Udo Weinberger ist Hausverwalter und ein alter Hase in der österreichischen Immobilienbranche. Von 2005 bis 2014 war er Präsident des Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI), seither ist er dessen Verwaltersprecher. Als solcher organisiert er seit einigen Jahren alljährlich den Verwaltertag, der kommende Woche wieder in Salzburg stattfindet. Mit der jüngsten Novelle des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) und dem gerade in der finalen Phase befindlichen Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG) wird es dort genug zu besprechen geben.

Udo Weinberger in seinem Büro im 9. Bezirk in Wien: "Das Umweltziel ist klar, es fehlen noch die technischen Möglichkeiten für sämtliche Anforderungen – am meisten braucht es aber klare zivilrechtliche Regelungen, die sich nicht nur auf die Frage, wer welche Kosten trägt, beschränken darf."
Foto: Putschögl

Auch im Gespräch mit dem STANDARD sind die beiden Gesetzesvorhaben wichtige Themen. Weinberger lädt dafür in sein Büro hinter der Wiener Votivkirche. Es befindet sich genau in jenem Altbau, in dem er schon als Kind gelebt hatte. In seinem einstigen Kinderzimmer steht jetzt sein Schreibtisch.

STANDARD: Herr Weinberger, ich habe in Vorbereitung des Interviews mit einigen Leuten in meiner Umgebung gesprochen und sie gefragt, ob sie mit ihrer Hausverwaltung zufrieden sind. Die Antworten lassen sich ganz gut mit "eher Nein" zusammenfassen. Woran liegt das?

Weinberger: Der Verwalter ist meist der Bote schlechter Nachrichten. Alles wird teurer; er muss oft Konzepte erstellen, die in der Umsetzung dann dem Kunden zu lange dauern. Kaum jemand nimmt mit der Verwaltung Kontakt auf, wenn alles gut ist. Aber genau dafür sind wir ja auch da.

Ich glaube aber auch nicht, dass Ihr Ergebnis ganz repräsentativ ist. Manche Verwalter lassen die Kundenzufriedenheit regelmäßig messen, da kommen meist gar nicht so schlechte Ergebnisse heraus. Wir sehen bei uns im Haus zum Beispiel auch, dass es durchaus eine Abstufung bei der Zufriedenheit gibt: Am höchsten ist sie bei den Zinshauseigentümern, dann kommen die Wohnungseigentümer, am Schluss die Mieter. Warum ist das so? Nun, der Zinshauseigentümer kann sich natürlich bei mangelnder Zufriedenheit am leichtesten einen anderen Verwalter suchen. Der Wohnungseigentümer ist dabei an die Entscheidung anderer gebunden. Und beim Mieter ist das natürlich noch schlimmer. Wenn der auch nur einen Kinderwagen wo hinstellen will, wo es zum Beispiel aus feuerpolizeilichen Gründen einfach nicht geht, dann ist der Verwalter eben der Überbringer dieser Nachricht, und das kommt nicht so gut an.

STANDARD: Wie geht’s Ihrer Branche eigentlich derzeit? Dauernd wird über den steigenden Kostendruck gejammert. Dabei sollte man ja annehmen, einer stetig wachsenden Branche geht es grundsätzlich nicht schlecht. Die Wohngebäude werden immer zahlreicher, der "Kuchen" wird also immer größer. Ist das so?

Weinberger: Stetiges Wachstum: Ja, das stimmt. Der Kuchen muss aber in einzelnen Stücken betrachtet werden: Es gibt sicher Unternehmen, die sehr starkes Wachstum haben, weil sie sich genau auf das wachsende Segment, Wohnungseigentum im Neubau, spezialisieren. Ansonsten haben wir hier noch die Vorsorgeimmobilien. Was den Altbau betrifft: Dieses Segment ist nicht wachsend, im Gegenteil, das wird traditionell eher weniger: Die privaten Eigentümer werden seit vielen Jahren weniger, werden zunehmend von größeren Strukturen aufgekauft oder die Immobilie an sich wird in Wohnungseigentum zerlegt.

Grundsätzlich wird der Kuchen also schon immer größer, aber die Anforderungen der Kunden an uns steigen. Das Jammern über den Kostendruck ist also auch deshalb da, weil die Anforderungen wachsen, und weil die Fachkräfte nicht breit gesät sind. Der Ausbildung für unsere Branche widmen wir uns im ÖVI schon seit vielen Jahren, dem Mangel an Fachkräften entgegen zu wirken wird sicher das Thema der Zukunft.

STANDARD: Wieviele Fachkräfte werden in Ihrer Branche gerade gesucht?

