen und Eigentümern von einzelnen Wohnungen soll der Anschluss an ein klimafreundliches zentrales Wärmeversorgungssystem ermöglicht werden.

Das alles werde viel Geld kosten, gestand Gewessler bei der Pressekonferenz am Mittwoch ein. Die Regierung habe daher eine umfassende Förderinitiative mit einem Volumen von insgesamt zwei Milliarden Euro bis 2026 auf den Weg gebracht. Wer sich entscheidet, seine Gasheizung zu tauschen, erhält 9.500 Euro. Bei Ölheizungen fällt der Betrag mit 7.500 Euro etwas niedriger aus.

Diesen "Raus-aus-Gas-Bonus" begründet Gewessler mit der Versorgungssicherheit. Das Problem sei im Fall von Gas schlichtweg größer als bei anderen fossilen Energieträgern. Eine Sonderförderung soll es zudem für Menschen mit niedrigem Einkommen geben. Hier will die Regierung 100 Prozent der Kosten übernehmen. Für den mehrgeschoßigen Wohnbau gibt es eigene Förderschienen.

Voranmeldung für Energiekostenzuschuss startet

Laut Wirtschaftsminister Kocher können sich Unternehmen indes ab Montag, 7. November, für den Energiekostenzuschuss voranmelden. Insgesamt stehen für die Unterstützungsmaßnahme, die bereits im Sommer im Ministerrat beschlossen wurde, 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung.

Antragsberechtigt sind Betriebe, deren Energiekosten mindestens drei Prozent ihres Umsatzes betragen. Für Unternehmen, die weniger als 700.000 Euro Jahresumsatz machen, gilt diese Dreiprozenthürde nicht. Je nach Förderstufe soll der Zuschuss, der für den Zeitraum von 1. Februar 2022 bis 30. September 2022 ausbezahlt wird, zwischen 2.000 und 50 Millionen Euro ausmachen.

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Die Förderrichtlinien liegen derzeit bei der EU-Kommission und müssen dort "notifiziert" werden. Diese Genehmigung durch die Behörde erwartet Kocher in den nächsten Tagen. Formale Anträge sind nach Anmeldung voraussichtlich ab 22. November möglich. Ob sich dieser enge Zeitplan einhalten lässt, bleib abzuwarten. Im September hatte Kocher angekündigt, dass Unternehmen "voraussichtlich ab Mitte Oktober" Anträge stellen können.

Mit dem Strompreiskosten-Ausgleichsgesetz will die Regierung zudem Unternehmen unterstützen, die viel Geld für CO2-Zertifikate aufwenden müssen. Sie sollen um bis zu 75 Prozent dieser indirekten CO2-Kosten des Jahres 2022 entlastet werden.

Industrie will mehr

Die Rufe der Wirtschaftskammer (WKÖ) nach staatlichen Hilfen waren in den vergangenen Wochen und Monaten immer lauter geworden. Die Beihilfe sei ein "wichtiger erster Schritt", jedoch "eindeutig zu gering und überdies nur mit der Erfüllung einer Reihe von bürokratischen Anforderungen zu erlangen", sagt WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf.

Auch für Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, sind die veranschlagten 1,3 Milliarden Euro nicht genug. Es brauche eine Aufstockung auf 2,5 Milliarden Euro, "um nachhaltigen Schaden" vom Industriestandort abzuwenden und Arbeitslosigkeit in Österreich zu vermeiden.

Wifo kritisierte Hilfen

Kritik an den Energiehilfen übte zuletzt auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Die Stoßrichtung war allerdings eine andere: Die Maßnahme sei zu wenig zielgerichtet und aus ökologischer Sicht zweifelhaft. Unternehmen müssen demnach weder Gewinne aus der Vergangenheit noch Verluste durch höhere Energiepreise nachweisen. So bestehe die Gefahr, dass auch "nicht solide" Unternehmen gefördert werden.

Kocher hält sich jedenfalls offen, die Beihilfen auszuweiten – vor allem im Hinblick auf einen fairen, europäischen Wettbewerb. "Wir können die Zuschüsse anpassen, wenn andere Länder neue Maßnahmen beschließen", sagt der Wirtschaftsminister. (Jakob Pflügl, 2.11.2022)