Weinberger: Überblick habe ich dazu konkret keinen, aber jeder Kollege, mit dem ich spreche, ist auf der Suche nach Fachkräften. Kaum jemand ist ausreichend gut besetzt.

STANDARD: Gibt es da einen Unterschied zwischen jenen, die sich auf Altbauten spezialisiert haben, und jenen, die im Neubau tätig sind?

Weinberger: Nein, denn die meisten Hausverwaltungen betreuen sowohl Alt- als auch Neubauten. Die Arbeit im Altbau wird auch deshalb nicht weniger, weil die Anforderungen dort gerade enorm steigen, etwa wenn man an die nötige Dekarbonisierung denkt. Das ist im Neubau, wo meist schon ein dekarbonisiertes oder zumindest zentrales Heizsystem Voraussetzung für die Errichtung ist, anders.

STANDARD: Man hört oft, dass es am besten ist, wenn der Hausverwalter schon bei der Planung eines Wohnhauses mit am Tisch sitzt. Aber wie oft kommt das wirklich vor?

Weinberger: Also ich mache sehr wenig Neubau, aber die Bauträger, die uns gefragt haben, bei denen war es schon Bedingung, dass man sich bei der Planung einbringt. Das wurde erwartet. Hier ist der Verwalter in spe eher nur Gast am Tisch, kann aber im Vorfeld schon einiges einbringen und potenzielle Streitigkeiten verhindern, etwa was die Dokumentation des Bauprozesses betrifft. Oder bei der Erstellung des Wohnungseigentumsvertrags darauf achten, dass er gut und verständlich und auch verwaltbar ist.

STANDARD: Würden Sie sagen, es ist ein Qualitätskriterium für ein Wohnprojekt, wenn die Hausverwaltung schon möglichst früh an Bord ist? Oder anders gefragt: Soll man als potenzieller Käufer, potenzielle Käuferin, wenn man an einem Wohnprojekt interessiert ist, auch in dieser Richtung Informationen einholen?

Weinberger: Ich würde auf alle Fälle ein bisschen an der Oberfläche kratzen: Wie sind die zukünftigen Betriebskosten an sich kalkuliert, wie hat der Prozess zur Entscheidung über die Hausverwaltung ausgesehen, wie ist der Verwaltervertrag konzipiert? Das kann man sich sicher anschauen. Es ist aber sicher kein KO-Kriterium.

Neue Mindestrücklage: "Wir denken immer an den Weg, nicht an das Ziel"
Mit der neuen Mindestrücklage von 90 Cent, die mit der jüngsten WEG-Novelle umgesetzt wurde, ist der Verwaltersprecher des ÖVI nur bedingt zufrieden. "Unsere Idee wäre gewesen, sie an die Gebäudequalität zu koppeln."
Foto: Putschögl

STANDARD: Nun zu einem Aspekt der jüngsten WEG-Novelle: Mit ihr wurde eine Pflichtrücklage von 90 Cent je Quadratmeter und Monat eingeführt. Dazu habe ich nun schon von Verwaltern gehört, sie finden das sehr gut, denn sie sind jetzt nicht mehr die Bösen, die die hohe Rücklage den Leuten erklären müssen. Wie sehen Sie das?

Weinberger: Ich sehe das genauso. An dem Gesetz zeigt sich aber sehr schön, wie eine an sich vernünftige Regelung, nämlich die alte, wo es keinen fixen Betrag gab, am Markt nicht so ganz funktioniert hat. Davor hieß es ja nur: "Der Verwalter ist verpflichtet, zu sagen, das und jenes muss gemacht werden, und diesen Geldbetrag brauchen wir dafür." Eine einfache Excel-Liste. Der Verwalter ist der Sachverständige. Das ist ja auch unser Job. Auf der anderen Seite gibt der Gesetzgeber den Eigentümern jetzt viel stärker die Möglichkeit, Maßnahmen selbst zu beschließen. Und damit beginnt die Diskussion. Also wenn man will, dass der Verwalter hier seine Expertise vorgibt, dann müsste er, wenn er die Verantwortung hat, eigentlich viel mehr Möglichkeiten haben, als Geschäftsführer zu fungieren. Man müsste sagen: "Verwalter, triff eine Entscheidung, und sei auch dafür verantwortlich." Jetzt heißt es: "Okay, triff eine Entscheidung, aber wenn sie uns nicht gefällt, dann stimmen wir drüber. Und wenn du stur bleibst, suchen wir uns einen anderen Verwalter."

STANDARD: Aber die Mindestrücklage lässt sich ja nicht durch Beschluss verringern …?

Weinberger: Naja, auch die hat ein Exit-Szenario, nämlich dann, wenn gerade "durchgreifende Sanierungen" stattgefunden haben. Aber natürlich: Aus Sicht der Eigentümer ist das vielleicht auch ein Fenstertausch oder eine Fassadensanierung. Intendiert war die Mindestrücklage aber eigentlich dafür, die Geldmittel für den Ausstieg aus CO2 bereitzustellen, der ja notwendig ist. Darüber hat keiner gesprochen.

STANDARD: Da hätte man also nachschärfen müssen?

Weinberger: Ja, da hätte man nachschärfen müssen. Unsere Idee wäre ja überhaupt gewesen, die Mindestrücklage an die Gebäudequalität zu koppeln. Wir denken immer an den Weg, aber nicht an das Ziel. Also beispielsweise: Zeigt der Energieausweis Grün, dann liegt die Entscheidung über die Rücklage ganz bei den Eigentümern, ohne Mindestrücklage. Bei Gelb bis Orange sind es 90 Cent, bei Rot 1,50 bis 1,80 Euro. Das wäre mal gut gewesen, ein anderes Denken. Das hätte motiviert. Wenn die Eigentümer gesagt hätten: "Das ist uns zu viel", dann hätte der Verwalter sagen können: "Dann müssen wir schauen, dass wir aus Rot rauskommen."

STANDARD: Heißt das, es gibt jetzt zahlreiche Beschwerden von Eigentümern über Hausverwaltungen, die nun 90 Cent oder mehr einheben?

Weinberger: Ich glaube nicht, dass alle Verwalter jetzt auf 90 Cent anheben mussten. Wir selbst haben bei etwa einem Drittel der von uns verwalteten Häuser angehoben, beim Rest lagen wir eh schon drüber. Im Grunde ist es ein Dialog. Die Vorausschau, die wir zu senden verpflichtet sind, ist beispielsweise auch ein ideales Instrument, um bei der Eigentümerversammlung über die Zukunft und den Geldbedarf zu reden.

STANDARD: Ist die Vorausschau auch bei neu errichteten Gebäuden immer zu machen?

Weinberger: Ja. Auch hier kann der Verwalter hineinschreiben, dass es sich um einen Neubau handelt und deshalb in naher Zukunft nichts an Investitionen zu erwarten ist, eventuell ist man auch noch unter Gewährleistung. Und auch ein Käufer kann das Protokoll der letzten Versammlung, und die Vorausschau verlangen.

STANDARD: Das sollte man als Käufer ja sowieso immer machen, nicht?

Weinberger: Ja genau. Solche Dinge empfehlen wir den potenziellen Käufern sich anzusehen. Darauf muss man sich schließlich verlassen können. Die Vorausschau ist nicht etwas, wo man sagt, "die Betriebskosten haben sich auf X geändert". Das ist keine Vorausschau. Wenn ich reinschreibe, es ist nichts Größeres zu tun, jemand kauft daraufhin eine Wohnung in diesem Haus, und plötzlich heißt es, es müssen Tausende Euro in die Liftanlage investiert werden – dann habe ich als Verwalter meinen Job nicht richtig gemacht.

Das Konzept des Wohnungseigentumsgesetzes ist es eben, dass für größere Investitionen angespart wird und sie möglichst nicht über Darlehensfinanzierungen oder Einmalzahlungen finanziert werden sollen. Auch darüber kann man diskutieren. Aber das ist eben die Linie, die uns das WEG vorgibt. Davon kommen wir nicht los. Klar, viele Eigentümer sagen halt auch: "Bitte können wir die Finanzierungsfrage dann diskutieren, wenn es so weit ist?"

STANDARD: Eine Mindestrücklage wäre also aus Ihrer Sicht gar nicht nötig gewesen?

Weinberger: Eine bessere Mindestrücklage! Wenn wir heute eine größere thermische Sanierung machen, müssen wir, wenn wir sie über ein Darlehen finanzieren, so in etwa drei bis vier Euro an zusätzlichen Kosten einkalkulieren, pro Monat und Quadratmeter. Das würde ich schon annehmen. Das ist jetzt aber nicht repräsentativ. Und da gibt es Riesen-Unterschiede. Grundsätzlich kann man dann aber sagen: Sparen wir es gleich an, dann haben wir nachher nicht die Finanzierungskosten. Wenn man also im Sinne des WEG von der Vermeidung hoher Einmalzahlungen ausgeht, wäre das auf alle Fälle der richtigere Weg gewesen.

Wir haben in unserem Haus gerade ein sehr komplexes Projekt, wo wir bei sieben Euro Aufpreis liegen, auf 25 Jahre. Da muss man sich dann schon die Frage stellen, ob das noch in irgendeiner Weise verträglich ist.

STANDARD: Das heißt, man zahlt hier 25 Jahre lang um 700 Euro mehr im Monat bei einer 100-m²-Wohnung?

Weinberger: Ja, im Monat. Das ist wirklich ein großes, komplexes Projekt, bei dem auch massive bauliche Mängel beseitigt werden müssen, also wirklich ein Ausreißer. Aber das ist ein Thema, bei dem wir dann auch an den Punkt gelangen und wir uns fragen müssen, ob das für die Eigentümer noch sozial akzeptabel ist. Die Baukosten haben sich in einer Weise entwickelt, die Menschen Angst machen kann. Das macht Stress. Und wir sind da ja quasi "nur" kommunikativ dabei, die technische Seite machen ohnehin andere Fachkräfte. Die Durchmoderation ist aber halt oft die Aufgabe des Verwalters, dabei müssen auch Minderheiten berücksichtigt werden. Es ist ja völlig falsch zu sagen, drei Viertel des Hauses sind dafür, und ein Viertel wird die Wohnung verlieren, weil man sich sein Eigentum nicht mehr leisten kann.

Neue Mehrheitsbeschlüsse: "Da haben wir uns als ÖVI generell die Sinnfrage gestellt"

STANDARD: Damit sind wir schon beim Thema neue Mehrheitsbeschlüsse. Denn beschließen kann das ja nun tatsächlich weniger als die Hälfte der Eigentümer, nämlich zwei Drittel der Anwesenden bei der Eigentümerversammlung, wenn diese Mehrheit ein Drittel aller Eigentumsanteile ausmacht. Und dann müssen alle mitzahlen. Wenn Sie als Hausverwalter jetzt so eine Mehrheit an Eigentümern vorfinden, die bei Ihnen quasi beauftragt, die Sanierung zu planen und durchzuführen, dann sind Sie an diesen Beschluss ja gebunden. Kam so etwas schon vor?

Weinberger: Bei uns konkret nicht, aber bei anderen Kanzleien schon, ja.

STANDARD: Da gibt es dann natürlich extrem böses Blut, oder? Weil viele das ja anders sehen und vielleicht nicht also notwendig erachten und es sich eventuell auch nicht leisten können.

Weinberger: Zum Teil, ja. Wir haben als ÖVI unsere Stellungnahmen dazu abgegeben, ich will da jetzt nicht ewig drüber jammern. Aber wir haben uns dazu generell die Sinnfrage gestellt. Bei diesen großen Entscheidungen, über die wir gerade gesprochen haben – da muss man so lange reden, bis sämtliche Bedenken ausgeräumt sind. Wir haben uns selbst immer das Ziel gesetzt, dass zumindest 70 bis 80 Prozent der Eigentümer dahinterstehen sollten. Wenn das Vorhaben also gerade mal etwas mehr als ein Drittel eines Hauses an Unterstützern findet, dann empfinde ich das nicht als optimal.

Wir können natürlich das Gesetz nicht ändern, klar. Im Rahmen der ordentlichen Verwaltung ist der Verwalter jederzeit berechtigt, Entscheidungen zu treffen – er braucht dafür keinen Beschluss. Es wäre also eigentlich nicht notwendig gewesen, die Mehrheitserfordernisse herunterzusetzen. Ausgangspunkt war ja, dass man die sogenannten Querulanten loswerden wollte, wegen denen es zu keinen Sanierungen zB aus nicht sachlichen Gründen kommt. Einzelne sollten nicht etwas verhindern können. Aber im Rahmen der ordentlichen wie auch der außerordentlichen Verwaltung gabs keine Einstimmigkeitserfordernisse. Wenn das Haus entsprechend groß ist, müssen diese besagten Querulanten ohnedies mitziehen. Ich glaube also, es hätte das nicht unbedingt gebraucht.

Dazu kommt, dass der Gesetzestext Fragen offenlässt. Sind ungültige Stimmen abgegebene Stimmen? Wir meinen: ja. Auch ein durchgestrichener Abstimmungsbogen ist eine abgegebene Stimme. Und die abgegebenen Stimmen sind maßgeblich für die neue Regelung. Es heißt: Zwei Drittel der abgegebenen Stimmen. Wenn man also 34 Prozent hat, die zustimmen, und es äußert sich sonst niemand dazu, ist der Beschluss gültig. Wenn aber 17 Prozent vom gesamten Haus dagegen stimmen oder ungültig abgeben, dann haben insgesamt 51 Prozent der Eigentümer ihre Stimme abgegeben, und dann sind 34 Prozent nicht mehr zwei Drittel der abgegebenen Stimmen. Und dann gibt es keinen Beschluss.

STANDARD: Verwalter müssen hier also nun auch viel mehr erklären, oder?

Weinberger: Ja, und die Eigentümerinnen und Eigentümer müssen lernen, es zu sagen, wenn sie etwas nicht wollen. Früher war eine nicht abgegebene Stimme automatisch ein Nein. Aber heute sollte man es auch artikulieren, wenn man etwas nicht will. Das ist so die Lehre, die man aus der neuen Abstimmungs-Mathematik ziehen könnte.

Und für den Verwalter heißt das natürlich, dass er sehr genau dokumentieren muss, wann welche Stimmen abgegeben wurden. Er muss also sagen: Die Stimme muss bis Freitag, 12 Uhr mittags eingelangt sein. Es braucht unweigerlich eine Frist. Erst danach kann ausgewertet werden. Denn bis zuletzt kann eine Stimme hereinkommen, die das Ergebnis umkippt. Genaue Dokumentation ist hier wichtig. Ob damit aber thermische Sanierungen leichter und besser gehen, weiß ich nicht. Und was ich gar nicht sagen kann ist, ob Banken nun zum Beispiel auch einen Beschluss der Darlehensaufnahme akzeptieren, wenn er nicht von der Mehrheit kommt. Das Thema könnte noch wichtig werden.

Eigentümerversammlungen: "Den Stress der Entscheidung herausnehmen"

STANDARD: Ist auch die Vorbereitung einer Eigentümerversammlung jetzt aufwendiger? Weil es mehr Konsequenzen gibt, wenn man nicht teilnimmt oder nicht abstimmt?

Weinberger: Falls ich in einer Versammlung Beschlüsse fassen möchte, dann muss ich natürlich bereits mit der Tagesordnung ausreichend Informationen gegeben haben, damit die Eigentümer wissen, worum geht’s eigentlich. Steht auf der Tagesordnung nur "Instandhaltung", und dann ziehe ich aber ein fertiges Millionen-Sanierungsprojekt aus der Tasche, werden die Eigentümer, die nicht erschienen sind, eine solche Beschlussfassung wohl kippen können – weil die Informationen nicht ausreichend gegeben wurden. Wenn ich sage: "Es geht um eine Instandhaltung, da geht es auch um eine Sanierung von Gebäudeteilen, es liegt uns ein Konzept in Höhe von zwei Millionen Euro vor" – dann wüssten alle, worüber Beschlüsse gefasst werden könnten.

Wenn ich gesagt habe "Falls ich Beschlüsse fassen möchte", dann deshalb, weil die Eigentümerversammlung besser als Informationsveranstaltung dienen kann, um über Projekte zu sprechen und über sie zu diskutieren. Da kommen dann meist viele neue Punkte und Gedanken auf, die nicht im Vorfeld erfasst wurden, und dann sagt man "Okay, wir ergänzen das Konzept", und dann schicken wir schriftlich alle Informationen. Da muss der Stress der Entscheidung aus der Versammlung herausgenommen werden. Eine sofortige Entscheidung ist nicht jedermanns Sache, man muss den Leuten die Zeit geben, in Ruhe nachzudenken und eine Entscheidung zu fällen.

STANDARD: Reicht in so einem Fall eine physische Versammlung?

Weinberger: Nein, da wird es dann schon mehrere geben müssen. Allein schon weil es, um solche Projekte zu starten, jemanden braucht, der die ganzen Kostenschätzungen macht. Für das Konzept allein fallen schon Kosten an, und hier muss natürlich schon gefragt werden, ob das beauftragt werden soll. Es wird also mehrere Beschlussfassungen brauchen.

STANDARD: In der Pandemie wurden hybride Eigentümerversammlungen ermöglicht. Sind diese eine Erleichterung oder eine Erschwernis Ihrer täglichen Arbeit?

Weinberger: Ich finde sie persönlich sehr gut und glaube, dass sie eine Erleichterung sind. Wenn man dieser fürchterlichen Pandemie etwas Positives abgewinnen kann, dann, dass wir technologisch doch einen Schritt nach vorne gemacht haben. Hybride Eigentümerversammlungen sind aber eine große Herausforderung sowohl technisch als auch kostenmäßig und auch, was das Handling betrifft. Ein paar Erfahrungen, die ich selber und auch Kollegen gemacht haben: Manchmal kommt dann physisch keiner mehr. Manche Kollegen fragen jetzt vorab schon, wer denn physisch kommen wird, denn das sind ja oft auch wieder Kosten für den Raum etc. Manche machen es jetzt so, dass sie einen Haufen Laptops in einen Raum stellen, und wenn wer kommt, sitzt der dann vor einem Laptop im Raum.

STANDARD: Haben Sie selbst auch technologisch dafür aufgerüstet?

Weinberger: Ich hatte erst vor einigen Wochen eine Versammlung mit 25 Personen vor Ort und 25 Personen online. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, wie aufwendig es wirklich ist, alle miteinander kommunizieren zu lassen. Bisher hatten wir einen starken Überhang von Online-Teilnahmen. Aber bei der Hälfte vor Ort und der Hälfte online braucht man eigentlich einen eigenen Mitarbeiter nur für das technische Handling. Vieles muss sich da aber natürlich auch erst einspielen. Es muss ja nicht alles wie eine Liveübertragung vom ORF wirken.

STANDARD: Die hybriden Versammlungen sollten also bleiben?

Weinberger: Ja. Es hätte von unserer Seite den Wunsch gegeben, dass es auch Nur-Online-Versammlungen geben kann, weil es dann in der Abhaltung schon viel einfacher ist. Vor allem bei kleineren Eigentümergemeinschaften, die nicht ganz in der Nähe des Verwalters sind und für die deshalb ein Saal mit ausreichender Medientechnik gebucht werden muss, ist das kostenmäßig eigentlich nicht wirklich abzufangen. In diesem Fall muss man dann sagen: "Entweder ich komme zu euch ins Haus, wir machen das in der Waschküche, also sofern es um keine großen Themen geht, oder wir machen das online." Aber das wird die Praxis zeigen.

Dekarbonisierung: "Wir haben die Anfragen, aber wir haben keine Antworten"

STANDARD: Zum Energiethema: Da wären die Hausverwaltungen ja eigentlich in der Position, um Energiefresser im Haus zu erkennen und zu beseitigen. Allerdings: Worin liegt eigentlich der Anreiz für die Verwalter, sich darum zu kümmern? Die Verwalter zahlen die Energie ja nicht.

Weinberger: Naja, das wäre zu kurzfristig betrachtet. Es gibt ja so etwas wie ein Staatsziel, bis 2040 aus den fossilen Energieträgern auszusteigen.

STANDARD: Manche Verwalter wollen sich aber halt auch einfach nicht unbedingt Arbeit aufhalsen oder Scherereien im Haus aus dem Weg gehen. Wenn niemand im Haus eine Heizungsumstellung vorschlägt, warum sollte ich mir als Verwalter die Arbeit machen?

Weinberger: Das habe ich ehrlich gesagt so noch nie gesehen. Ich kenne es eigentlich nur von der anderen Seite, wo es bei Verwaltern ganze Ordner voll mit Projekten gibt und die Eigentümer sagen: "Ja, schaut cool aus, aber brauchen wir nicht." Alleine wenn ich an den Postkastentausch denke, das hat damals verständlicher Weise unendlich viel an Widerstand unter den Bewohnern ausgelöst. Damals hat man auch versucht, das möglichst einfach, vernünftig und gut organisiert abzuarbeiten. Aber der Widerstand war groß.

Unser Problem ist: Wir haben die Anfragen, auch vonseiten der Hauseigentümer, die was tun wollen, aber wir haben keine Antworten. Was machen wir denn beispielsweise mit dem Strom, den wir am Dach produzieren? Den Lift betreiben? Toll.

STANDARD: Aber gerade den Strom aus der PV-Anlage können die Bewohner nun ja auch in ihren Einheiten verwenden.

Weinberger: Ja, das geht natürlich. Aber da sagen Eigentümer, die vermieten, dann wieder: "Ich produziere günstigen Strom für den Mieter, von dem ich nichts habe."

STANDARD: Der Druck kommt jetzt aber eh aus dem Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG), nicht? Die Umstellung muss ja passieren, in den nächsten 15 Jahren. Und da macht man dann zur Wärmepumpe natürlich am besten auch gleich Photovoltaik dazu.

Weinberger: Ja, um die Pumpe zu betreiben. Aber ich kann diese Wärme aktuell nicht dem Mieter verrechnen. Und es kann ja wohl nicht sein, dass zwei Zinshäuser nebeneinander PV und Wärmepumpen einbauen und sich gegenseitig die Wärme verkaufen. Das ist grotesk und soll auch keine Anleitung sein. Aber es zeigt ja, dass hier einiges noch nicht stimmt im Entwurf für das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz. Oder: Wenn man Fernwärme in ein Zinshaus einleitet, dann gibt es laut Entwurf eine Anschlussverpflichtung für jeden einzelnen Mieter innerhalb von drei Jahren. In Wien legt die Fernwärme aber nur dann eine Leitung, wenn man sofort ab dem ersten Tag 80 Prozent der Einheiten anschließt. Sonst machen sie das Projekt gar nicht. Wir haben da also noch große Herausforderungen. Selbst wenn man sagt, die Politik kann das lösen, die Fernwärme muss also akzeptieren, dass es drei Jahre dauert, dann werden sie trotzdem die Grundkosten verrechnen müssen.

STANDARD: Da gibt’s also noch viele Fragen zu lösen.

Weinberger: Ja, und die Wärmeaufbereitung fällt ja in den eigenen Verantwortungsbereich des Wohnungseigentümers, wenn es keine Gemeinschaftsanlage gibt. Aktuell nach der Rechtslage habe ich da als Hausverwalter nichts damit zu tun, wenn beispielsweise die Therme kaputt ist. Das ist tatsächlich nicht unsere Aufgabe. Dann geht der Wohnungseigentümer aber her und sagt: Ich mach mir eine Wärmepumpe auf dem Balkon. Das läuft gut, er erzählt anderen davon, einige weitere machen das auch. So, und dann heißt es irgendwann: "Wir müssen aus dem Gas raus, machen wir eine zentrale Anlage!" Dann sagen die drei oder vier natürlich: Wir haben doch schon dekarbonisiert, uns betrifft das ja nicht!"

Wir bräuchten da wirklich einmal alle Interessenlagen an einem Tisch vertreten. Das Umweltziel ist klar, es fehlen noch die technischen Möglichkeiten für sämtliche Anforderungen – am meisten braucht es aber klare zivilrechtliche Regelungen, die sich nicht nur auf die Frage, wer welche Kosten trägt, beschränken darf. Die Immo-Wirtschaft hat sich vom ersten Moment an klar zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern bekannt, gleichzeitig aber klare und vollziehbare Regeln von der Politik gefordert. Wir und auch viele Eigentümer würden also gerne, aber uns fehlen derzeit noch sehr viele Antworten.

STANDARD: Wenn mehrere Eigentümer in einer Wohnanlage eine Photovoltaikanlage installieren wollen – wie gehen sie dann am besten vor?

Weinberger: Am besten einmal der Hausverwaltung eine Weisung erteilen und sagen: "Wir hätten gerne ein Konzept für eine PV-Anlage, die soll das und das können."

STANDARD: Kann man das auch als Einzelner machen?

Weinberger: Nein, aber über einen Beschluss der Eigentümerversammlung geht das.

STANDARD: Da gelten also dann schon die neuen Regeln der Beschlussfassung?

Weinberger: Ja. Grundsatz ist immer, wenn 51 Prozent etwas befürworten, ist es immer ein Beschluss. Alternativ gäbe es noch die Möglichkeit, dass die interessierten Wohnungseigentümer sich selbst eine eigene Anlage bauen, da müssen sie sich dann aber um alles selber kümmern. Und man braucht die Zustimmung aller Eigentümer dafür, weil man auf die allgemeinen Teile des Hauses zugreift. Das ist aber im Grunde etwas, was man meist vergisst: Auch der einzelne Eigentümer kann so etwas machen, wenn er alle anderen um Zustimmung bittet. Bei einem WEG-Reihenhaus wurde die PV-Anlage nun zu den privilegierten Änderungen genommen. Da braucht man zwar auch die Zustimmung der anderen, aber wenn keiner etwas dagegen hat, dann kann man sie machen.

Änderungen von WEG-Objekten: "Die meisten machen es einfach"

STANDARD: Mit der Erweiterung der privilegierten Änderungen wurde also doch einiges erleichtert. Aber die meisten Eigentümer fragen ja gar nicht, sondern machen einfach – meistens unerlaubterweise. Das hört man von allen Hausverwaltern. Wie groß ist das Problem? Und weisen Sie in Eigentümerversammlungen regelmäßig darauf hin?

Weinberger: Der wichtigste Satz des Hausverwalters in diesen Causen ist, dass er nicht berechtigt ist, auch nur irgendetwas dazu zu sagen. Aus der Sicht des Interessenten ist das natürlich nicht zufriedenstellend. Der fragt zuerst den Verwalter, und der sagt ihm, er ist nicht berechtigt, das zu beantworten, er muss alle anderen fragen. Da ist man dann natürlich enttäuscht bis verärgert. Dieser Groll richtet sich oft unberechtigter Weise gegen die Verwaltung. Das ist ein großer kommunikativer Aufwand, den Anfrager, wenn er schon anfragt, aufzuklären, wie er vorzugehen hat. Über die Rechtslage kann man ja informieren. Das ist aber ganz selten. Die meisten machen es einfach, wie Sie sagen. Allerdings: Jeder, der ohne zu fragen etwas ändert, ist davon bedroht, dass er irgendwann einmal auf Unterlassung geklagt wird.

STANDARD: Und zwar wirklich irgendwann, oder? Da gibt es keine Frist …?

Weinberger: Nein. Wenn man die Loggia verglast, am Balkon einen Wintergarten anbaut, alle diese Dinge … Aber genau hier entstehen dann wieder sehr unangenehme Situationen für die Hausverwaltung. Denn die Beschwerdeführer – die also wollen, dass jemand wieder etwas rückbaut oder entfernt – melden sich auch zuerst beim Verwalter und sagen zu uns: "Machts was!" Aber auch da sind wir nicht berechtigt, etwas zu unternehmen. Da muss zumindest ein Eigentümer eine Unterlassungs- oder Besitzstörungsklage einbringen.

STANDARD: Bei Änderungen am Balkon gibt es aber doch einen Graubereich, nicht? Was davon gehört zur Wohnung, was ist Außenhaut?

Weinberger: Dazu muss man ganz nüchtern feststellen: Dem Wohnungseigentümer gehört die Farbe an den Wänden. Sonst nichts. Genau so sage ich das auch den jungen Kolleginnen und Kollegen immer in meinen Kursen, sage aber auch gleich dazu: "Sagts das nie einem Kunden!" (lacht). Nein, im Ernst: Als Wohnungseigentümer ist man Miteigentümer des Gebäudes, zu einem gewissen Prozentsatz, und darüber hinaus ist man Nutzungsberechtigter der eigenen Einheit. Gehören tut einem da aber gar nichts. Man hat nur ein ausschließliches Nutzungsrecht.

Klarerweise gibt es bereits viele Entscheidungen in der Judikatur, auf die man sich berufen kann. Die Sat-Schüssel auf der Innenseite des Balkons ist zulässig. Aber vieles ist halt eine Frage, wer denn dagegen klagen wird. Den Wind- und Sichtschutz am Balkon haben sehr viele, aber in Wahrheit verändert er natürlich das Erscheinungsbild eines Hauses. Wenn da alle eine Strohmatte haben und einer hat eine Flagge eines Landes, oder eine Totenkopffahne in Schwarz, dann sticht das natürlich heraus. Da geht’s also um die äußere Erscheinung. Auf der Innenseite eines Balkons etwas aufstellen wird aber eher zu akzeptieren sein als etwas, das für alle gut sichtbar ist.

STANDARD: Müsste man da rechtlich etwas klarstellen?

Weinberger: Man hat ja schon sehr vieles klargestellt. Grundsätzlich muss die Gemeinschaft immer gefragt werden, aber die privilegierten Änderungen erleichtern das halt. Die könnte man wahrscheinlich noch ausbauen. Vor 20 Jahren gab es das vielzitierte Urteil, dass das Verbot einer Sat-Schüssel auch eine Einschränkung der passiven Informationsfreiheit gemäß europäischer Menschenrechtskonvention ist. Das heißt, man kann seither grundsätzlich eine Sat-Schüssel nicht untersagen. Daraus wurde dann eine Interpretation der Menschen, dass man sich eine Sat-Schüssel aufhängen kann, wo man will. Der Schluss ist aber falsch. Nach wie vor muss man um eine Bewilligung ansuchen.

Aber Wohnungseigentümer untereinander sind ja auch nicht eine Gruppe von Menschen, die einander immer in die Suppe spucken wollen. Gerade auch so ein Kleinst-PV-Kraftwerk auf dem Balkon, wie sie gerade in Mode sind, kann meist auch schnell wieder abmontiert werden. Aber wenn der nächste anfängt, unterhalb seines Fensters etwas zu montieren, weil er keinen Balkon hat, da würde ich schon sagen, da brauchen Sie die Zustimmung. Da wird die Fassade angebohrt, das ist dann schon nicht mehr so einfach.

STANDARD: Sobald man die Fassade anbohrt, braucht man ohnehin immer eine Zustimmung, das ist so eine Faustregel, nicht?

Weinberger: Ja. Aber dann bohren sie einfach in den Fensterstock rein, das ist dasselbe Thema. Man kann den Wohnungseigentümern ja nicht verbieten, die Wohnung zu nutzen. Der Umfang dieses Nutzungsrechts ist oft ein sehr subjektiver. (Martin Putschögl, 5.11.2022)